Das Wetter passte zur Stimmung in München. Während es in den letzten Jahren zur Intersolar Europe sonnig war, startete die Intersolar 2012 mit kühlem Wetter und Regen, zum Teil sogar Hagel. Zum Ende der Messe hatte sich die Sonne dann aber doch wieder durchgesetzt – ein Analogie zu den Befindlichkeiten auf der Intersolar.
In den Messehallen war der Besucherstrom eher verhalten. Kein Vergleich mit den letzten Jahren, wo es schon schwer war, morgens überhaupt in die U-Bahn zum Messegelände zu kommen. Die allgemeine Zurückhaltung machte sich auch in den Zahlen deutlich. In der Vergangenheit war es für den Veranstalter Solar Promotion schon fast zur Routine geworden, jedes Jahr neue Rekorde zu vermelden. Anders in diesem Jahr. Zum ersten Mal ist die Messe gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. Waren es 2011 noch 2.280 Aussteller, so kamen diesmal nur noch 1.909. Es fehlten vor allem chinesische Hersteller aus der zweiten Reihe. Und auch bei den Besucherzahlen täuschte der erste Eindruck nicht. Sie sind ebenfalls zurückgegangen, von rund 77.000 im vergangenen Jahr auf circa 66.000 in diesem.
Bei den anwesenden Unternehmen und Institutionen war die wahre oder zur Schau gestellte Stimmung von Ausstellerzu Aussteller ganz verschieden. „Es gibt nicht viel zu tun“, klagte etwa Michael Hoppenburg von HR Personal Consulting . Der Personaldienstleister mit Hauptsitz in Dresden ist auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften für die Erneuerbare-Energien-Branche spezialisiert. Im Bereich Photovoltaik fehlen zurzeit neue Jobs und auch Interessenten. „Die Solarbranche hat deutlich an Attraktivität verloren“, urteilte Hoppenburg, der früher beispielsweise für First Solar Fach- und Führungskräfte gesucht hat. Doch der Dünnschichthersteller produziert nicht mehr in Deutschland, wie so viele andere auch. „Gesucht werden jetzt fast nur noch Leute für den Vertrieb, vielleicht mal Projektierer fürs benachbarte Ausland“, beispielsweise für Polen, dann aber möglichst mit Kenntnissen der Landessprache. Also hatte Hoppenburg schon mal seine neue polnische Mitarbeiterin mitgebracht, die sich zwischendurch auf dem Job- und Karriere-Forum der Intersolar nach den Trends umhörte.
Spezialisierung auf kleine und mittlere Anlagen
Andere dagegen gaben sich optimistischer. Zum Beispiel diejenigen, die ihr Geschäft mit dem Vertrieb machen. „Wir setzen 2012 auf Wachstum“, sagte Axel Berger, Geschäftsleiter Photovoltaik von Saint-Gobain Building Distribution Deutschland (SGBDD) mit der Vertriebsmarke Solarkauf . Ähnlich wie Centrosolar (siehe photovoltaik 6/2012 ab Seite 32) hat sich SGBDD auf kleinere und mittlere Dachanlagen und das Angebot kompletter Systeme spezialisiert. Dazu kommt bei Solarkauf ein flächendeckendes Netz von 70 Vertriebspunkten in ganz Deutschland, besetzt mit Regionalmanagern und technischen Außendienstlern. SGBDD geht diesen Weg seit drei Jahren. Aber jetzt zahlt sich die Strategie durch die EEG-Novelle, die vermutlich die Förderung großer Anlagen einschränkt, erst richtig aus. Berger sieht sogar bei einem Wegfall des EEG gute Perspektiven, vor allem weil der konventionelle Strompreis seiner Meinung nach immer weiter steigen wird und der Photovoltaikstrom bei sinkenden Systemkosten an Attraktivität gewinnt. Einen finanzstarken Mutterkonzern im Rücken, weitere Expansion ins Ausland und das flächendeckende Angebot kompletter Systeme einschließlich neuer Speicherlösungen, das seien derzeit ganz gute Optionen für die Zukunft. Solarkauf beispielsweise hat zusammen mit dem Batterieproduzenten Varta auf der Intersolar Speicherlösungen mit Lithium-Ionen-Zellen vorgestellt.
„Die Kunden denken über Energie-Autarkie nach“, das sagte auch Hans-Thomas Fritzsche, Geschäftsführer der deutschen Tochter von Sputnik Engineering , dem schweizerischen Wechselrichterhersteller hinter dem Markennamen Solarmax. Das Unternehmen habe zwar noch eine Konzeptstudie erstellt, „aber aufgrund der hohen Kosten für die Batterien und der Vielfalt der Batterietechnologien noch kein eigenes
Komplettsystem im Angebot“. Solarmax bietet mit dem MT3-Wechselrichter im Leistungsbereich von 10 bis 15 Kilowatt allerdings einen kompatiblen Wechselrichter für ein solches Speichersystem. Er könne mit einem bidirektionalen DC-Ein- und -Ausgang ausgestattet werden und ermögliche so das Auf- und Entladen einer Batterie.
Zwischen Totalausfall und moderat
Wie das zweite Halbjahr in Deutschland aussehen wird? „Zwischen Totalausfall und moderat ist alles möglich“, so Fritzsche. Angesichts des unsicheren deutschen Marktes richtet Sputnik seine Aufmerksamkeit auch auf internationale Märkte und blickt vor allem bei Wechselrichtern für größere Anlagen auch nach China. Trotz der vielen expandierenden chinesischen Wechselrichterhersteller ist Fritzsche optimistisch. „Wir sehen noch nicht, dass sie so erfolgreich sind.“ Schweizerische Qualität und Zertifizierung nach anerkannten europäischen Normen seien da hilfreich.
Während europäische Produzenten mittlerweile auf den chinesischen Markt drängen, kaufen die chinesischen Hersteller immer öfter europäische, insbesondere deutsche Hersteller auf. Auch Hanergy , das größte nichtstaatliche Erneuerbare-Energien-Unternehmen in China, erwirbt hierzulande Know-how und Kapazitäten. Zu seiner Größe hat es Hanergy bisher vor allem mit installierter Wasserkraftleistung gebracht. In Deutschland ist der Konzern durch den geplanten Kauf der insolventen Q-Cells-Tochter Solibro schlagartig bekannt geworden. Solibro produziert Dünnschichtmodule auf Basis der CIGS-Technologie. Die Produktionskapazität soll nach dem vollzogenen Kauf auf jährlich 100 Megawatt erhöht werden. Beide Seiten versprechen sich von der Transaktion neue Synergien für ihr Geschäft, sagte Huidong Wang, Director Marketing Department bei Hanergy. „Wir wollen Solibro wettbewerbsfähiger machen und in die Hanergy Holding Group integrieren.“
Bosch Solar baut aus
Inmitten der Krise hat Bosch Solar Energy expandiert. So hat das integrierte Unternehmen im französischen Vénissieux Mitte März eine neue Fertigungsstätte für kristalline Module mit rund 200 Mitarbeitern in Betrieb genommen. Mit einer Produktionskapazität von 150 Megawatt ist es die größte Modulfertigung in Frankreich. Auf der Intersolar stellte Bosch erstmals die gesamte Palette mit Modulen aus den Fertigungsstätten in Frankreich und Deutschland aus. Ein Highlight auf der Ausstellungsfläche von Bosch Solar waren Module mit der neuesten Generation monokristalliner Hochleistungszellen mit selektiven Emittern und einer längs verlaufenden Pyramidenstruktur für mehr Lichtreflexion auf die Solarzellen.
Die hochwertigen Zellen und Module sind das Ergebnis intensiver eigener Forschung vom Ingot bis zum Modul. „Wir haben im letzten Jahr ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit über 120 Ingenieuren und Mitarbeitern eröffnet, in unmittelbarer Nähe zu unserer Produktionsstätte in Arnstadt“, so der Vorsitzende des Bereichsvorstands Solar Energy bei Bosch, Holger von Hebel. Dazu kämen weitere fertigungsnahe Entwickler. „Forschung und Entwicklung lohnen sich. In der gesamten Wertschöpfungskette gibt es immer noch einen hohen Bedarf an Forschung.“ Im thüringischen Arnstadt wird gleichzeitig an der Entwicklung, Skalierung und Industrialisierung gearbeitet. „Dazu können wir auf sehr gute Fachkräfte mit reichhaltigem Know-how bei der Skalierung zurückgreifen“, so von Hebel. Die Zukunft der Massenfertigung sieht er aber in Ländern mit niedrigeren Lohnkosten als in Deutschland, auch wenn die Eröffnung der neuen integrierten Fertigungsstätte in Malaysia verschoben wurde. „Wir warten, bis wir dort mit neuesten Technologien fertigen können. Im nächsten oder übernächsten Jahr wird der Markt in Asien wieder sehr aufnahmefähig sein.“ Von Hebel räumt ein, dass die Zeiten hart sind, auch für Bosch Solar Energy. „Der enorme Preisverfall war so nicht eingeplant.“ Es werde einige Jahre dauern, bis die Erträge stimmen. Aber der Mutterkonzern Bosch glaube an die Technologie. Bosch Solar Energy erwirtschaftete 2011 knapp zwei Prozent des gesamten Konzernumsatzes. Da dürften vorübergehende Verluste verkraftbar sein.
Leichte Doppelglasmodule
Auch Centrosolar präsentierte in der Krise Neuheiten. Am Stand des Unternehmens war ein Doppelglasmodul zu besichtigen, das nur 1,5 Kilogramm schwerer ist als ein Glas-Folie-Modul, aber nach den Erwartungen des Unternehmens 30 bis 35 Jahre hält. Normalerweise wiegen Doppelglasmodule ungefähr das Doppelte. Der Trick besteht darin, dass eine Glasscheibe nur gut zwei Millimeter statt normalerweise 3,5 Millimeter dick ist. Es komme aus der eigenen Produktion – was bei solch einem Projekt bestimmt von Vorteil ist. Denn dass es bisher nur Module mit dickeren Gläsern gebe, liegt nach Aussage von Centrosolar-Vorstandsmitglied Johannes Kneip an den Glas-Produktionsverfahren. Erst jetzt sei es möglich geworden, derart dünne Gläser in ausreichender Härte herzustellen. Das leichte Doppelglasmodul soll zusammen mit einem neuen Indachsystem angeboten werden, in das es der Installateur als Laminat einlegt. Es soll im Oktober auf den Markt kommen, kurz danach soll ein Aufdachsystem folgen. Diese Art Gläser, die die dünnen und leichten Doppelglasmodule möglich machen, sind allerdings auch frei erhältlich. So arbeitet zum Beispiel der Modulhersteller Jurawatt an einem solchen Modul. Besonders die Laminierung erfordere dabei Anpassungen. Auf der Intersolar stellte das Unternehmen das hitzebeständigere Modul aus, das es auch schon im Vorjahr präsentiert hatte und das für den Intersolar Award nominiert war. Es nutzt keine herkömmliche EVA-Folie, sondern ein neues Produkt auf Silikonbasis. Die Tests daran haben sich verzögert und dauerten noch an, da doch immer wieder neue Fragen auftauchten, wo einzelne Produktionsschritte angepasst werden müssten. Zwar ist auch die neue Folie bei Zulieferern erhältlich, doch die Tests verschaffen Jurawatt einen Innovationsvorsprung.
LG Electronics hat auf der Intersolar ein Modul aus einer Pilotlinie mit 18 Prozent Wirkungsgrad vorgestellt, ein Plus von über zwei Prozentpunkten im Vergleich zu den jetzigen Modulen. Bis Ende des Jahres soll eine 75-Megawatt-Produktionsanlage für das neue Modul aufgebaut sein, so dass es serienmäßig Anfang 2013 auf den Markt kommen soll. Es verwendet sogenannte n-Typ-Zellen, mit denen prinzipiell ein höherer Wirkungsgrad möglich ist als mit den konventionellen p-Typ-Zellen. In Forschungslaboren wird schon länger an dieser Technologie gearbeitet. Bisher hat sie vor allem Yingli mit den Panda-Zellen in die Produktion gebracht. Wenn man Kosten senken will, „geht an einer Erhöhung des Wirkungsgrades kein Weg vorbei“, sagt Michael Harre, Vizepräsident der EU Solar Business Group von LG zu der Entscheidung.
Erleichterung für Installateure
Bei den Standardmodulen stellte LG ebenfalls Verbesserungen vor, die das Herz von Installateuren höher schlagen lassen sollten. Erstens sinkt das Gewicht der Module von 18,4 auf 16,8 Kilogramm. Dazu haben die Entwickler untersucht, wie dick der Rahmen wirklich sein muss, um die üblichen 5.400 Pascal Belastung auszuhalten, und ihn daraufhin von 42 auf 35 Millimeter reduziert. Außerdem sind die Stellen für die Klemmen markiert und die Anschlusskabel hängen nicht mehr einfach in der Mitte der Rückseite herunter, sondern sind mit Clips links und rechts am Rand befestigt, so dass man sie bei der Montage einfach greifen kann.
Diese Messe machte jedoch deutlich, dass auch bei partiellen Erfolgen in der Krise Kosten gespart werden müssen. Das zeigt das Beispiel Solar Frontier . Das Unternehmen hat letztes Jahr eine 900-Megawatt-Produktion für CIGS-Dünnschichtmodule hochgefahren und war dieses Jahr nicht einmal mit einem Messestand vertreten. Wer die Mitarbeiter treffen wollte, musste einen Termin vereinbaren oder auf den Besuch am eigenen Messestand hoffen. Die Evaluierung hat nach Aussage von Wolfgang Lange, Managing Director von Solar Frontier Europe, ergeben, dass das effizienter sei. Letztes Jahr hat das Unternehmen Module mit einer Leistung von 600 Megawatt verkauft, davon 70 Prozent im japanischen Heimatmarkt. Die Module seien zwar für alle Sektoren geeignet, aber es sei deutlich einfacher, hohe Volumina über große Projektierer abzu
setzen als über die Installateure, die auf Wohnhäusern montierten.
Fortschritte bei CIGS
Während einige Modulhersteller wie Bosch Solar Energy sich selbst als Projektierer betätigen, tut sich Solar Frontier dazu in dem Joint Venture PV CIStems mit dem Projektierer Belectric zusammen. Er ist dafür bekannt, Dünnschichtmodule zu verbauen. Der Vorteil ist laut Brooks Herring, dem Vizepräsidenten für Kommunikation, dass man nicht mehr bei den Modulpreisen mit den Wettbewerbern konkurriere, sondern bei den Systempreisen. Gleichzeitig geht die Entwicklung der Zellen und Module voran. Dieses Jahr kam die sogenannte S-Serie auf den Markt, mit Modulen zwischen 140 und 160 Watt Leistung. Die Leistungstoleranz liege nur noch zwischen null und plus fünf Prozent. Dass jetzt auch bei den Dünnschichtmodulen ähnlich wie schon vor einiger Zeit bei den kristallinen Modulen das Toleranzfenster kleiner wird, spiegelt den Fortschritt bei der Modulproduktion wider.
Auch der Wettbewerber Avancis stellte ein neues Modul vor. Die Module der Powermax-smart-Serie seien leichter als die bisherigen Modelle und könnten mit Backrails befestigt werden. Sie seien für große Dächer und Freiflächen gedacht.
Während andere asiatische Modulhersteller auf die klassischen Hocheffizienztechnologien wie selektive Emitter, passivierte Rückseite und n-Typ-Wafer setzen, arbeitet der chinesische Hersteller Phono Solar zusammen mit einem amerikanischen Forschungsinstitut an der sogenannten Black-Silicon-Technologie. Dabei modifizieren die Forscher die Oberfläche des Wafers so, dass mehr Licht absorbiert wird. Damit will das Unternehmen den Wirkungsgrad um 0,5 bis einen Prozentpunkt steigern, den Ertrag sogar um zehn Prozent.
Phono Solar hat eine Produktionskapazität von 450 Megawatt und möchte um zusätzliche Megawatt erweitern. Auf die Frage, ob das Unternehmen unter dem derzeitigen Preisdruck noch die Produktionskosten decken könne, sagte Cai Jibo, Präsident von Phono Solar, sie seien „noch profitabel, aber nicht sehr“. Raum für eine weitere Preissenkung sieht er daher nicht.
Ähnliches dürfte für viele Hersteller zutreffen. Die wirtschaftliche Situation der Aussteller gleicht dem Wetter, wie es auf der Intersolar war. Unfreundlich, aber mit einer vagen Aussicht auf sonnigere Zeiten. Letzteres gilt jedoch nur für die, die Reserven und ein klares Ziel haben – weitere Kostensenkungen und Vorsprung durch Innovationen.