Nachdem der Weltklimarat seinen aktuellen Bericht zum Klimawandel vorgelegt hat, fordern die Branchen der erneuerbaren Energien die Politik zum Reagieren auf. Der Ausbau darf nicht weiter blockiert werden. Sonst werden die Klimaschutzziele verfehlt.
Nachdem der Weltklimarat (IPCC) seinen aktuellen Bericht über den Klimawandel veröffentlicht hat, fordern die europäischen Solarunternehmen eine bessere Unterstützung der Solarindustrie durch die Politik „Das energiepolitische Rollback muss gestoppt werden“, betont Milan Nitzschke, Präsident der europäischen Industrieinitiative EU Pro Sun mit Sitz in Brüssel. Schließlich hat der IPCC in seinem Bericht festgestellt, dass es nur möglich ist, einen weltweiten Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad Celsius zu verhindern, wenn entschlossen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investiert wird.
Blockaden beenden
Immer heftiger beklagen aber die Solarunternehmen die Blockade des Ausbaus der Photovoltaik durch die europäischen Regierungen. Außerdem fehlen klare und ambitionierte Ausbauziele. So hat sich die Europäische Union das Ziel des Anteils von erneuerbaren Energien an der Stromproduktion bis 2030 auf geringe 27 Prozent festgelegt. Außerdem konnte sich die EU nicht durchringen, verbindliche Ausbauziele für die einzelnen Mitgliedsstaaten festzulegen. Zusätzlich hat die Europäische Kommission in der vergangenen Woche neue Richtlinien für die Förderung von Photovoltaikanlagen festgelegt. Mit der dort vorgesehenen Ausschreibung von Solarstromleistung wird sich der Zubau nicht mehr an den Marktbedingungen orientieren, sondern von den Regierungen restriktiv kontrolliert. „Es ist unfassbar. Seit Jahren diskutiert die EU über Klimaziele und Unabhängigkeit von Energieimporten“, kritisiert Nitzschke. „Konkret wird aber das Gegenteil gemacht. Der vorläufige Höhepunkt war die Verabschiedung des so genannten Umwelt- und Energiebeihilferahmens in der letzten Woche. Was harmlos klingt, ist in Wahrheit der Masterplan, um die Förderung von erneuerbaren Energien in Europa zu beenden.“
Kostenargument zieht längst nicht mehr
Das von vielen Regierungen bemühte Kostenargument lässt Nitzschke nicht gelten. „In nur sieben Jahren hat die europäische Solarindustrie die Kosten für Solarstrom um mehr als 80 Prozent gesenkt“, rechnet er vor. „Inzwischen ist Strom aus Solaranlagen und ergänzenden KWK- oder Biogasanlagen billiger als Strom aus neuen Kohle- und Atomkraftkraftwerken. Dabei wird der Solarstrom auf Gebäudedächern genau dort erzeugt, wo er auch gebraucht wird und spart damit Netzausbau. Wo immer ein Dach ist, ist es schlicht Verschwendung, dies nicht zur Stromerzeugung zu nutzen.“ Er fordert vor allem die Bundesregierung auf, Deutschland wieder als Vorreiter in der weltweiten Energiepolitik zu positionieren. „Anstatt dem weiter gerecht zu werden, tritt die neue Bundesregierung aber auf die Bremse“, kritisiert der Präsident von EU Pro Sun. „Jetzt soll hierzulande sogar der Verbrauch von selbst erzeugtem Solarstrom mit einer Abgabe belegt werden, während die Kohlekraftwerke der Industrie befreit werden.“
Aktiv gegen Erderwärmung vorgehen
Die gleiche Forderung an die Bundesregierung stellt auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). „Der Weltklimarat weist eindringlich darauf hin, dass eine Anpassung an den Klimawandel nicht reicht. Wir müssen aktiv gegen die Erwärmung vorgehen, wenn wir noch mehr Unwetter, Dürren und einen weiteren Anstieg der Meeresspiegel und damit viel menschliches Leid verhindern wollen“, betont Harald Uphoff, stellvertretender Geschäftsführer des BEE. Deutschland müsse die erneuerbaren Energien schneller ausbauen als jetzt von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgesehen, wenn die Bundesregierung ihr selbst gestecktes Klimaschutzziel erreichen will. Immerhin soll die Bundesrepublik im Jahr 2020 mindestens 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als noch 1990. In einer Leitstudie im Auftrag des BEE hat allerdings der Energieforscher Joachim Nitsch festgestellt, dass die Bundesregierung nur 29 bis 32 Prozent Minderung der Treibhausgasemissionen schafft, wenn sie die erneuerbaren Energien in dem jetzt vorgesehenen Tempo ausbaut. „Auch die langfristigen Klimaschutzziele für 2030 und 2050 werden mit der bisherigen Politik deutlich verfehlt“, betont Nitsch. „Die Defizite, die sich bis 2025 abzeichnen, lassen sich in den Jahren zwischen 2025 und 2050 kaum wieder aufholen, selbst wenn die Klimaschutzpolitik deutlich ehrgeiziger würde.“
Atomkraft ist keine Alternative
Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien schlägt der IPCC noch weitere Strategien zur Minderung der Treibhausgasemissionen vor. Allerdings stellen diese für den BEE keine brauchbaren Alternativen dar. „Die vom IPCC genannten Alternativen Atomkraft und Abscheidung von Kohlendioxid in Kohlekraftwerken sind ein Irrweg“, betont der Verband. „Atomkraft ist lebensgefährlich und extrem teuer, und die Abscheidung von Kohlendioxid ist ineffizient und verzögert nur die Umstellung von Kohle auf saubere und nachhaltige Energien“, ergänzt Uphoff. (Sven Ullrich)