Von Oscar Wilde gibt es die bekannte Beschreibung eines Zynikers: „Ein Mann, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.“ Dünnschichtproduzenten sollten beides kennen. Da die Modulpreise auf dem Photovoltaikmarkt fallen, verlieren sie Wettbewerbsvorteile und werden mit einer schwächeren globalen Nachfrage konfrontiert – und müssen jetzt, um nicht zynisch wirken zu wollen, ihr Nutzenversprechen mehr auf den Wert als auf den Preis ausrichten.
Die Ankündigung von First Solar im April, die Produktionskapazität an die Bedarfsprognose anzupassen, also das Werk in Frankfurt (Oder) zu schließen und die weltweite Produktion um 30 Prozent zu senken, ist ein deutliches Signal, dass Kapazitätserweiterungen im Dünnschichtbereich zunächst eine Pause einlegen werden. Das ist jedoch nicht bei allen Branchenakteuren zu beobachten, es gibt sogar Expansionspläne zum Erreichen von Gigawatt-Dimensionen. Der deutsche CIGS-Hersteller Avancis hat seine neue 1.000-Megawatt-Produktion im Dezember 2011 aufgenommen. Das japanische Unternehmen Solar Frontier fährt seine 900-Megawatt-Produktion in Kunitomi weiter hoch. GE entschied sich für CdTe-Dünnschicht bei seinen 400-Megawatt-Einstieg in die Photovoltaikfertigung, wobei die Modulproduktion in diesem Jahr anlaufen soll. Und im Silicon Valley hat Miasole „beschleunigte“ Wachstumspläne zum Erreichen von 150 Megawatt – ohne jedoch darauf zurückzugreifen, wofür die Region ihren Namen trägt: Silizium. (Die entsprechenden Module finden Sie in unserer Marktübersicht ab Seite 66.)
Geschäft mit Verlust?
Eine der aktuellen Kernfragen auf dem Dünnschichtmarkt ist wohl, welche Risiken eine Expansion in diesem Bereich mit sich bringt. „Ich vermute, dass es doch ein Verlustgeschäft sein wird“, meinte Dirk Morbitzer von Renewable Analytics beim jüngsten Dünnschicht-Branchenforum in Berlin. „Die Auslastung ist zu niedrig, weil unter den derzeitigen Marktbedingungen keine großen Mengen verkauft werden können.“ Morbitzer fügt hinzu, dass First Solar seiner Meinung nach wohl eine Ausnahme darstellt.
GTM Research geht in seinem Bericht „Thin Film 2012–2016: Technologies, Markets and Strategies for Survival“ davon aus, dass die Auslastung im Jahr 2012 noch deutlich unter die bereits schwache Marke von 52 Prozent im Jahr 2011 fallen wird. Der Bericht stellt fest, dass die Risikokapital-Investitionen – nach dem Höhepunkt im Jahr 2008 mit über einer Milliarde US-Dollar – für die Dünnschichtproduktion zurückgehen. Der Risikokapitalfluss ist jedoch noch lange nicht versiegt, was im Grunde symptomatisch für Modulpreise unter dem Selbstkostenpreis ist. GTM Research schreibt, dass im Jahr 2011 noch 584 Millionen US-Dollar an Risikokapital in die Dünnschichtproduktion investiertwurden. Mit den Worten von Matt Feinstein von Lux Research beim Berliner Dünnschichtforum „dienen die Investitionen eher dazu, den Betrieb am Laufen zu halten“.
Dünnschichthersteller haben doppelt Grund, Module weiterhin unter dem Selbstkostenpreis zu verkaufen: Um die Bestände zu leeren und die Produktion am Laufen zu halten sowie – was noch viel wichtiger ist – um Bankability zu erreichen und Module abzusetzen. Morbitzer fasst die Situation zusammen: „Die meisten Dünnschichthersteller müssen einen Machbarkeitsnachweis erbringen und ihren Endkunden anhand von Beispielanlagen in einer echten Umgebung – und nicht bloß im Labor – die Leistung der Module präsentieren.“
Starke Mütter im Rücken
Geld aus dem Fenster zu werfen ist zwar für die Hersteller kein idealer Zustand, jedoch stecken viele in dieser Situation. Daher ist eine große und starke Muttergesellschaft ein möglicher entscheidender Faktor. Und bei den Dünnschichtherstellern, die ihre Kapazitäten noch erweitern, scheint dies die Norm zu sein. Eine Momentaufnahme: GE bedarf als eines der weltweit größten Unternehmen keiner großen Einführung. Das Unternehmen TSMC in Taiwan baut gerade ein CIGS-Werk, kann jedoch im Halbleiterbereich auf 25 Jahre Erfahrung zurückblicken. Als Unterstützer von Solar Frontier gibt es bezüglich der Eignung von Showa Shell nur wenige Fragezeichen, und Avancis hat den Glasgiganten Saint-Gobain hinter sich. Das kalifornische Unternehmen Miasole führt seine Expansionspläne fort, wenn auch ohne die führende Hand – beziehungsweise das Kapital – einer Muttergesellschaft. GTM schreibt, dass es daher sehr wahrscheinlich ist, dass sich „ein großer asiatischer Investor (am ehesten Samsung oder eventuell AUO) das Unternehmen unter den Nagel reißt“.
Es gibt immer noch Regionen, in denen Dünnschicht einen Wettbewerbsvorteil hat, und dort findet die Entwicklung statt. Morbitzer und Feinstein stimmen überein, dass Dünnschicht für großtechnische Anwendungen immer noch bevorzugt wird. Miasole gab im April die Entwicklung von Projekten in Indien mit einer Kapazität von acht Megawatt bekannt, für einige gewährt die Export-Import Bank of the United States Kredite.
Die USA gehören zu den Märkten, auf denen die Anteile von Dünnschichtmodulen tatsächlich noch steigen, was hauptsächlich an First Solar liegt. Das Unternehmen spricht in der Telefonkonferenz zum Jahresbericht 2011 von einer 2,6-Gigawatt-Pipeline und einer Reihe von Projekten in den USA. Der Analyst Morbitzer prognostiziert, dass das in Tempe ansässige Unternehmen 2012 einen Anteil von 20 Prozent des etwa vier Gigawatt starken Marktes bekommen wird. Auch CIGS hält in Nordamerika Einzug, nachdem Solar Frontier kürzlich einen Deal für die Ausstattung einer 150-Megawatt-Anlage im kalifornischen Kern County bekanntgab. Nach Fertigstellung wird es sich um das weltweit größte CIGS-Projekt handeln. Solar Frontier nennt seine Technologie weiterhin CIS, trotz der Verwendung von Gallium. Das Projekt in Kern County läuft zusammen mit EDF Energies Nouvelles aus Frankreich. Das Unternehmen hofft, zum Ende dieses Jahres bereits 60 Megawatt und bis Juni 2013 den Rest fertiggestellt zu haben.
Matthias von Armansperg von der strategischen Photovoltaik-Beratungsgesellschaft Accelios Solar meint, dass sich in Indien und einigen anderen asiatischen Ländern dieVorteile der Dünnschicht zeigen werden. „Dünnschicht ist in den Ländern des Sonnengürtels aktuell, wo diffuse Lichtverhältnisse und hohe Temperaturen herrschen“, erklärt er. „Da gibt es Technologien mit besseren Temperaturkoeffizienten und besseren Umwandlungswirkungsgraden gegenüber c-Si.“ Für das japanische Unternehmen Solar Frontier kann sich zudem der Vorteil auf dem Heimatmarkt in Verbindung mit der überarbeiteten Einspeisevergütung und einer möglichen Strommarktliberalisierung günstig auswirken. Aufgrund des Cadmium-Verbots konkurrieren im Dünnschichtbereich CdTe-Produkte nicht mit den CIGS-Modulen von Solar Frontier. Die überarbeitete Einspeisevergütung in Japan sieht für großtechnische Anlagen mit über zehn Kilowatt Tarife von 42 Yen je Kilowattstunde (0,41 Euro) über 20 Jahre vor und für Privatanlagen mit unter zehn Kilowatt den gleichen Betrag über zehn Jahre. Basierend auf diesen Zahlen, die zum Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht offiziell vom zuständigen Regierungsministerium bestätigt worden waren, sagte Bloomberg New Energy Finance den Investoren Renditen von bis zu 44 Prozent voraus. Auch Jefferies gab zum japanischen Markt eine optimistische Prognose ab. Analyst Jesse Pichel schreibt: „Mit der neuen Einspeisevergütung wird ein neuer Energie-Masterplan in Japan aufgestellt, der bis zu 100 Gigawatt an kumulierter PV-Leistung bis 2030 erreichen könnte. Ende 2011 waren es 4,7 Gigawatt.“ Peter Rolufs von Solar Frontier sieht das Unternehmen einzigartig positioniert, um von der neuen Einspeisevergütung zu profitieren: „Japans Solarwende ist auch für Solar Frontier als japanisches Unternehmen, das zu 100 Prozent in Japan produziert, von Vorteil.“ Solar Frontier produziert nach eigenen Angaben 2012 Module mit einer Kapazität von 700 Megawatt, von denen es 60 Prozent auf dem Heimatmarkt abzusetzen hofft. 2011 verkaufte das Unternehmen 30 Prozent seiner Produktion von seiner Niederlassung im südjapanischen Miyazaki auf dem Heimatmarkt. Solar Frontier strebt in dem Land nach einem Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Als neues Marktsegment kommen in Japan auch großtechnische, als „Mega-Projekte“ bezeichnete Anlagen auf, was wohl den Dünnschichtherstellern nutzen wird. Es wurden bereits 200-Megawatt-Projekte von Unternehmen wie dem japanischen Telekommunikationsriesen Softbank vorgeschlagen.
Sharp könnte auch zu einem führenden Anbieter in Japan werden, so von Armansperg. „Sharp blickt in der Solarbranche auf eine lange Geschichte zurück. Seit Langem bestehen Vertriebsbeziehungen nicht nur in Europa, sondern auch zu asiatischen Märkten. Die größte Dünnschichtanlage des Unternehmens steht in Thailand, sie haben ein Vertriebsnetz mit globaler Reichweite.“ Der weiter entfernte südostasiatische Markt könnte sich auch für großtechnische Projekte öffnen, wenngleich die Photovoltaik sich dort größtenteils noch in der Entstehungsphase befindet.
Downstream-Integration
Im April gab First Solar die Lieferung von 500.000 Modulen für ein 40-Megawatt-Projekt in Rajasthan (Indien) bekannt. Der Kunde war Reliance Power, das Projekt ist Teil eines 100-Megawatt-Liefervertrags, der 2011 unterzeichnet wurde. Trotz des möglichen Beigeschmacks aufgrund der angekündigten Schließung der deutschen Niederlassung liegt die Strategie von First Solar darin, eigene Projekte als EPC-Kontraktor und als Integrator zu verfolgen. Für ein Unternehmen dieser Größe macht es Sinn, die Kontrolle der gesamten Projektentwicklung zu übernehmen, so Feinstein von Lux Research. Laut von Armansperg hat diese Art von Downstream-Integration und Kontrolle über den Prozess das Potenzial zu deutlichen Kosteneinsparungen auf Systemebene – und das „stärker, als es einem lediglichen Hersteller möglich wäre“.
Solar Frontier ist für die Lieferung von Downstream-Kapazität und zur Sicherung eines Teils der Produktion ein Joint Venture namens PV Cistems eingegangen. Partner ist Belectric. In den kommenden Wochen werden Ankündigungen zu Projekten sowie der Japanstrategie des Joint Ventures erwartet. Zudem hat Solar Frontier auf Anfrage bestätigt, mit einer mittelfristigen Projekt-Pipeline von 100 Megawatt zu rechnen. Der große EPC-Kontraktor Belectric hält auf jeden Fall noch voll an der Dünnschicht-Technologie fest und plant die weitere Zusammenarbeit mit First Solar und Solar Frontier als Zulieferer. Belectric hat aufgrund der Installation von rund einem Gigawatt Leistung in hauptsächlich großtechnische Anlagen in Europa beträchtliche Erfahrung, von der das Unternehmen weiterhin profitieren möchte – trotz der günstigen Preise der Hersteller von kristallinem Silizium.
Gewährleistung zählt
Belectric-Geschäftsführer Bernhard Beck meint, dass es viel mehr um langfristige Zukunftsfähigkeit als um kurzfristige Preisvorteile gehe. „Es stimmt, dass es bei Siliziummodulen starke preisliche Veränderungen gibt, aber diese Preise können meiner Meinung nach nicht langfristig aufrechterhalten werden. Wenn man die tatsächlichen Kosten der gesamten Einheit betrachtet, dann liegt die Dünnschicht immer noch vorn“, so Beck. Bei Belectric sei die Kaufentscheidung ein komplexer Vorgang, bei dem auch die Gewährleistung eine große Rolle spiele. „Wenn wir dem Kunden gegenüber eine Garantie aussprechen, dann wollen wir auch sichergehen, dass es den Modulhersteller noch mindestens zehn Jahre geben wird.“ Abschließend sagt er mit Nachdruck: „Bietet ein Unternehmen ein Produkt günstig an und macht dabei Verlust, dann fehlt mir das Vertrauen in eine langfristige Garantie.“ Kaum jemand zweifelt daran, dass 2012 für die Dünnschichthersteller ein schwieriges Jahr werden wird, da die Konsolidierung läuft und Dünnschichtakteure ohne ausreichend starke Bilanzen auf der Strecke bleiben werden. Oerlikon Solar ist bereits von Tokyo Electron für 275 Millionen US-Dollar aufgekauft worden, und GTM Research weist darauf hin, dass andere Akteure vielleicht ebenfalls vor einer Übernahme stehen. Im aktuellen Bericht schreibt GTM, dass jedoch nicht allen Dünnschichtherstellern dieses Glück zuteil werden wird. Das Vermögen der meisten Silizium-Dünnschichthersteller wird nach einem Konkurs wohl veräußert werden. Trotz der Rückläufigkeit des Dünnschichtmarkts im Jahr 2012 prognostiziert GTM jedoch auch dessen Erholung für 2013 mit folgendem Wachstum über 2014 hinaus. Auch wenn man von einem zukünftigen Marktanteil für Dünnschichtproduzenten von nicht mehr als 20 Prozent ausgeht: Das genügt den verbleibenden Unternehmen zum Überleben.