Es scheint schlimm zu stehen um die einst so erfolgsverwöhnte Photovoltaikindustrie. Wenn man jedoch mal einen Schritt zurück tritt und die Entwicklung aus einer gewissen Distanz betrachtet, dann merkt man schnell, dass auch die Photovoltaik einem Muster folgt, das ganz typisch für die Entwicklung neuer Technologien ist.
Ich habe vor fünf Jahren angefangen, mich intensiv mit der Photovoltaikbranche auseinanderzusetzen. Davor habe ich viele Jahre lang in der IT- und Telekommunikationsindustrie gearbeitet. In dieser Zeit habe ich den sogenannten Hype Cycle kennengelernt, den das amerikanische Analysten- und Beratungsunternehmen Gartner seit vielen Jahren für IT-Technologien herausgibt.
Dabei hat Gartner festgestellt, dass alle neuen Technologien einem gleichen Schema folgen. Gartner bildet neue IT- Technologien auf einer Kurve ab. Die Zeit, die die Technologien brauchen, um den Zyklus zu durchlaufen, kann stark variieren und zwischen ein und zehn Jahren dauern. Auch gibt es Produkte, die das Plateau der nachhaltigen Produktivität nie erreichen. Es ist sehr interessant, zu verfolgen, wie sich die verschiedenen Technologien entwickeln. Verblüffend ist zu sehen, wie sie alle die vorgezeichnete Kurve durchlaufen.
Wer zu früh kommt
Zwar bildet Gartner als IT-Beratung nicht die Photovoltaiktechnologien auf der Kurve ab. Aber die Entwicklung der Photovoltaik lässt sich leicht darauf übertragen. Erste Produkte wurden von den sogenannten Early Adopters – also den „frühen Anwendern“, die sich aus idealistischen Gründen für eine eigene Solarstromproduktion interessierten – begierig aufgenommen. Daraus entwickelte sich ein echter Hype, weil die Umwandlung der unerschöpflich vorhandenen Sonnenenergie als Lösung der Energieprobleme angesehen wurde. Verstärkt durch finanzielle Förderung dieser Technologie, in Deutschland zum Beispiel durch das EEG, verstärkte sich dieser Hype bis auf den „Gipfel der überzogenen Erwartungen“.
An dieser Stelle beginnen sich dann die kritischen Stimmen zu mehren. Zum einen treten noch vorhandene Unzulänglichkeiten der neuen Technologie zutage. Diese werden zunehmend in den Medien und den Diskussionen thematisiert. Zum anderen lösen die neuen Technologien natürlich bestehende Produkte ab oder bringen gar völlig neue Geschäftsmodelle mit sich, die das Fortbestehen von etablierten Unternehmen gefährden. Diese Unternehmen setzen dann alle Hebel in Bewegung, um ihre Marktposition zu behaupten. Dafür werden auch die Medien und andere Meinungsführer instrumentalisiert, zu denen gerade die alten Marktführer in der Regel einen guten Kontakt haben.
Mit den zunehmenden kritischen Stimmen beginnt auch der Abstieg in das Tal der Tränen. Es folgt eine Konsolidierungswelle, denen gerade die Pioniere häufig zum Opfer fallen. Diese sind oft technologisch stark, haben aber Schwächen in der wirtschaftlichen Führung und scheitern häufig am unstrukturierten Wachstum zu Boom-Zeiten.
Stabiles Wachstum
Beruhigend ist jedoch zu wissen, dass irgendwann der Tiefpunkt im Tal der Tränen erreicht ist. Denn nachdem die Unternehmen zum Teil schmerzhafte Erfahrungen machen mussten, bringen die Unternehmen, die begriffen haben, wie der Markt funktioniert und was zu tun ist, die Technologie auf die nächste Ebene. Sie entwickeln neue Produkte und Produktkombinationen. Erste Beispiele dafür sind Photovoltaikanlagen mit integrierter Speichermöglichkeit. Zudem rücken Dienstleistungen stärker in den Fokus, und es entstehen neue Geschäftsideen und -modelle. Da die konsolidierte Struktur gefestigter ist, beginnt vom Tal der Tränen die gesunde und nachhaltige Entwicklung einer Technologie.
Aufgrund der besonderen Situation der Photovoltaik mit starken politischen Einflüssen, mit Förderung durch Instrumente wie das EEG, mögen sowohl der Hype-Gipfel als auch das Tal der Tränen ausgeprägter sein als bei anderen Technologien. Aber auch die Photovoltaik ist auf dem Weg zu einem stabilen Wachstum – von dem alle Unternehmen profitieren, die das Tal der Tränen überleben.