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Beschlossene Sache

Gähnende Leere herrscht im weiten Rund des Sitzungssaales, als in der ersten Maiwoche endlich die Neuregelung der Solarförderung auf der Agenda des Bundestages steht. Längst nicht alle der 622 gewählten Volksvertreter sind anwesend. Als Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) den Tagesordnungspunkt 6 aufruft, entbrennt sofort eine hitzige Diskussion über den Entwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, den die Regierungsfraktionen CDU, CSU und FDP ins Parlament eingebracht haben.

Es zeigt sich schnell, dass die Koalitionsfraktionen entschieden ihren Kurs verteidigen. Die Anhörung der Experten im Umweltausschuss und deren wiederholte Mahnungen, die deutsche Solarindustrie mit den geplanten Kürzungen nicht zu überfordern, haben keinen Ein gang in die Gesetzesvorlage gefunden. Der Analyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Wolfgang Seeliger, vermutet, dass es wohl nur darum ging, Öffentlichkeit zu schaffen. Allerdings hätten die Oppositionsparteien einiges aus der Anhörung im Umweltausschuss mitgenommen.

Während die Verhandlungsführer von Union und FDP, Christian Ruck und Michael Kauch, ihren mühsam erarbeiteten Kompromiss im Bundestag verteidigen, hat die Opposition die Rolle des Mahners übernommen. Trotz der monatelangen Diskussion ist nur noch wenig Bewegung in die Eckdaten gekommen. Schon sehr früh sind sich die Koalitionäre einig, dass sie die Vergütung für Photovoltaik-Dachanlagen um 16 Prozent sowie für Freiflächenanlagen allgemein um 15 Prozent und auf Konver sionsflächen um elf Prozent zum 1. Juli zusätzlich kürzen wollen. Bis zum Schluss umstritten bleibt die weitere Förderung für Photovoltaikanlagen auf Ackerflächen. CDU und CSU konnten sich parteiintern in diesem Punkt nicht einigen. Daher fallen sie in der EEG-Novelle komplett aus der Förderung.

Opposition chancenlos

Die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken geben sich kämpferisch. „Mit der heutigen Gesetzesänderung nehmen Sie in Kauf, dass Zehntausende von Arbeitsplätzen, vor allem in der erfolgreichen Solarwirtschaft in Ostdeutschland, vernichtet werden und dass Unternehmen, die sich auf Photovoltaikfreiflächen spezialisiert haben, in Konkurs geschickt werden“, mahnt etwa der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell in der Debatte. Mut willig setze die Bundesregierung mit ihrer Neuregelung die deutsche Technologieführerschaft aufs Spiel. Eine wirkliche Chance hat die Opposition allerdings nicht. Eine Beschlussempfehlung der Linken, die eine deutlich niedrigere Absenkung der Solarförderung vorsieht, findet erwartungsgemäß keine Mehrheit. Ein Entschließungsantrag der Grünen geht ebenfalls nicht durch das Parlament.

Die Angriffe der Opposition perlen an Norbert Röttgen von der CDU ab. Niemand kann die Reduktion der Photovoltaikvergütung so gut in eine Erfolgsgeschichte der Solarbranche wandeln wie der Bundesumweltminister. Sein Mantra lautet: „Dass es zu Novellen kommt, ist kein schlechtes Zeichen und kein Grund zur Traurigkeit, sondern ein gutes Zeichen; denn es ist Ausdruck der Innovationsfähigkeit und der Fortentwicklung der Technologien in diesen Märkten.“ Diese Worte wiederholt er seit Beginn der Debatte um die Solarförderung. Röttgen gibt sich überzeugt, dass die Kürzung das Wachstum der Photovoltaik nicht stoppen wird, da die Einspeisevergütung „praktisch keine Auswirkung“ auf den Preiswettbewerb zwischen chinesischen und deutschen Produzenten habe. An diesem Punkt setzt auch die Kritik von Seeliger an. „Die Absenkung des Einspeisetarifs führt nicht zu dem eigentlichen Ziel, den Zubau in Deutschland zu begrenzen“, sagt der LBBW-Analyst.

„Ziel völlig verfehlt“

„Im Gegenteil, die Ankündigung hat jetzt erst mal eine irre Nachfrage geschaffen.“ Es gibt momentan Schätzungen, die von einem Zubau in Deutschland zwischen fünf und sieben Gigawatt für dieses Jahr ausgehen. Mit der Neuregelung der Photovoltaikförderung werde also weder der Zubau begrenzt noch seien die Kosten in den Griff zu bekommen. „Damit hat die Absenkung ihr Ziel völlig verfehlt. Dies ist auch ein Zeichen dafür, dass hier eher Ideologie im Vordergrund steht als zweckgeführte Entscheidungen“, lautet die Einschätzung des Analysten.

Der Kurs der Bundesregierung sei eine Wachstums- und Marktstrategie, betont hingegen Röttgen in seiner Bundestagsrede. An dieser Stelle interveniert Hermann Scheer von der SPD. Der Eurosolar-Vorsitzende führt dem Bundesumweltminister vor Augen, dass für seine Strategie auch gleiche Marktchancen vorhanden sein müssten. Diese gebe es aber weder in Deutschland, wo die vier großen Energiekonzerne den Markt beherrschten, noch international. So betreibe China Protektionismus, indem die Regierung die Produktion künstlich billig halte.

Union und FDP geschlossen für Kürzungen

Am Ende der Debatte im Bundestag steht die namentliche Abstimmung. Die Überraschung bleibt aus. 314 Abgeordnete stimmen für die Gesetzesänderung: Es sind ausschließlich CDU-, CSU- und FDP-Abgeordnete – sie nutzen ihre Mehrheit im Bundestag. Die Opposition stimmt geschlossen gegen die Neuregelung, kommt aber nur auf 266 Stimmen. Einzig die CDU-Politikerin Veronika Bellmann enthält sich ihrer Stimme. Sie erklärt, dass die vorgesehenen Kürzungen zwar notwendig, aber nicht angemessen seien. „Als nicht angemessen beurteile ich die Höhe der Degressionsschritte, die kurzen Fristen, durch die Unternehmen und Investoren Planungssicherheit entzogen wird und damit Arbeitsplätze gefährdet werden.“

Die Gesetzesänderung ist mit dieser Entscheidung so gut wie beschlossen. Mehrere Bundesländer, darunter Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bayern, kündigten aber an, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der Bundesrat wird Anfang Juni über die Novelle beraten. Er ist nicht zustimmungspflichtig, könnte jedoch über den Vermittlungsausschuss noch Änderungen erreichen.

Thüringens Wirtschaftsminister versucht, Optimismus zu verbreiten. „Wenn das Thema erst einmal in den Vermittlungsausschuss gelangt ist, kann dieser Unsinn gestoppt werden“, wünscht sich Matthias Machnig (SPD). Alles andere wäre industriepolitisch fatal. Bei der Eintracht von Union und FDP in der Frage der Solarstromförderung steht allerdings zu befürchten, dass sie mit ihrer Mehrheit im Bundestag alle Kompromissvorschläge abschmettern werden.

Verlagerung der Produktion

Wenn das Gesetz in dieser Form kommt, sieht Seeliger klare Nachteile für die Photovoltaikfirmen hierzulande. Deutsche Unternehmen müssten ihre Produktion ins Ausland verlagern, um konkurrenzfähig zu bleiben. „Das erfordert viel Kapital und einen langen Atem“, sagt der Analyst. Offen sei, ob die Industrie noch über die Mittel verfüge und Lust habe, im Ausland zu investieren. „Die kleinen Hersteller haben ganz, ganz schlechte Karten“, so Seeligers Einschätzung. Er geht in den nächsten Monaten von einer Bereinigung des Marktes aus, an deren Ende nur noch wenige deutsche Solarun ternehmen existieren werden. Die Konkurrenz aus den USA und China werde von den nun beschlossenen Einschnitten profitieren. Sie könnten diese kompensieren und würden für Investoren in Deutschland interessanter.

Der Markt in Deutschland werde deshalb trotz der Kürzungen nicht stark einbrechen, sagt der Analyst. Wenn es in diesem Jahr wirklich zu einem Zubau von sieben Gigawatt kommen sollte, dann sieht Seeliger „massiven Handlungsbedarf“. Die Kosten für die Stromverbraucher wären dann wirklich immens. Seeliger schließt nicht aus, dass die Politiker die Solarstromvergütung ganz abschaffen. „Ohne Einspeisetarif fährt die Industrie komplett gegen die Wand, möglicherweise inklusive der chinesischen.“

Eine Alternative zu den nun beschlossenen Kürzungen wäre aus Sicht von Seeliger, die Einspeisevergütung um zehn Prozent zu reduzieren und 80 Prozent „Local Content“ im EEG festzuschreiben. Das bedeutet, dass Solarstrom nur vergütet wird, wenn vier Fünftel der Photovoltaik-Produkte, mit deren Hilfe er erzeugt wurde, in Deutschland hergestellt wurden. Seeliger weiß, dass seine Haltung in der Branche wenig populär ist. Er sieht aber klare Vorteile in dieser Regelung: „Damit hätte man den Zubau in Deutschland für die nächsten zwei Jahre begrenzt. Man hätte gleichzeitig über die zehn Prozent die Kosten begrenzt und allen einen halbwegs vernünftigen Wettbewerb erlaubt.“ Viele Politiker und Experten sehen Strafzölle und Handelsbeschränkungen allerdings äußerst kritisch (siehe Seite 22).

Mehr Analysen im Netz:

Auf unserer Spezialseite „Photovoltaik Kürzungspläne“ finden Sie weitere Analysen, wie es zu der Entscheidung kam, was sie bedeutet und unter welchen Bedingungen sich Photovoltaikanlagen noch rechnen.
Dort können Sie sich zurückkatapultieren in den Januar, als Umweltminister Norbert Röttgen die Branche schockte. Der Kommentar zu der Videoaufzeichnung der entscheidenden Pressekonferenz ist so aktuell wie damals.
Außerdem freuen wir uns dort über Ihren Beitrag zur Online-Diskussion:
www.photovoltaik.eu

Sandra Enkhardt

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