Agora Energiewende hat elf Eckpunkte vorgestellt, wie die Bundesregierung des Ausstieg aus der Kohleverstromung angehen könnte. Die Vorschläge basieren auf einem Konsens mit den Betreibern der Kohlemeiler, was wiederum auf Kritik vom Solarenergie-Förderverein Deutschland stößt.
Mit Blick auf die Pariser Klimavereinbarungen und die Ziele der Bundesregierung zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes hat Agora Energiewende elf Eckpunkte erarbeitet, wie die Bundesrepublik aus der Kohleverstromung aussteigen kann.
1. Runder Tisch
Agora Energiewende schlägt als erstes vor, zeitnah einen ,Runden Tisch Nationaler Kohlekonsens‘ einzuberufen. Hierbei gehe es um einen vertrauensvollen Dialogprozess unter allen Beteiligten, in dem ausgewogene und faire Kernelemente des Abschieds von der Kohleverstromung ausgehandelt werden. Schließlich habe die Energiewirtschaft ein Recht auf Planungssicherheit und Verlässlichkeit. „Wenn die Politik aber beim Thema ‚Dekarbonisierung des Stromsystems‘ weiter den Kopf in den Sand steckt, dann schafft das größtmögliche Verunsicherung aller Beteiligten“, warnt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.
2. Gesetzlicher Rahmen
Der zweite Schritt ist dann der schrittweise und gesetzlich geregelte Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2040. Die Kohleverstromung in Deutschland brauche ein Enddatum, an dem sich alle orientieren können und der Rechtssicherheit schafft.
3. Kein Neubau von Kohlekraftwerken
Zunächst sollte aber der Neubau von Braun- und Steinkohlekraftwerken nicht mehr genehmigt werden, weil diese nicht mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung vereinbar sind.
4. Kosteneffizienter Abschaltplan
Ein konkreter und verbindlicher Plan, in welcher Reihenfolge die bestehenden Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, soll Strukturbrüche vermeiden. Als Basis für den Abschaltplan sollten Restlaufzeiten für jedes Kraftwerk analog zum Ausstieg aus der Kernkraft festgelegt werden.
5. Keine zusätzlichen Klimaschutzregeln für Kohlemeiler
Über den Abschaltplan hinaus sollte nach Ansicht der Experten von Agora Energiewende die Bundesregierung den Kohlekraftwerken keine weiteren Belastungen aufbürden. Andererseits sollte aber auch keine Stilllegungsprämie gewährt werden.
6. Keine weiteren Tagebaue
Da die bisher schon erschlossenen Lagerstätten für Braunkohle bis zum Ende der Kohleverstromung ausreichen, sollten keine weiteren Tagebaue erschlossen werden.
7. Folgelasten beseitigen
Für die Rekultivierung der Braunkohletagebaue müssen die Betreiber aufkommen. Dazu soll eine Stiftung gegründet werden, in die diese einzahlen. Die Mittel kommen aus einer Abgabe auf Braunkohlestrom, deren Höhe durch ein Gutachten ermittelt wird. Agora Energiewende geht von etwa 2,50 Euro pro Megawattstunde Braunkohlestrom aus.
8. Strukturwandelfonds auflegen
Um den Strukturwandel in den betroffenen Regionen finanziell abzufedern, soll im Bundeshaushalt ein „Strukturwandelfonds Braunkohleregionen“ eingestellt werden. Dieser Topf sollte jährlich mit 250 Millionen Euro gefüllt sein. Die Aufteilung der Gelder erfolgt entsprechend der in den einzelnen Tagebaurevieren betroffenen Arbeitsplätze verteilt werden.
9. Versorgungssicherheit gewährleisten
Die Bundesregierung müsse über geeignete Reserve- und Monitoringregelungen die gewohnte Versorgungssicherheit gewährleisten. Um dies kosteneffizient zu schaffen, sollten die notwendigen Reserven technologieoffen ausgeschrieben werden, vor allem wenn ab dem Jahr 2025 der Zubau neue Gaskraftwerkleistung notwendig werde. Am Ende des Ausstiegszeitraums sollen dann aber zusätzlich abzuschaltende letzte Steinkohlekraftwerke für einen Übergangszeitraum in eine Kapazitätsreserve überführt werden.
10. Stärkung des Emissionshandels
Auf europäischer Ebene sollte sich die Bundesregierung für eine Stärkung des Emissionshandels einsetzen. Dazu gehöre auch die Einführung einer Regelung, dass die wegen des Kohleausstiegs frei werdenden Zertifikate einer Marktstabilitätsreserve zugeführt und nicht aus dem Handel genommen werden.
11. Energieintensive Unternehmen unterstützen
Die Börsenstrompreise werden mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien auf einem niedrigem Niveau bleiben. Falls das nicht zutreffen sollte, schlägt Agora Energiewende vor, die energieintensive Industrie zu unterstützen.
Kritik aus der Solarbranche
Die ersten Reaktionen aus der Solarbranche sind sehr kritisch. Auf Ablehnung stoßen die Vorschläge zumindest beim Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV). „Das Agora Papier ist ein vergifteter Vorschlag“, kritisieren die Aachener. „Die fossile Stromwirtschaft möchte vertragliche bindende Garantien für ihren Weiterbestand erreichen, bevor unter dem Druck des Klimawandels und der öffentlichen Meinung wirkungsvolle Beschlüsse zum schnelleren Umstieg auf eine CO2-freie Energiebereitstellung gefasst werden.“ Der Vorstand des SFV vergleicht die Entkarbonisierung im Konsens mit der Fossilwirtschaft mit einem Saufgelage zum Abschied aus der Alkoholabhängigkeit. „Der Klimawandel lässt sich nur durch Umstieg auf CO2-freie Technik bremsen. Es gilt: Nur Speicher, Wind- und Sonnenstrom ersetzen Kohle und Atom“, betont der Aachener Verein. (Sven Ullrich)