Im Allgäu entsteht eine neue Plattform, über die unter anderem Betreiber von Solaranlagen ihren Strom direkt mit Kunden vor Ort handeln können. Die Lieferung erfolgt dabei normal über das Verteilnetz, die Abrechnung über eine Blockchain. Über ein virtuelles Kraftwerk der Allgäuer Überlandwerke bekommen die Projektteilnehmer auch Zugang zur Strombörse.
Der Netzbetreiber Allgäu Netz mit Sitz in Kempten entwickeln eine Plattform für den regionalen Energiehandel. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT), der Hochschule Kempten, Siemens und dem Energieversorger Allgäuer Überlandwerk (AÜW) baut das Unternehmen eine unter anderem ein Energiemanagementsystem und eine Handelsplattform auf, über die kleine Stromproduzenten wie Betreiber einer Solaranlage ihre Energie regionale an bestimmte Abnehmer und Flexibilitäten verkaufen können. Das Ganze läuft über eine sogenannte Cloud, über die virtuell der Strom geliefert wird.
Abgerechnet wird über Blockchain
Die entstehenden Verbindlichkeiten zwischen den Teilnehmern des lokalen Energiehandels werden softwareseitig mit Hilfe von intelligenten Verträgen (Smart Contracts) auf Basis der Blockchaintechnologie abgerechnet. Durch den Einsatz dieser Technologie können einer Kilowattstunde erstmals klare, individuelle Merkmale zugeordnet werden und so Strom, der lange Zeit als Paradebeispiel für ein homogenes Gut galt, zu einem heterogenen Produkt machen. Zusätzlich dazu sorgt das AÜW über ein virtuelles Kraftwerk dafür, dass die lokalen Marktteilnehmer Zugang zu zentralen Vermarktungsoptionen wie der Strombörse bekommen. Das Ziel dabei ist, Angebot und Nachfrage stets ausgleichen zu können.
Siemens ist dabei für die informationstechnische Umsetzung der Handelsplattform verantwortlich. Die Wissenschaftler des Fraunhofer FIT werden virtuelle Marktteilnehmer simulieren und zusammen mit ihren Kollegen von der Hochschule Kempten die Projektergebnisse wissenschaftlich auswerten. Die Projektteilnehmer haben den Vorteil, dass sie auf die bereits bestehende Infrastruktur wie den Energiecampus Wildpoldsried zurückgreifen können. Dieser entstand im Rahmen von drei Vorgängerprojekten zur Digitalisierung der Energiewende. Hier können sie unter anderem eine große Last, eine Erzeugungsanlage, einen Speicher oder auch einen Haushalt nachbilden, der nicht nur Energie konsumiert, sondern auch als Anlagenbetreiber Strom produziert.
Neues Geschäftsmodell für Energieversorger
Das AÜW wird die Plattform betreiben und daraus ein neues und zukunftsfähiges Geschäftsmodell entwickeln. Allgäu Netz und die Hochschule Kempten haben nach wie vor den innovativen Betrieb des Verteilnetzes im Auge und erforschen, in welche neue, aktive Rolle der Verteilnetzbetreiber im Rahmen einer solchen regionalen Handelsplattform durch Einsatz moderner Komponenten und Systeme sowie intelligenter Betriebsführungsstrategien schlüpfen kann. Durch die neue informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur im Netzgebiet, bestehen für den Verteilnetzbetreiber Allgäu Netz neue Möglichkeiten für die Überwachung und aktiven Betriebsführung seines Netzes. Anreizbasierte Instrumente, wie zum Beispiel dynamische Netzentgelte, können dabei für ein netzdienliches Verhalten bei den Teilnehmern der lokalen Handelsplattform sorgen.
Die Projektteilnehmer haben aber nicht nur den Energiehandel selbst, sondern auch die dazugehörigen rechtlichen Rahmenbedingungen im Blick. Da das untersuchte Konzept mit der aktuellen energierechtlichen Gesetzgebung nicht vereinbar ist, wollen sie herausfinden, welchen regulatorischen Rahmen durch den regionalen und lokalen Energiehandel notwendig wird. (su)