Die Zeiten, in denen Kunden den Großhändlern und Installateuren die Module förmlich aus der Hand rissen, sind vorbei. Das merkt auch Gerhard Jäger von der Firma Jäger Energietechnik in Lonsheim. „Der Wettbewerb um die Kunden ist härter geworden“, sagt der Inhaber des mittelständischen Betriebes, der noch Filialen im Rhein-Main-Gebiet und in Bad Kreuznach an der Nahe unterhält. Zwar kommen mit dem sonnigen Frühling wieder viele Kundenanfragen nach Dachanlagen, aber ohne zusätzlichen Service für den Kunden gehe da auf Dauer nichts. So bietet Jäger seinen Kunden eine „persönliche und flexible“ Langzeitbetreuung an – mit 24-Stunden-Hotline, falls die Solaranlage einmal nicht so läuft wie erwünscht. „Auch als Installationsbetrieb muss man über Service eine Marke bilden“, weiß Jäger aus Erfahrung. Allerdings bezweifelt er, dass das Thema „Marketing und Markenbildung“ schon bei allen Herstellern, Systemanbietern und Großhändlern angekommen ist. Aber es tut sich was: „Früher kam da nicht viel, außer ein paar Broschüren für uns Installateure. Jetzt nehmen die Bemühungen aber zu, vor allem die deutschen Hersteller sind hinterher.“ So wartet Gerhard Jäger gespannt, welche neuen Vertriebs- und Marketingkonzepte in den nächsten Monaten aus der Branche kommen.
Die deutsche Solarbranche setzte sich beim Thema Marketing in den letzten Jahren eher die Sonnenbrille als die Kundenbrille auf. Die Branche strahlte mit überdurchschnittlichem Nachfragewachstum weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Dabei verdrängten die Unternehmen meist Gedanken über professionelles Marketing, Markenbildung und Kundenbindung und beschäftigten sich lieber mit dem Ausbau von Produktionskapazitäten, Kostenoptimierung und der technologischen Weiterentwicklung von Solartechnik. Geblendet von Rekorden bei Zubau und Export, verdoppelten nach Verbandsschätzungen die deutschen Modul-, Solarzellen- und Waferhersteller 2008 ihre Produktionskapazitäten – und haben jetzt zu kämpfen: Spanien als wichtigstes Exportland hat den Markt gedeckelt, und die Wirtschaftskrise lässt Inlandsnachfrage und Projektgeschäft stagnieren. Folge: Nicht nur die Umsätze sinken, sondern auch Preise und Margen.
Für den Unternehmensberater Johannes Spannagl von der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH (W&P) war diese Entwicklung zu einem „echten Markt“ absehbar. „Nur in einem jungen Markt bestimmen exogene Faktoren wie staatliche Subventionen und Angebotsknappheit den Markterfolg maßgeblich.“ Bei dem momentanen Überangebot könne ein Wegbrechen des riesigen Solarmarktes Spanien nicht mehr alleine durch den Export in neue Märkte kompensiert werden. Laut Spannagl müssen sich die Unternehmen jetzt im Käufermarkt Deutschland mit wachsender Produkt-und Anbietervielfalt „klarer im Wettbewerb und vor den Kunden voneinander differenzieren“.
Unterschiedliche Kundentypen
Vielen Unternehmen ist aber bisher für ein erfolgreiches Marketing zu wenig klar, wer ihr Kunde überhaupt ist. Um „Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens, der Marke und der Produkte zu definieren“, müssen für den Geschäftsführer von EuPD Research Markus Hoehner zuerst „die unterschiedlichen Endkundentypen in ihrem Kaufverhalten verstanden werden.“ Denn „den“ Endkunden gebe es in der Solarbranche so nicht. Großhandel, die Handwerksbetriebe und schließlich der Endkunde als Privatperson oder als kommerzieller Großinvestor – diese Kunden dürfen nicht in denselben Topf geworfen werden. War bisher der Großhandel hauptsächlich der Adressat von Vertriebsstrategien, wird für Marketing-Experten wie Spannagl und Hoehner zukünftig der Handwerker mit seinem persönlichen und dauerhaften Kontakt zum Käufer immer mehr die Schlüsselstellung eines Marktschleusers einnehmen. Langsam beginne die Branche umzudenken. Mit neuen gezielten Push-Marketing-Strategien beim Handwerker – Rabatte, Vertriebs- und Servicekooperationen, kostenlose Schulungen, höhere Leistungsgarantien – versuchen einzelne Hersteller aus der Masse herauszustechen und die Handwerksbetriebe langfristig als Partner zu gewinnen. Allein die Tatsache, Module, Wechselrichter oder komplette PV-Systeme liefern zu können, ist nicht mehr ausreichend.
Aber auch für den Endkunden „Privatperson“ wird über die Entwicklung einer Marke und gezielte Werbeansprache nachgedacht. So beobachtet BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig „eine verstärkte Endverbraucherkommunikation“ in der Branche. Der Verband versuche, seine Mitglieder durch Kampagnen wie die „Woche der Sonne“ beim Marketing zu unterstützen. Carsten Körnig ist sicher, dass jetzt die meisten Unternehmen auf umfassende Marktforschung – sowohl intern als auch durch externe Dienstleister – als eine wichtige Basis setzen und mittlerweile versierte Fachleute für Marktbeobachtung beschäftigen. Doch externe Marketing-Spezialisten glauben, dass die Kundenbrille immer noch nicht überall richtig sitzt.
„Es gibt sehr gute Studien von externen Dienstleistern zu Kundenwünschen und -bedürfnissen, die Frage ist nur: Werden sie auch genutzt im Marketing?“, gibt Susanne Krause zu Bedenken, Geschäftsführerin der Anfang 2009 gegründeten Erneuerbare-Energien-Marketingagentur Pier 3 Marketing GmbH. Die Hamburger Agentur bietet Unternehmen „in einem spezialisierten Team Beratung zu den Themen Vertriebsunterstützung und Marketingkommunikation für erneuerbare Energien“ an. Krause weiß aus ihrer eigenen zehnjährigen Erfahrung als Marketing Director der Conergy-Tochter Suntechnics, dass es noch viel Nachholbedarf in der Branche gibt. „Die Unternehmen müssen sich die Kundenbrille aufsetzen und sich dabei die Frage stellen: Wie differenziere ich mich im Käufermarkt?“ Die Nachfrage nach externer Beratung komme dabei momentan nur langsam ins Rollen, aber sie werde bald verstärkt da sein. Falls das Geld ausreicht, um die bisher verschlafenen Marketingaktivitäten zu starten, denn aufgrund der Finanzkrise sind bei einigen Unternehmen die Lagerhallen praller gefüllt als die Bankkonten. „Dieser Wandel vom Nachfrage- zum Angebotsüberhang hat sich schon seit längerer Zeit angekündigt. Die Unternehmen hätten schon in guten Zeiten vorsorgen können, um dafür gewappnet zu sein“, moniert Berater Christian Münch von EuPD Research.
Beim Bonner Solarunternehmen Solarworld AG scheint die Botschaft angekommen zu sein. Das Unternehmen belegte bereits im April letzten Jahres in der Markenorientierungs-Studie „Best Marketing Companies 2008“ von BBDO Consulting und der Uni Bremen den dritten Platz von 282 an deutschen Börsen notierten Unternehmen. „Wir haben ein ganzheitliches Marketingverständnis und versuchen, uns in den Kunden hineinzuversetzen“, erläutert Vertriebsvorstand Frank Henn in der Zeitschrift „Absatzwirtschaft“. Die Kundensicht werde dabei über alle Bereiche hinweg eingehalten.
Installateure als Fachpartner
Dass sich Solarworld über die Perspektive der Kunden auf die momentane Wirtschaftslage besondere Gedanken macht, beweist auch die aktuelle Marketing-Kampagne: „Die Dachsparkasse ist wie eine Bombe eingeschlagen“, sagt Wolfgang Wienke, Vertriebsleiter für die Region West-Süd. Die positiven Geschäftszahlen gegen den Markttrend geben ihm Recht. Solarworld setzt im Vertrieb schon länger auf eine enge Anbindung der Installateure. „Wir suchen uns gute Installateure als Fachpartner und unterstützen sie dann zum Beispiel auch finanziell bei regionalen Anzeigenkampagnen“, sagt Wienke. Zusätzlich können die Betriebe über ein Installateur-Webportal von Solarworld mit Referenzanlagen für sich werben. Neben Schulungen bietet Solarworld Installateuren auch eine spezielle Planungssoftware kostenlos an.
„Unternehmen müssen sich aktiv den verschärften Bedingungen stellen, Kosten an der richtigen Stelle sparen sowie Marketing und Vertrieb professionell organisieren“, rät W&P-Geschäftsführer Johannes Spannagl. „Dann ist die Krise sogar eine Chance, sich im Wettbewerb besser durchzusetzen.“ Entlang der Wertschöpfungskette produzierten viele Solarunternehmen immer mehr verschiedene Produkte wie etwa Wafer, Zellen und Module, kristalline sowie Dünnschichtprodukte, und projektierten darüber hinaus Aufdach- und Freiflächenanlagen – egal, der Nachfragemarkt schluckte in den Boomjahren alle ehrgeizigen Ausbaupläne.
Für den Geschäftsführer der Markenagentur kleiner und bold GmbH, Tammo Bruns, haben sich viele Unternehmen damit ein „Trojanisches Pferd“ ins Haus geholt, das sie jetzt bedroht. „Es war für uns Marketingleute immer ein bisschen problematisch, die Branche zu überzeugen. Alles verwandelte sich zu Gold, was begonnen wurde.“ Bruns hat sich in den vergangenen Jahren, in denen er zunächst Aleo Solar und später Q-Cells beim Aufbau einer Markenstrategie begleitete, oft wie der trojanische Priester Laokoon gefühlt, der davor warnte, das hölzerne Pferd in die Stadt zu holen. „Differenzierung heißt immer auch Fokussierung“, sagt Bruns und warnt: „Man kann nicht einfach alles machen und sagen: Wir stehen für alles, weil man dann nicht für alles steht – sondern für nichts.“
Bestes Beispiel dieser gescheiterten Strategie ist der derzeit strauchelnde Riese Conergy AG. Das einstige Muster-Unternehmen, das seine Geschäfte 1998 als solarer Projektierer und Großhändler begann, kaufte weltweit immer mehr Unternehmen aus den verschiedensten Bereichen der Erneuerbaren auf. Conergy wollte damit laut Geschäftsbericht 2006 „seine Strategie zum diversifizierten Systemanbieter für die Megasegmente der erneuerbaren Energien konsequent fortsetzen.“ Ernüchtert kam Vorstandsvorsitzender Dieter Ammer inzwischen zu dem Ergebnis: „Die eingeschlagene Strategie, binnen kurzem zu einem umfassenden Erneuerbare-Energien-Konzern zu wachsen, erwies sich als zu ambitioniert. Sie führte zu einer Komplexität, der das Unternehmen immer weniger gewachsen war.“ Immer mehr neue Markennamen wie Suntechnics, Epuron und Voltwerk hatten die konsequente Markenstrategie und den Markenwert des Unternehmens verwässert, sagen Experten.
Mehr als nur Kosmetik
„Das Markenthema hat nichts mit Oberflächenkosmetik für den Kunden zu tun“, sagt Markenexperte Bruns. „Die Marke ist ein betriebliches Ordnungssystem, ein Filter für alle Ausdrucksformen des Unternehmens nach innen und außen.“ Bei der Markenentwicklung gehe es nicht nur um einen Dialog zwischen Unternehmen und Kunden, sondern auch um die interne Kommunikation. Susanne Krause ist ebenfalls der Meinung, dass es bei dem Thema „Ausrichtung aller internen Prozesse auf Marketing und Vertrieb“ noch Schwächen in der Branche gibt.
Besonders problematisch wird dies für Gründer-Unternehmen, die überdurchschnittlich schnell wachsen: „Idee und Vision der Gründer müssen über eine Markenarchitektur in die interne Kommunikation, um die Mitarbeiter auf den Kurs zu kriegen, auf dem das Schiff segelt“, meint Bruns. Dies sei von Anfang an ein Thema bei der Markenentwicklung von Q-Cells gewesen – allein schon wegen des sogenannten Employer-Brandings als Arbeitgeber im eher unattraktiven Bitterfeld in Ostdeutschland. Neben dem Markenaufbau bei potenziellen Mitarbeitern habe der Solarzellen-Hersteller von Anfang an darauf gesetzt, einen „Ingredient Brand“ zu schaffen. Das „Q“ aus dem Solar Valley als „Marke innen drin“ – analog zur Strategie des amerikanischen Halbleiterherstellers Intel aus dem Silicon Valley: „Die Menschen wissen zwar nicht genau, was es ist, aber sie finden Intel gut und bezahlen dann auch mehr Geld für einen Computer“, erläutert Bruns. Über die Zelle als Prozessor werde die Leistung, Langlebigkeit und Degradation des ganzen Moduls definiert.
Markenbindung nur schwach
Inzwischen fährt Q-Cells für den Bereich Dünnschichtmodule mit den vier Marken – Calyxo, Solibro, Sontor und Flexcell – einen ähnlichen Kurs der Markenerweiterung wie vor Jahren Conergy. Außerdem hält Q-Cells-Chef Anton Milner weiter an den ehrgeizigen Ausbauplänen des dritten Geschäftsbereichs Projektgeschäft für Großanlagen fest. Für Bruns bleibt es aber weiter bei der bisherigen Markenstrategie, obwohl er einräumt, dass die Markenbekanntheit beim Endverbraucher im Vergleich zu anderen Branchen immer noch sehr gering ist. Im aktuellen Brand-Monitor 2009 des Marktforschers EuPD Research, für den knapp über 1.000 Menschen gefragt wurden, welche Solarmarke ihnen spontan einfalle, ist Q-Cells hinter Solarworld und Schüco auf Platz 3 platziert. Mit einem Wert von 1,7 Prozent. Auch Spitzenreiter Solarworld erreicht nur magere 5,8 Prozent. Für den EuPD-Berater Christian Münch ist dies eine Folge davon, dass „Photovoltaikanlagen weiter nur Business-to-Business-Produkte sind, die ein überwiegender Teil der Bevölkerung gar nicht richtig kennt.“ Daher gebe es momentan auch keine klare Markenpräferenz beim Endkunden.
Mehr direkte Werbung beim Endverbraucher, wie sie Schott Solar mit einer Print- und Onlinekampagne in Publikumszeitschriften testete, ist dabei nur einer der möglichen Marketing-Wege. Viele Unternehmen suchen ein positives Image über Sponsoring. Der Fußballbundesligist Arminia Bielefeld läuft zu seinen Heimspielen in der Schüco-Arena auf. Die Systaic AG startete vor kurzem ein „neues soziales Nachhaltigkeitskonzept“ und sponsert jetzt den Nachwuchs des Fußballvereins Fortuna Düsseldorf mit einem „Systaic Leistungszentrum“ – inklusive einer dauerhaften Präsenz auf den TV-Banden und Video-Wänden im Stadion. Andere Unternehmen setzen für die Aufklärung potenzieller Neukunden über die Vorteile und Funktionsweise von Solarenergie auf Kooperation: Q-Cells und Sharp schalten zurzeit, „um Jugendliche zu Energie-Botschaftern zu machen“, einen Spot mit animierten Gummifiguren auf dem Musiksender MTV.
Für Experten gibt es nicht eine einzige richtige Strategie, die zum Erfolg führt: „Es kommt auf den richtigen Marketing-Mix an, denn bunte Bilder in Anzeigen und Broschüren reichen auf Dauer nicht aus“, sagt Agenturchefin Susanne Krause. „Momentan läuft viel über den Preis und zusätzlichen Service“, erläutert Krause die klassische Push-Marketing-Strategie, „mit Rabatten, kostenlosen Schulungen, EDV-Service im Internet für das Handwerk und Vertriebsarbeit bei Großhändlern.“ Teilweise werden sogar auf Wunsch des einzelnen Installateurs Modul-Maßanfertigungen mit spezifischen technischen Anpassungen produziert.
Die Entdeckung des Handwerkers
Über eins sind sich die Marketingexperten einig: Der neue Schlüssel zum Erfolg in einem Markt mit Produktüberangebot ist der Handwerker als Multiplikator. Nur er hat wirklich den direkten Draht zum Dachanlagen-Privatkunden, der eine sichere dauerhafte Rendite sucht. „PV-Anlagen bieten wenig Identifikationspotenzial für den Käufer“, sagt Bruns. „Die Leute sagen nicht: Ich bin der Solarworld-Typ. Hier geht es weniger um Leidenschaft oder Status, sondern um Qualität. Da verlassen sich die Leute auf die Empfehlung ihres Installateurs.“
Nach Meinung von Bruns müssen daher beide Seiten bedient werden: Der Handwerker mit langfristiger Kundenbindung und der Endkunde mit einer glaubwürdigen Marke. „Das ist ein Paradigmenwechsel in der Branche, denn bisher wurden nur Systeme und Module an den Großhandel verkloppt. Jetzt müssen die Hersteller schauen, dass sie in den ‚Relevant Set‘, also die engere Auswahl des Verbrauchers und des Installateurs kommen.“