Nachdem sich die Berichte über die geplante Streichung der Bagatellgrenze beim Eigenverbrauch bestätigt haben, warnen die Branchen der erneuerbaren Energien vor einem Stopp der Energiewende. Eine solche Regelung würde nicht nur die Solarbranche hart treffen, sondern auch auf die Wärmewende durchschlagen.
Nachdem sich der Bericht über die Streichung der sogenannten Bagatellgrenze für die Einbeziehung der EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch von Solarstrom bestätigt hat, hagelt es Kritik aus den Brachen der erneuerbaren Energien. „Sie wären ein Schlag gegen die erneuerbaren Energien und ein Rettungsprogramm für dreckige Kohlekraftwerke, die komplett von der EEG-Umlage befreit bleiben sollen“, kritisiert Udo Möhrstedt, Vorstandsvorsitzender von IBC Solar. „Es käme einem Frontalangriff gegen Klimaschutz und Energiewende in Deutschland gleich, sollte die Bundesregierung den Eigenverbrauch von Solarenergie tatsächlich flächendeckend belasten wollen“, kommentiert auch Andreas von Zitzewitz, Chef des operativen Geschäfts bei Hanwha Q-Cells. „Eine flächendeckende Belastung des Eigenverbrauchs von Solarstrom würde Neuinstallationen von klimaschonenden Solaranlagen in Deutschland im großen Stil verhindern. Dagegen will die Regierung offenbar den Eigenstromverbrauch des Kohlebergbaus von der EEG-Umlage komplett befreien. Das wäre Energiewende rückwärts.“
Zubau wieder von der Förderung abhängig
Hintergrund der Kritik ist, dass Unterhändler der Regierungskoalition vereinbart haben, auch den Eigenverbrauch des Solarstroms aus kleinen privaten Dachanlagen mit einer EEG-Umlage zu belasten. Bisher stand im Gesetzentwurf, dass der Strom aus Solargeneratoren mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt von der „Sonnensteuer“ ausgenommen werden sollen. Dafür soll die Höhe der EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch von bisher 50 auf 40 Prozent abgesenkt werden. Sollte der Bundestag diese Regelung tatsächlich durchwinken, würde der Zubau von Solarstromanlagen wieder komplett auf die Förderung durch das EEG angewiesen sein, wie der Bundesverband für Solarwirtschaft (BSW-Solar) schon vor einigen Wochen vorgerechnet hat. Denn dann würden sich bei dem jetzigen Preisniveau Neuanlagen nicht mehr lohnen. „Jahrelang forderte die deutsche Politik zurecht förderunabhängige Geschäftsmodelle von der Solarindustrie. Jetzt, wo sie mit dem Eigenverbrauch von Solarstrom da sind, tut die Politik alles, um sie zu Gunsten der großen Energiekonzerne zu verhindern“, kommentiert von Zitzewitz mit Blick auf die Gefahr, dass die Regierungskoalition in Berlin die Photovoltaik wieder in die Abhängigkeit des EEG treibt – mit entsprechenden Kosten für die privaten und mittelständischen Stromkunden. „Wir fordern die Bundesregierung nachdrücklich auf, diesen Irrweg zu verlassen und die Energiewende in Deutschland endlich voranzutreiben“, sagt der Q-Cells-Manager. „Ich appelliere eindringlich an Minister Gabriel, sich von dieser Idee rasch wieder zu verabschieden“, sagt auch Udo Möhrstedt von IBC Solar.
Sanierungsstau in den Heizungskellern geht weiter
Dass es nicht nur um die Rettung der Geschäfte der Solarindustrie in Deutschland, sondern auch um die Energiewende insgesamt geht, zeigt die Kritik des Bundesverbandes Wärmepumpe. Dessen Geschäftsführer Karl-Heinz Stawiarski kritisiert diese Regelung als kontraproduktiv. „Kostendämpfende Effekte – die der Verband durchaus begrüßen würde – sind von diesem Schritt nicht zu erwarten“, sagt Stawiarski. „Nach unserer Einschätzung muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die schon bisher völlig unzureichende Dynamik im Wärmemarkt weiter abgewürgt wird.“ Für Stawiarski ist klar: Wenn die Solarstromanlagen mit Eigenverbrauch nicht mehr gebaut werden, steht auch die Energiewende im Wärmesektor auf der Kippe. Denn viele Wärmepumpen werden mit Solarstrom vom eigenen Dach betrieben. Das funktioniert nicht mehr wirtschaftlich, wenn der Solarstrom mit der „Sonnensteuer“ belastet wird. Als Folge ist zu befürchten, dass in den deutschen Kellern weiterhin völlig veraltete Heizkessel betrieben werden, mit entsprechenden Folgen für das Klima. Schließlich ist der steigende Ausstoß von Treibhausgasen, mit dem die Bundesrepublik trotz Energiewende kämpft, zu einem große Teil darauf zurückzuführen, dass die Haushalte in Deutschland immer noch mit völlig maroder Technik Öl und Gas verheizt. „Es ist widersinnig, die Verbraucher zu bestrafen, die durch eigene Investitionen Klimaschutz und Energiewende voranbringen“, kritisiert Stawiarski zu Recht. „Dies wäre ein massiver Rückschlag für die Energiewende sowohl im Strom- als auch im Wärmemarkt. Damit würde sich die Politik effektiv von sämtlichen Klimaschutzzielen verabschieden. Wir richten daher einen dringenden Appell an den Bundestag, diese Ungerechtigkeit nicht in Gesetzesform zu gießen.“
Gleichgültig, ob die Regierungskoalition zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Ablenkung durch die Fußballweltmeisterschaft nutzen will, oder es ein weiterer weißer Elefant ist, der als Verhandlungsmasse dient, um von anderen restriktiven Regelungen im neuen EEG abzulenken. Für die Solarbranche ist allein die Idee ein riesiger Schaden. Schließlich wissen die Kunden jetzt überhaupt nicht mehr, was in den nächsten Wochen noch so alles auf sie zukommen könnte. Außerdem haben sich die Politiker in Berlin offensichtlich noch gar nicht überlegt, welche Folgen für die Umsetzung eine solche Regelung überhaupt hat. „Hier würde ein Bürokratiemonster geschaffen werden, das den überwiegenden Teil der Einnahmen sinnlos in der Verwaltungstätigkeit versickern lassen würde“, warnt Markus Gailfuß vom BHKW-Infozentrum. (Sven Ullrich)