Gemächlich bewegen die Schwarz-Bunten ihre großen Kiefer zum Wiederkäuen hin und her. Ihre prallen Euter haben sie in eine dicke Strohschicht gebettet. Die 110 Kühe sind eigentlich der ganze Stolz von Karin Häberle. Wenn der Milchpreis stimmen würde: „Von den rund 30 Cent, die wir pro Liter bekommen, bleibt nicht viel übrig“, sagt die 48-jährige Landwirtin. „Und wer weiß schon, ob es in ein paar Jahren besser wird.“
Grund genug, an ein zusätzliches Einkommen und an die Altersabsicherung zu denken. Als ein Nachbar im Juni vergangenen Jahres am Stammtisch des örtlichen Gasthauses über die guten Erträge seiner PV-Anlage berichtete und wegen der Anmietung von Dachflächen desAussiedlerhofes anfragte, war es so weit. Die Bäuerin aus dem oberschwäbischen Sigmaringendorf bestellte bei der Ravensburger Solpower zwei 30 Kilowatt starke Anlagen mit Modulen von Canadian Solar, eine für sich und eine für ihren 24-jährigen Sohn. Montiert wurden sie im August von Vertragsinstallateuren des Systemanbieters auf einem Pultdach des Kuhstalls und dem Flachdach einer Lagerhalle. Finanziert wurde die 240.000 Euro teure Investition komplett über die örtliche Hausbank. „Die Rückzahlung der Kredite läuft bisher problemlos, da bleibt auch jetzt schon was hängen“, sagt Karin Häberle. Auch auf der halbstündigen Weiterfahrt Richtung Allgäu wird deutlich, welch große Rolle die Landwirte für die Entwicklung des Photovoltaikmarktes spielen: Kaum ein größeres Scheunen- oder Stalldach mit Südausrichtung, das nicht mit Modulen bestückt ist.
Gute Geschäfte mit Landwirten
Bei der auf kleinere und mittlere Dachanlagen spezialisierten Solpower AG betrug der Anteil des Geschäfts mit Landwirten an dem 150 Millionen starken Umsatz in 2008 rund 30 Prozent, bei regional ausgerichteten Firmen wie Alternative Energie Systeme (AES) in Wangen sogar über 60 Prozent. Rund 80 Megawatt, so viel wie noch nie zuvor, verkaufte Marktführer IBC Solar laut Vertriebsleiter Norbert Hahn im vergangenen Jahr „über Fachinstallateure an landwirtschaftliche Kunden, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg“. Das ist gut die Hälfte des gesamten Inlandsgeschäfts der Bad Staffelsteiner, die damit nach eigenen Angaben gut zehn Prozent des landwirtschaftlichen PV-Marktes in Deutschland abdecken. Die durchschnittliche Leistung der bei Landwirten montierten Anlagen lag bei 20 bis 100 Kilowatt, bestückt waren sie zu rund 90 Prozent mit kristallinen Modulen.
Aktive Maschinenringe
Als Bindeglied zwischen Landwirten und Vertragsinstallateuren von Großhändlern wie IBC Solar fungieren in etlichen Regionen die Maschinen- und Betriebshilfsringe, in denen sich seit Ende der 1950er Jahre viele Landwirte zusammengeschlossen haben. Bundesweit die Nase vorne in Sachen Solarstrom hat der Maschinenring Schwäbisch Hall: Über 1.800 Anlagen mit 38 Megawatt Leistung vermittelte PV-Berater Thomas Braun seit 2002 an die Landwirte der angeschlossenen 20 Maschinenringe in Baden-Württemberg und Bayern. Mit elf Megawatt war die Nachfrage der Landwirte im vergangenen Jahr so hoch wie noch nie. „Wir wollen unseren Mitgliedern zu einer qualitativ hochwertigen Photovoltaikanlage mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis verhelfen“, sagt der gelernte Bankkaufmann. Dazu wirbt er bei Landwirten für Solarstrom, berät bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung oder Finanzierung und koordiniert die Sammelbestellungen. Eingekauft und montiert werden die Anlagen von zehn Installationsbetrieben, mit denen der Maschinenring eine Rahmenvereinbarung abschloss. „Über die Bündelung des Einkaufs versuchen wir beim Großhandel Sonderkonditionen für die Installateure und damit für unsere Mitglieder durchzusetzen“, unterstreicht Braun. Chinesische Module sind hierbei allerdings außen vor, „aus Qualitätsgründen und wegen Problemen bei der Reklamation“. Um die Qualität zu sichern, betreibt der Maschinenring zudem einen Modulteststand, kooperiert mit dem Fraunhofer ISE bei der stichprobenartigen Überprüfung der eingesetzten Module und bietet einen monatlichen Ertragsvergleich der installierten Anlagen an. Finanziert werden diese Leistungen über eine Vermittlungsgebühr.
Dachvermietung für Investoren
Während die meisten Landwirte auf eigene Dachanlagen bis zu einer Leistung von 100 Kilowatt setzen, werden für Großanlagen in der Regel Dächer vermietet. Einige Projektierer haben sich auf dieses Marktsegment spezialisiert. So ließ die Colexon Energy AG im vergangenen Jahr für in- und ausländische Investoren Dünnschichtmodule mit einer Leistung von insgesamt 16 Megawatt auf angemieteten Dächern großer Schweine-, Rinder- und Geflügelställe montieren. Darunter befinden sich einige Megaprojekte wie im brandenburgischen Haßleben (4,6 Megawatt, photovoltaik 10/08) oder im thüringischen Waldeck (drei Megawatt). Der Umfang des Geschäfts mit eigenen Projekten von Landwirten ab einer Anlagengröße von 300 Kilowatt war dagegen laut Vorstand Thorsten Preugschas „mit rund 3,5 Megawatt vergleichsweise gering“.Große Landwirtschaftsbetriebe in den neuen Bundesländern mit maroden Dachflächen hat die Meridian Neue Energien aus dem thüringischen Suhl im Visier (photovoltaik 03/08). „Wir sanieren die Stalldächer und dürfen dann unsere Photovoltaikanlagen darauf errichten und 20 Jahre lang betreiben“, lautet das erfolgreiche Geschäftsmodell. 17 Projekte mit einer Gesamtleistung von über 20 Megawatt wurden laut Unternehmenssprecher Silvio Kleinsteuber auf diese Weise in den vergangenen zwei Jahren realisiert.
Großanlagen auf Wachstumskurs
Wie sind die Aussichten für dieses Jahr? Wirken die Degressionsverschärfung und die Finanzkrise als Hemmschuh für den landwirtschaftlichen PV-Markt? Colexon-Vorstand Preugschas ist optimistisch: Bis Ende April ist das börsennotierte Unternehmen schon mit Aufträgen ausgelastet. Vor einigen Wochen erst schloss der Hamburger Projektierer mit Deutschlands größter Geflügelmarke Wiesenhof einen Vertrag über die Vermarktung von 400.000 Quadratmetern Dachfläche ab, was einem PV-Potenzial von 19 Megawatt entspricht. Allerdings werde man sich nun aufgrund der Degressionsverschärfung auf Dachanlagen bis zu einer maximalen Größe von einem Megawatt beschränken und profitiere sogar davon, dass „Investitionen aus dem Multimegawattbereich verstärkt in dieses Segment abwandern“, unterstreicht Preugschas. Probleme mit der Kreditbeschaffung sieht der Colexon-Chef nicht, zumindest sei dies von Seiten der Investoren und Kunden noch nie thematisiert worden.„Wir rechnen für 2009 sogar mit einem verstärkten Wachstum“, sagt Meridian-Sprecher Kleinsteuber. Den Hauptgrund hierfür sieht er in der „entspannteren Modulsituation aufgrund des Markteinbruchs in Spanien“. Die Modulknappheit habe im vergangenen Jahr einige Projekte ausgebremst, die nun realisiert werden könnten. Das Suhler Unternehmen ist zuversichtlich, in diesem Jahr zehn bis 20 Projekte in der Größenordnung zwischen 750 Kilowatt und einem Megawatt zu realisieren, mehr als eine Verdoppelunggegenüber 2008.
Landwirte investieren weiter
IBC-Vertriebsleiter Hahn sieht auch den landwirtschaftlichen Markt der kleineren und mittleren Anlagen weiter auf Wachstumskurs. Er rechnet damit, dass „Kostensenkungen die Degression auffangen und die Zinsen bald sinken werden“. Zudem realisierten „auch immer mehr Landwirte nördlich der Mainlinie“, dass sich Photovoltaik rechne und einfacher zu handhaben sei als Biogasanlagen.Ähnlich optimistisch ist die Einschätzung des Großhändlers Sun Energy Europe aus Hamburg. Für die eigens für Landwirte entwickelte Energiehalle, eine Lagerhalle mit PV-Pultdach und einer Leistung von 30 bis 100 Kilowatt, lägen schon 20 Bestellungen vor, sagt Unternehmenssprecherin Susanne Knappstein. Zudem rechnet auch sie damit, dass die verschärfte EEG-Degression durch weitere Kostensenkungen kompensiert wird.Verhaltener ist die Einschätzung von PV-Berater Braun vom Schwäbisch Haller Maschinenring. „Nun ist vor allem kühles Rechnen gefragt“, sagt er, „die Preisentwicklung ist noch schwer abzuschätzen“. Dass der Rekordzubau bei der Photovoltaik vom vergangenen Jahr nochmals getoppt wird, glaubt er nicht. Viele Landwirte hätten Investitionen vorgezogen. Zudem sieht er zumindest in Solarhochburgen wie Schwäbisch Hall erste Engpässe bei Süddächern. 40 Prozent der 750 Landwirte des Maschinenrings haben dort schon Photovoltaik installiert. Die Dünnschichttechnik sei derzeit noch nichtpreisgünstig genug, um in breitem Umfang Ost-, West- und Norddächer zur Solarstromerzeugung zu nutzen. In der Finanzierung sieht er allerdings „weiterhin kein Problem“, die Zusammenarbeit mit örtlichen Banken sei gut eingespielt, 90 Prozent der Anlagen bis zu einem Wert von 100.000 Euro würden ohne Eigenanteil der Landwirte finanziert, denn die Klientel gelte als zuverlässig. Einen leichten Nachfragerückgang zumindest in den kommenden Monaten erwartet die Landwirtschaftliche Rentenbank, die im ersten Halbjahr 2008 über die Hausbanken Kredite mit einem Volumen von 104 Millionen Euro an Landwirte für den Bau von Solarstromanlagen vergab. „Aufgrund der EEG-Novelle rechnen wir für die nächsten Monate mit einer verhaltenen Nachfrage“, sagt der Förderreferent Agribusiness Henning Brand-Saßen. Die Entwicklung hänge auch von den Modulpreisen ab, die wiederum von der weltweiten Nachfrage mitbestimmt würden.
Verstärkte Nachfrage im Sommer
„Bis April könnte es etwas ruhiger werden, dann zieht die Nachfrage voraussichtlich wieder an“, sagt auch André Hückstädt, Teamleiter Solarfinanzierung bei der Umweltbank.Der Anteil der Landwirtschaft an der PV-Finanzierung der Nürnberger Förderbank betrug im vergangenen Jahr rund 25 Prozent. Die durchschnittliche Kredithöhe für Anlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden betrug125.000 Euro, was einer Anlagenleistung von etwa 35 Kilowatt entspricht. „Die Investitionen der Landwirte in Photovoltaik hängen in den kommenden Monaten im Wesentlichen davon ab, wie sich die Preise für landwirtschaftliche Güter entwickeln, das heißt wie viele Investivmittel übrig bleiben“, lautet die Einschätzung von Hückstädt. Etwas anders beurteilt dies Frank Petzold, Energiereferent beim Deutschen Bauernverband: Er sieht nicht die kurzfristigen Preisschwankungen bei Ferkeln, Hühnern, Milch oder Kartoffeln, sondern stabile politische Rahmenbedingungen und die Liquiditätssituation als entscheidend für Investitionen der Landwirte in Photovoltaik an. Beide Faktoren bewertet er für dieses Jahr positiv: „Das EEG gibt den Landwirten weiterhin eine langfristige Planungssicherheit“, unterstreicht Frank Petzold, die Degression werde höchstwahrscheinlich durch Kostensenkungen aufgefangen. Die Liquiditätssituation sei „ganz gut, große Überschuldungsprobleme haben wir in der Landwirtschaft momentan nicht“. Einen zusätzlichen Schub für die Nutzung der Photovoltaik durch die Landwirte, vor allen Dingen in Norddeutschland und den neuen Bundesländern, sieht er in der „Sättigung im Windkraftbereich“.
Froh über freie Dächer
Ziemlich klar ist also, dass der landwirtschaftliche PV-Markt weiter wächst. Karin Häberle in Sigmaringendorf ist deshalb auch froh, dass sie noch etliche freie Dächer auf ihrem Aussiedlerhof hat. „Wenn unsere Anlagen weiterhin so problemlos funktionieren wie bisher, lasse ich bald wieder Module montieren“, sagt sie und blinzelt in die Wintersonne.