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Bayerische Familienidylle

Eine Kurzversion des Interviews ist erschienen in photovoltaik 03/2012. Die nicht abgedruckten Teile sind kursiv gesetzt.

Herr Patrick Thoma, Sie sind der Sohn des – ich nenn ihn einmal so – Firmenpatriarchen. Was ist Ihre Firma?

Patrick Thoma: Ich bin Geschäftsführer von Jurawatt. Wir produzieren Photovoltaikmodule. Das heißt, wir kaufen Zellen und Materialien ein und produzieren daraus komplette Module. Jurawatt ist aus der Firma J.v.G. Thoma heraus entstanden, der Maschinenbaufirma meines Vaters. Wenn jemand Geld investiert, dann bekommt er von J.v.G. Thoma eine voll integrierte Fertigung.

 

Herr Hans Thoma, haben Sie Ihre Söhne dazu gedrängt, in

Ihre Fußstapfen zu treten?

Hans Thoma: Nein, das hat sich eigentlich eher zufällig ergeben. Ich habe inzwischen auch alle Brüder bei mir in der Firma. Wir sind 15 Thoma im Unternehmen. Wir sind sieben Geschwister, da arbeitet jeder mit, Neffen, Nichten, Ehepartner, Ehefrau. Aber es hat sich wirklich zufälligerweise ergeben.

 

Wie denn?

Patrick Thoma: Mein Bruder Andreas Thoma war zum Beispiel Versicherungskaufmann, und irgendwann hat er keine Lust mehr gehabt, Versicherungen zu verkaufen. Mein Vater hat gesagt: Komm, wir machen den Vertrieb. Wer Versicherungen verkaufen kann, der kann auch Stanzkontakte und so etwas verkaufen.

Hans Thoma: Zumal Andi ja auch zwei Jahre vorher bei mir eine Ausbildung gemacht hatte.

Patrick Thoma: Dann kam die Anfrage, eine 100-Kilowatt-Anlage zu installieren. Da hat er noch nicht so viel verdient. Aber dann kamen noch mehr Anfragen, und der Verdienst wurde größer. Und dann hat er Jurasun als Installationsbetrieb gegründet. Dann hat meine Schwester, die ausgebildete Pferdepflegerin ist, einen Buchhaltungskurs gemacht und sich angeboten, die Buchhaltung von der Steuerberaterin zu übernehmen. Dann war die Miriam schon mit drin.

Hans Thoma: Dann habe ich gesagt: Patrick, was macht denn eigentlich die Birgit? Die Birgit war Fachverkäuferin im Brillenbereich und hat eine Filiale geführt. Ich hatte die Idee, dass sie das Marketing übernimmt. Sie hat erst einmal gesagt, dass sie nicht will. Dann hat sie es zunächst fünf Jahre lang nebenbei in einem kleinen Bereich gemacht. Nach fünf Jahren war sie im Prinzip bereit, die Aufgabe ganz zu übernehmen.

 

Herr Patrick Thoma, wie haben Sie mit Jurawatt begonnen?

Patrick Thoma: Nach dem Studium habe ich bei meinem Vater angefangen. Vor ungefähr vier Jahren hatten wir die Idee, eine eigene Fertigung aufzubauen. Der Hintergrund war: Mein Vater hat bei Aleo Solar viel mit aufgebaut in der damals ersten 100-Megawatt-Fabrik. Das war etwas ganz Besonderes. Am Anfang durfte ich noch mit Kunden reingehen und die Anlage als Referenz zeigen. Aber irgendwann war damit Schluss. So geht es mit jedem Kunden. Deshalb haben wir uns überlegt, statt als Referenz eine Prototypenproduktion aufzubauen, bauen wir lieber gleich eine richtige Fertigung und stellen Module her. Die Fertigung können wir Kunden von J.v.G Thoma zeigen. Und die Module können wir brauchen, denn mein Bruder hat ja die Firma zur Installation von Anlagen. Vor knapp drei Jahren war deshalb die Geburtsstunde von Jurawatt.

 

Herr Hans Thoma, gehen wir noch einen Schritt zurück. Sie bieten Photovoltaikproduktionstechnologie an. Seit wann?

Hans Thoma: Wir sind seit 1997 selbständig. Wir kommen hauptsächlich aus dem Löt- und Beschichtungsbereich. 1998 sollten eine Lötanlage und eine Beschichtungsanlage für die Firma Odersun entwickeln. Die machen Solarzellen auf Kupferbändern und haben sehr, sehr gut gezahlt, denn das waren Förderprojekte. Bei solchen Projekten muss man nachweisen, dass das Geld wirklich bezahlt worden ist. Das war ganz anders als bei unseren anderen Sondermaschinenkunden. Die haben meistens die letzten zehn Prozent wegen irgendwelchen unbedeutenden Kratzer einbehalten. Mich persönlich hat Solarenergie sehr interessiert, weil es ein Thema ist, für das man sich nicht dauernd entschuldigen muss. Wenn erzähle, ich entwickle Solartechnologie, sind die Leute richtig begeistert.

 

Immer noch?

Hans Thoma: Ja. Das Image der Photovoltaik ist in Deutschland immer noch sehr gut.

 

In der öffentlichen Diskussion hat sie ja gerade Probleme.

Hans Thoma: Das sind einfach Strömungen. Großkonzernen mögen die Photovoltaik nicht. Die haben ein Problem damit, dass mit jeder Photovoltaikanlage und mit jeder kleineren Windkraftanlage, die installiert wird, deren Umsatzvolumen zurückgeht.

 

Ihnen macht das Geschäft also immer noch Spaß?

Hans Thoma: Ja. Wieso nicht?

 

Der Markt wird ja schwerer.

Hans Thoma: Ach wissen Sie, früher war sogar die Zukunft besser. Ich bin einfach geborener Optimist und ich denke, die Vergangenheit ist abgeschlossen. Da gibt es keine Möglichkeiten mehr, dass sich irgendwelche anderen Sachen ergeben. Sie ist fixiert. Die Gegenwart ist dagegen offen. Und ein offenes System ist immer schwieriger zu beherrschen als ein abgeschlossenes System.

 

Weltweit bestehen hohe Überkapazitäten für Modulproduktion. Das muss doch Ihr Geschäft trüben.

Hans Thoma: Bisher merken wir beim Maschinenbau davon nichts. Wir können uns nicht beklagen.

 

Wie läuft es bei Ihnen in der Modulproduktion, Herr Patrick Thoma?

Patrick Thoma: Es herrscht ein hoher Preisdruck, vor allem durch chinesische Produkte. Vor allem die Nachfrage 2011 war sehr schleppend. In der Zwischenzeit sind wir bekannter geworden und haben ein Test-Center gegründet. Die Aufträge daraus und die von meinem Bruder Andi haben uns das Jahr 2011 gewinnbringend abschließen lassen. Unsere neuesten Entwicklungen wie zum Beispiel ein hitzebeständige Modul kommen vor allem im Ausland sehr gut an. Wir sehen 2012 sehr positiv entgegen und haben noch viele Neuheiten und Ideen in Petto.

 

Und wie ging es weiter nach dem Odersun-Auftrag?

Hans Thoma: Wir hatten dann eine Anfrage einer größeren Firma für einen Lötautomaten für kristalline Zellen. Der Auftrag wurde immer größer, bis er am Schluss fast eine halbe Fabrik umfasste. Dann ging es immer weiter aufwärts. Wir haben dann eine Teillinie gebaut für Aleo, dann für BP, dann teilweise für Solarworld. Wir haben so viel Know-how gewonnen, dass wir komplette Fabriken anbieten konnten. Wir haben außerdem gesehen, dass auf dem Markt semi-automatische Lösungen gefehlt haben. Mit einer semiautomatischen Lösung benötigt man nur ein Drittel der Mannkapazität von nicht automatisierten Lösungen, hat aber fast den Durchsatz wie mit einer vollautomatischen Anlage. Wir sind erfolgreich gewesen, Lösungen anzubieten, die genau diese Lücke ausfüllen.

 

Ich höre immer wieder, dass automatisierte Lötanlagen bessere Qualität produzieren. Stimmt das nicht?

Doch das stimmt, deshalb setzen wir im Lötbereich immer auf vollautomatische Lösungen. Wir haben sogar einen Handstringer entwickelt, bei dem das einzig automatische die Verlötung der Zellen ist. Genau aus diesem Grund.

 

Wie funktioniert semi-automatisiertes Löten?

Unsere Stringer zum Verlöten der Zellen sind in der Regel vollautomatisiert. Vor allem für asiatische Firmen haben wir aber eine Vorrichtung entwickelt, bei der viele Bereiche händisch ausgeführt werden. Das Einlegen der Zellen und der Lötverbinder zum Beispiel. Der Lötprozess an sich wird dann per Knopfdruck durchgeführt und ist damit genauso stabil wie bei vollautomatischen Stringern. Aktuell wird in Asien zu 99 Prozent rein händisch mit Lötkolben verlötet.

 

Diese semi-automatischen Lösungen werden in Europa doch bestimmt gar nicht mehr nachgefragt. Wo liefern sie stattdessen hin?

Hans Thoma: Das stimmt. Wir haben letztes Jahr einen Auftrag bekommen aus Bangladesh. Wir haben Aufträge aus Ungarn, Indien und Korea Das heißt, wir verkaufen in das Ausland.

 

Es ist doch absehbar, dass man auch im Ausland irgendwann die vollautomatischen Lösungen haben will. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Hans Thoma: Die vollautomatischen Lösungen würde ich in Kooperationen mit Partnern machen. Unser Kooperationspartner ist die Firma Kuka. Ab einer bestimmten Größe, zur Zeit vielleicht ab 100 Megawatt Produktionskapazität, geben wir sogar die komplette Turnkey-Verantwortung an Kuka ab.

 

Und was kommt dann noch von Ihnen?

Hans Thoma: Das Know-how und die Beratung. Wir haben 19 Patente, sehr viele davon im Bereich Photovoltaik.

Was für Patente?

Hans Thoma: Ich habe verschiedene Modulpatentanmeldungen. Wir haben elf eigene Zertifikate für unterschiedlichste Modulaufbauten. Der Kunde ist außerdem scharf darauf, dass er Technik bekommt, die sich am deutschen Markt behaupten kann.

 

An welchen Stellen im Modulbereich haben Sie Patente?

Hans Thoma: Zum Beispiel das hochtemperaturstabiles Modul. Als einer der Ersten weltweit haben wir ein Modul, das bis 125 Grad temperaturbeständig ist und nur ein Zehntel der Wassermenge aufnimmt, wie zum Beispiel eine EVA-Folie. Das ist wichtig. Denn wenn ein Modul weniger Feuchtigkeit aufnimmt, ist auch der PID-Effekt, der ja momentan oft thematisiert wird und bei dem Module durch die Spannung nach Erde degradieren, bei unserem Modul überhaupt nicht vorhanden. Das dritte Patent ist für einen Stringer, der bis zu 120 Mikrometer dünne Zellen zu Modulstrings löten kann. Momentan ist es schon kritisch, 180 oder 160 Mikrometer dünne Zellen zu verlöten.

 

Was hat es mit dem hitzebeständigen Modul auf sich?

Hans Thoma: Wir haben mit einem Partner eine spezielle Folie auf Silikonbasis als Ersatz für die EVA-Folien entwickelt, die die Zellen einbetten. Es hat relativ viele Rückschläge gegeben und hat vier Jahre gedauert. Als wir gesehen haben, dass das in die richtige Richtung geht, mussten wir noch die Produktionsprozesse entwickeln, zum Beispiel einen Laminator. Der Laminator erhitzt am Ende der Produktion das Modul, dadurch verbindet sich die Folie mit dem Glas und den Zellen, so dass das Modul zusammenhält. Dann muss das Modul getestet und zertifiziert werden.

Noch mal einen Schritt zurück. Es liegt also an der EVA-Folie, wenn ein Modul nicht so hitzebeständig ist?

Hans Thoma: Hauptsächlich, ja.

Und wo benötigt man solche hitzebeständigen Module? Zumindest in Deutschland werden sie doch nicht so heiß.

Hans Thoma: Das EVA können Sie ja schon bei 60 Grad fast mit der Hand abziehen.

Patrick Thoma: Es gibt einen Bereich, wo das EVA relativ stabil ist. Wenn es kälter wird, wird es spröde, wenn es wärmer wird, gelartig. Über 65 Grad werden die Haftkräfte rapide kleiner. Wenn Module dann mechanisch belastet werden, kommt es zur Delaminierung.  Belastung kommt, gibt es eine Delaminierung. Die Folie, die wir jetzt verwenden, fällt viel langsamer und vor allem linear ab.

 

Was kam in der Zusammenarbeit mit dem Partner von Ihnen?

Hans Thoma: Wir haben gesagt, dass wir eine andere Folie wollen, da uns EVA nicht gut genug ist. EVA ist auch für ganz andere Zwecke entwickelt worden. Unser Partner hat gleichzeitig schon an einem neuen Material gearbeitet, an einem Silikon, weil das Unternehmen aus diesem Bereich kommt. Ursprünglich wurde das gegossen. Ich habe dagegen gesagt, dass das im Laminator verarbeitet werden muss.

 

Warum? Es gibt andere Anbieter, die Silikone zum gießen verkaufen.

Hans Thoma: Die Modulhersteller schmeißen doch nicht ihre ganzen Geräte fort und dann kaufen sie dann eine Gießanlage. Das muss auf der gleichen Anlage verarbeitbar sein.

 

Wacker hat auch solch eine Folie vorgestellt. Ist Wacker Ihr Partner?

Patrick Thoma: Zu dem Material will ich nichts sagen.

 

Welche Tests zeigen, dass es sinnvoll ist, dieses hitzebeständige Modul zu kaufen?

Patrick Thoma Wir machen das Tests. Die Folie hat bereits erfolgreich 3000 Stunden im Feuchte-Wärme-Test bestanden. Es gibt EVA-Folien, die bereits bei 1500 Stunden Schwierigkeiten machen.

 

Wie viel Megawatt Produktionskapazität hat Jurawatt zur Zeit?

Patrick Thoma: Die Kapazität ist eigentlich immer eine sehr schwammige Aussage. Zurzeit haben wir drei Stringer. Jeder Stringer kann eigentlich 15 Megawatt, wenn er rund um die Uhr läuft, das heißt 45 Megawatt.

Hans Thoma: Da streite ich schon wieder mit dir, weil es eigentlich 20 sind.

Patrick Thoma: Das ist ja jetzt mal egal. Jetzt ist aber von Stringern immer wieder einer in der Wartung, weil wir unsere Wartungsintervalle haben. Also bleiben effektiv nur zweieinhalb übrig. Haben wir nun 50 oder 35 Megawatt Produktionskapazität?

 

Wo wollen Sie hin? Wollen Sie größer werden?

Patrick Thoma: Wir wollen größer werden, aber nicht auf Biegen und Brechen. Also wenn die Nachfrage da ist, haben wir keine Probleme, größer zu werden.

 

Wie Können Sie mit den Gigawattfabriken oder mit vollautomatisierten Linien mithalten? Sie produzieren ja vermutlich semiautomatisch, oder?

Patrick Thoma: Richtig. Ich sage, ich kann mithalten. Diese Ein-Gigawatt-Fabriken müssen wirklich rund um die Uhr laufen. Sonst müssen sie riesige Abschreibungen machen.

Vor allem bei der jetzt sehr schwankenden Nachfrage haben wir große Vorteile und können schnell und flexibel reagieren.

Das ist bei Ihnen prozentual doch genauso.

Patrick Thoma: Mitarbeiter sind flexibler. Mitarbeiter können Überstundenkonten auf- und abbauen, Maschinen nicht.

Hans Thoma: Außerdem haben wir unterschiedliche Firmen. Einmal ist hier mehr los, einmal dort. Die Mitarbeiter können wir teilweise verschieben. Ein anderer Vorteil ist, dass uns diese Fabrik auch als Referenz zur Verfügung steht, um Anlagen zu verkaufen. Dadurch können wir es uns leisten, die Fabrik auch mal nur mit halber Kapazität zu fahren.

Patrick Thoma: Ich gehe nicht davon aus, dass die Größe das Allheilmittel ist. Denn viele Firmen, die in der Vergangenheit sehr stark gewachsen sind, haben aktuell heute sehr, sehr große Probleme.

Wer eine große Produktion hat, kann doch die Materialien viel billiger einkaufen als sie. Da haben sie einen Nachteil.

Patrick Thoma: Ja. Wobei wir auch Hersteller von Fabriken kennen, die wir vorher aufgebaut haben. Mit denen sprechen wir uns teilweise ab, was wir wo einkaufen. Ich tausche  regelmäßig die Preise mit einigen anderen Geschäftsführern, aus. Da haben beide einen Vorteil von. Wenn man klein ist, muss man eben etwas pfiffiger sein und etwas flexibler.

 

Die Preise sind rasant gefallen. Können sie unter – sagen wir mal – 90 Eurocent pro Watt produzieren? Das ist ja zumindest für größere Projekte inzwischen ein durchaus üblicher Preis.

Patrick Thoma: Für Großaufträge können wir das. Durch unsere koreanische Fabrik die wir letztes Jahr mit J.v.G. Thoma fertig gestellt haben wir zusätzlich einen Lieferanten mit unserem Know-how und unserer Technik, aber mit günstigeren Preisen. Unsere Projektmodule kommen zum Beispiel von Jurasolar Korea. Wir nennen diese Module „Made in Asia, testet in Germany“. Jedes Modul wird nochmals bei uns getestet.

 

Ursprünglich haben Sie die Produktion mit Antaris Solar aufgebaut. Warum haben sie sich getrennt?

Patrick Thoma: Antaris hat seine Prioritäten auf andere Länder, wie z.B. England und den USA gelegt. In diesen Regionen scheint das „Made in Germany“ nicht so von Bedeutung zu sein. Wir arbeiten immer noch in der Forschung zusammen und haben uns nicht im Bösen getrennt. Außerdem waren wir schon immer ein Familienunternehmen und als die Thoma Gruppe können wir unsere Stärken (Flexibilität, Schnelligkeit) besser ausspielen.

 

Noch einmal zu Familienunternehmen. Was läuft bei Ihnen anderes als in Aktiengesellschaften oder Unternehmen, in denen die Familie nicht so präsent ist?

Birgit Thoma (Marketingleiterin Jurawatt, Ehefrau von PatrickThoma): Das Wichtigste an der Familie ist, dass man sich auf den anderen immer hundertprozentig verlassen kann. Jeder kontrolliert den anderen gegenseitig. Keiner ist auf den anderen sauer. Wir lassen Sachen oft auch Revue passieren, wenn wir privat miteinander zu tun haben. Dann reden wir halt beim Essen noch mal über die Arbeit. So kommen immer viele neue Ideen, die vielleicht bei anderen nicht entstehen würden. Und so gibt jeder dem anderen Feedback. Das ist bei uns in der Familie richtig fest verankert.

 

Das sind die positiven Teile des Ganzen. Werden nicht auch Familienkonflikte in die Firma getragen?

Patrick Thoma: Das gibt es auch.

Hans Thoma: Ja, freilich. Na Und? Dann flippt halt mal jemand aus und dann ist es eben so. Zwei Wochen später ist es dann wieder gut. Manchmal wird es auch zwei Monate herumgeschleppt, dann gibt es eine große Besprechung und dann ist es wieder gut.

 

Aber um es mal rein formal zu sehen: Sie sind schon der Chef und Ihnen gehört das Ganze, oder?

Hans Thoma: Ich habe nichts zu sagen hier.

Alle lachen?

Hans Thoma: Ich höre von meinem Sohn dann wieder in einer E-Mail: „Papa, wir haben doch gesagt, wir stimmen uns ab.“ Peng, dann habe ich schon wieder eine auf dem Deckel.

 

Trauen sich Söhne ehrlicher mit ihrem Vater zu reden als andere Mitarbeiter?

Hans Thoma: Ja. Das ist auch wichtig. Das finde ich gut.

 

Könnte man davon auch in anderen Firmen lernen?

Patrick Thoma: Die Frage ist, ob es ein Vorgesetzter verträgt. Wenn ich früher meinem Vorgesetzten irgendwas gesagt habe, was mir nicht gepasst hat, dann war das schon fast Majestätsbeleidigung.

 

Bei Ihnen funktioniert das aber?

Patrick Thoma: Kommt auf den Ton an, aber es funktioniert. (lacht)

Hans Thoma: Meistens, ja. Manchmal auch nicht, aber meistens funktioniert es.

Patrick Thoma: Bei uns ist die Kommunikation halt ein bisschen offener. An die Höflichkeitsregeln halten wir uns aber schon. Das ist hier kein Bierzelt, wo der eine dem anderen einen auf den Deckel haut, sondern es wird offen ausgesprochen und gesagt: Das fand ich jetzt nicht so toll. Und dann wird diskutiert.

Hans Thoma: Was auch noch ganz wichtig ist: Früher war ich zehn Jahre im Großprojektebereich bei Philips angestellt. Bei Siemens war ich ein Jahr auch im Großprojektebereiche. Bei der Software AG war ich für den Vertrieb von Software zuständig. Bei allen Firmen hatten die Mitarbeiter eine gewisse Lust, sich zu profilieren. Wenn in einer Besprechung jemand einen Fehler gemacht hat, dann haben die anderen noch so richtig einen drauf gegeben. In der Familie, wenn ich zum Beispiel mit meinem Bruder, der mit in der Forschung arbeitet, eine Besprechung mache und er merkt, ich fange an einer Stelle an zu straucheln, kann ich aber Gift drauf nehmen, dass der Ludwig, der Werner, der Patrick oder der Andreas oder die Birgit und die Miriam oder wer auch immer, einen Schutzzaun bilden. Hinterher wird dann schon drüber diskutiert, was los war.

 

Wie geht es den Mitarbeitern, die nicht aus der Familie kommen? Für die könnte es ja umgekehrt schwieriger sein, weil sie keinen direkten Familiendraht zum Chef haben.

Patrick Thoma: Es gibt halt keinen Vorteil ohne Nachteil.

Hans Thoma: Es gibt aber auch das: Eine Mitarbeiterin hat ein Haus gekauft und hat mich gebeten, ob ich zur Besichtigung mitgehe. Und dann stellt sie mich vor: „Das ist mein Ziehvater.“ Das ist ja eigentlich etwas sehr Positives. Das heißt, Mitarbeiter werden auch mit reingenommen.

Patrick Thoma: Oder wie Markus, wenn einer zu mächtig wird und nicht aus der Familie kommt, dann wird er halt mit der Cousine verbandelt. (lacht)

Das Gespräch führte Michael Fuhs