Die EU-Kommission stellt die Rabatte für große Stromverbraucher bei der Ökostromabgabe in Frage. Sie eröffnet nun ein Prüfverfahren. Der neue Energieminister Gabriel steht damit vor seiner ersten Bewährungsprobe.
Die Europäische Kommission hat heute eine Prüfung gegen die von der Bundesregierung gewährten Privilegien für stromintensive Unternehmen eingeleitet. Die Teilbefreiung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stehe nicht mit dem Beihilfevorschriften der Europäischen Union „im Einklang“, begründet EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Seit der EEG-Reform 2012 unter der schwarz-gelben Bundesregierung wird immer mehr stromintensiven Unternehmen eine Teilbefreiung von der EEG-Umlage gewährt. Diese zahlen nur 0,05 Cent pro Kilowattstunde statt 6,24 Cent wie Ottonormalverbraucher ab 2014. Im Jahr 2013 profitierten laut dem Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle immerhin 1.716 Unternehmen von der Regelung – Tendenz steigend. Die privilegierte Strommenge lag bei insgesamt rund 95.000 Gigawattstunden.
Die EU-Kommission werde außerdem das sogennante Grünstromprivileg prüfen. Dabei handelt es sich um eine Teilbefreiung von der EEG-Umlage, wenn die Strommenge eines Lieferanten zu mindestens zur Hälfte aus deutschen Ökostrom-Kraftwerken stammt. Diese könnte in den Augen der EU eine diskriminierende Abgabe sein.
Deseaster für die Energiewende
„Nun rächt sich, dass weder die alte schwarz-gelbe Bundesregierung noch die neue Große Koalition einen tragfähigen Vorschlag zur Reduzierung der Industrieausnahmen im EEG gemacht haben, um das Verfahren abzuwenden”, sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen, Oliver Krischer. Die Eröffnung des Beihilferverfahrens sei ein Deseaster für die Energiewende und die Industrie. „Die üppigen und in Teilen ungerechtfertigten Industrieausnahmen haben der EU-Kommission nun die Vorlage gegeben, das gesamte EEG mit seinen Einspeisetarifen in Frage zu stellen”, so Krischer.
Der Grünenpolitiker sieht den neuen Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) in Zugzwang. Damit die Ausnahmen dauerhaft europarechtlich abgesichert sind, müsse er eine Regelung analog zur EU-Strompreiskompensationsrichtlinie entwickeln. Sprich, nur noch die wirklich energieintensiven Unternehmen begünstigen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Die deutsche Industrie warnt hingegen: „Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Unternehmen wäre für viele Unternehmen und Tausende Arbeitsplätze das sofortige Aus“, sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Diverse Unternehmen und Konzerne bilden dementsprechend Rückstellungen für die eventuell anstehenden Rückzahlungen.
Der Fall Preussen Elektra
„Die Behauptung, das Gesetz falle unter die Beihilferichtlinie, stehe im klaren Widerspruch zur geltenden Rechtsprechung“, kommentiert BEE-Geschäftsführer Hermann Falk die Entscheidung der EU-Kommission. Der Europäische Gerichtshof habe im Fall Preussen Elektra von 2001 das EEG klar vom Verdacht der Beihilfe befreit. Dieses Urteil sei auch Grundlage der bisherigen Position der EU-Kommission, so Falk. „Die neue Auffassung der Kommission, dass es seitdem signifikante Änderungen des EEG gegeben habe, die eine Einordnung als Beihilfe begründen könnten, ist rechtlich nicht stichhaltig.“
Die von Kommissar Almunia geplante Marktprämie stelle eine denkbare Endstufe eines Vergütungsmodells für erneuerbare Energien da. „Sie kommt aber eine Dekade zu früh“, kommentiert Holger Kraft, Partner von der internationalen Anwaltskanzlei CMS. Dieses Modell könne derzeit nicht funktionieren. Neue Technologien benötigen daher zu Beginn einen verstärkten Investitionsanreiz durch vergleichsweise hohe Tarife, so Kraft. Nur unter dieser Voraussetzung seien Marktteilnehmer weiter bereit, in die nötige Forschung und Entwicklung zu investieren. (Niels Hendrik Petersen)