Für die Kosten der Energiewende ist es weitestgehend unerheblich, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien nahe am Verbraucher erfolgt oder an optimalen Standorten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Beratungsunternehmen Consentec aus Aachen im Auftrag der Berliner Initiative Agora Energiewende erstellt hat. „Wir sehen eine gewisse Tendenz, sich mehr auf die besten Standorte beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu konzentrieren als auf den verbrauchernahen Ausbau“, erklärt Christoph Maurer von Censentec und Mitautor der Studie. „Allerdings muss man fairerweise auch sagen, dass die Unterschiede sehr gering sind.“ Am Ende führen alle Strategien zu signifikanten Senkungen der jährlichen Kosten für das gesamte Stromsystem. „Die Politik hat damit einen großen Handlungsspielraum beim Ausbau von Onshore-Windkraft und Photovoltaik“, ergänzt Rainer Baake, Direktor von Agora Energiewende.
Vier Szenarien
Die Studie nimmt als Basisszenario die Ausbauziele der Bundesregierung und das Leitszenario der Bundesnetzagentur für den Netzausbau. Zusätzlich dazu haben die Autoren vier verschiedene Alternativszenarien durchgerechnet. Auf der einen Seite unterscheiden sie zwischen der Installierung von Anlagen zu Erzeugung erneuerbarer Energien nahe am Verbraucher und dem Zubau an den Standorten, wo die Betreiber optimale natürliche Bedingungen vorfinden. Das heißt, dass der Photovoltaikzubau eher im Süden Deutschlands realisiert werden müsste, wo die Globalstrahlung höher ist als im Norden. Der Zubau von Onshore-Windanlagen sollte hingegen im Norden erfolgen. Als zweite Variable haben die Studienautoren die Geschwindigkeit des Netzausbaus genommen. Dabei rechnen sie zum einen mit einem zeitnahen Ausbau der Stromnetze, der mit dem Zubau der erneuerbaren Energien Schritt hält. Zum anderen nehmen sie einen Netzausbau an, der mit einer Verzögerung von zehn Jahren erfolgt. Im Ergebnis sinken die jährlichen Kosten für das gesamte Energiesystem bei einem standortnahen Zubau von erneuerbaren Energien und einem schnellen Ausbau der Netze um fast 3,8 Milliarden Euro im Jahre 2033 im Vergleich zum Basisszenario sinken. Verzögert sich der Netzausbau, sinken die jährlichen Kosten nur um 3,24 Milliarden Euro. Beim verbrauchernahen Ausbau der erneuerbaren Energien spielt die Geschwindigkeit des Netzausbaus eine geringere Rolle. Denn bei einem schnellen Netzausbau sinken die jährlichen Gesamtkosten um 2,99 Milliarden Euro im Jahr 2033. Verzögert sich der Netzausbau um zehn Jahre, sinken die Kosten im Vergleich zum Basisszenario um 2,96 Milliarden Euro pro Jahr. „Diese Ergebnisse zeigen ganz klar: Der Ausbau der erneuerbaren Energien braucht nicht auf den Netzausbau zu warten“, fasst Rainer Baake zusammen.
Einsparungen auch im Basisszenario
Die Studie zeigt aber auch, dass sich beim von der Bundesregierung geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Kosten des gesamten Stromsystems in Deutschland sparen lassen. Allerdings bedeutet das, dass mehr Onshore-Windanlagen gebaut werden müssten und weniger auf See. „Die Offshore-Windkraft ist derzeit der Kostentreiber der Energiewende“, betont Rainer Baake. Das heißt aber nicht, dass man den Bau dieser Anlagen ganz stoppen sollte. „Vielmehr kommt es auf die richtige Balance an“, erklärt Baake. „Der Ausbau sollte auf einem niedrigen Niveau fortgeführt werden, um Technologie- und Industrieentwicklung hier weiterhin zu ermöglichen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren. Denn bei einem Stopp des Ausbaus der Offshore-Windkraft hat diese Technologie keine Möglichkeit, eine Lernkurve zu durchlaufen und damit nicht die Chance, billiger zu werden.“
Speicherpreise müssen signifikant sinken
Die Autoren der Studie haben außerdem noch berechnet, um wie viel Batteriespeicher billiger werden müssten, damit der Einsatz der Speicher ein mit den anderen Szenarien vergleichbares Kostenniveau erreicht. Im Ergebnis müssten die Preise für Systeme, die Photovoltaik mit Batteriespeichern kombinieren, bis 2033 um 80 Prozent billiger werden müssten, damit sie sich wirtschaftlich für das gesamte Energiesystem lohnen. „Zwar werden die Kosten weiter sinken“, erklärt Baake. „Doch wir halten es für unwahrscheinlich, dass sie das um diese Größenordnung tun. Aber es ist nicht ganz ausgeschlossen. Schließlich haben wir bei der Photovoltaik schon einige Überraschungen erlebt“, meint der Direktor von Agora Energiewende. (Sven Ullrich)