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Brüder, zur Sonne

Die Sonne brennt mal wieder auf das Dach der Haupt- und Realschule in Horb an diesem Augusttag – doch ab jetzt geht die Energie nicht mehr verloren. Solarmodule mit zusammen gut 19 Kilowatt hat die Ökumenische Energiegenossenschaft Horb auf dem Flachdach installiert, sie kann nun mit jährlich mehr als 18.000 Kilowattstunden Ertrag rechnen.

Die Anlage selbst ist eigentlich nichts Besonderes mehr, solche Solarkraftwerke gibt es inzwischen schon zu tausenden in Deutschland. Interessant jedoch ist die unternehmerische Konstruktion: Die Anlage wird genossenschaftlich betrieben. Bernhard Bok ist eine treibende Kraft dabei. Er hat mit Genossenschaften viel Erfahrung, denn er war vor seiner Pensionierung Vorstand der genossenschaftlich organisierten Volksbank in Horb. Und so war es für ihn keine Frage, auch den Ausbau der erneuerbaren Energien in der großen Kreisstadt am Neckar auf genossenschaftliche Beine zu stellen.

Doch der Reihe nach. Die Idee kam von den Umweltteams der beiden Kirchen am Ort. Sie hatten erkannt, dass mehr Investitionen in erneuerbare Energien dringend nötig sind – „aus christlicher Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung“. Schließlich ist hier am östlichen Rand des Nordschwarzwaldes, wo man zwischen den bewaldeten Hügeln auch vom Tourismus lebt, der Erhalt der Umwelt ein wichtiges Thema.

Also beschlossen die Umweltgruppen der Kirchen, selbst etwas zu unternehmen, am besten natürlich vor Ort. Peter Silberzahn, Stiftungsdirektor der Katholischen Spitalstiftung Horb, bemühte sich anschließend um Menschen, die das Ganze – ehrenamtlich versteht sich – in die Hand zu nehmen bereit waren. Er geriet nun zum einen an den Ökonomen und Genossenschaftsexperten Bok, zum anderen an den Techniker Johannes Mayer. Auch Mayer war die Genossenschaft als unternehmerische Organisationsform sehr vertraut, da er vor seinem Eintritt in den Ruhestand bei der örtlichen Raiffeisengenossenschaft beschäftigt war.

Gemeinsam gründeten sie die Ökumenische Energiegenossenschaft Horb e.G. „Wir sind hier im Land der Genossenschaften“, erklärt Bok. Er ist ein dynamischer, groß gewachsener Mann, ein Pragmatiker einerseits, aber auch jemand, für den gesellschaftliche Verantwortung keine Floskel ist. Nirgendwo in Deutschland, sagt Bok, sei die Unternehmensform der Genossenschaft so stark vertreten wie in Baden-Württemberg. Von der kleinteilig strukturierten Landwirtschaft sei die Entwicklung damals ausgegangen. Und so organisierte man sich einst in landwirtschaftlichen Genossenschaften.

Heute erlebt die Genossenschaft als Unternehmensform eine neue Blüte – meistens geht es dabei um die Erzeugung erneuerbarer Energien. Wie damals in den landwirtschaftlichen Genossenschaften ist auch heute wieder die Idee des gemeinsamen Wirtschaftens ein wichtiger Grundsatz. Entsprechend hat die Ökumenische Energiegenossenschaft in Horb neben der Erzeugung von Ökostrom und einer auskömmlichen Rendite auch soziale Ziele definiert. In der Präambel der Genossenschaftssatzung sind sie nachzulesen: Man werde „gemeinsam mit den BürgerInnen, den Kirchen der Ökumene, den Kommunen, Unternehmen und Institutionen lokale und regionale Energieprojekte realisieren“. Darüber hinaus ist es erklärtes Ziel, „im Rahmen von Beteiligungen Projekte der ‚Einen Welt‘ zu unterstützen“.

Auch Energiemakler

Um für die Zukunft flexibel zu sein, wurde die Satzung nicht alleine auf Photovoltaik ausgelegt. Gegenstand des Unternehmens sei „die Initiierung von Projekten zur Erzeugung erneuerbarer Energie auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene“, heißt es dort. Aber auch „die Vermittlung von Energie-Endabnehmern an ökologisch erzeugende Energieanbieter“ ist gemäß Satzung zulässig. Diese Tätigkeit hat die Energiegenossenschaft ebenfalls bereits aufgenommen und kooperiert mit den Elektrizitätswerken Schönau, den sogenannten Stromrebellen aus dem Schwarzwald. Diese hatten nach der Tschernobyl-Katastrophe die Stromversorgung in ihrer Heimatstadt übernommen und verkaufen seit nunmehr elf Jahren ihren Ökostrom auch bundesweit. Auch die Schönauer hatten übrigens enge Kontakte zu den örtlichen Kirchen: Eine der ersten großen Solaranlagen bauten sie auf ein Kirchendach.

Aller sozialen und ökologischen Motivation zum Trotz gibt es in Horb natürlich auch ökonomische Grundsätze: „Natürlich müssen unsere Investitionen auch betriebswirtschaftlich nachhaltig sein“, sagt der ehemalige Banker Bok, „das erwarten unsere Mitglieder“. Und natürlich verlange es auch die Vernunft, denn schließlich könne ein Unternehmen nur dann dauerhaft im Sinne des Umweltschutzes wirken, wenn es auch ökonomisch auf soliden Beinen stehe. Die angepeilte Rendite auf das Kapital der Genossenschaftsmitglieder wird daher bei etwa drei Prozent liegen.

Dieser Zinssatz macht deutlich, dass bei den Schwaben in Horb nicht maximaler finanzieller Ertrag das Credo ist. Denn mit Solarstrom ließe sich grundsätzlich mehr erwirtschaften. Aber es soll eben auch ein sozialer Mehrwert auf den Dächern von Horb generiert werden. Aus diesem Grund hat sich die Genossenschaft kürzlich mit einer Summe von 5.000 Euro an Oikocredit beteiligt. Die internationale Organisation unterstützt Genossenschaften und kleinere Unternehmen in armen Ländern mit Mikrokrediten und Kapitalbeteiligungen.

So hilft nun die Sonne, die auf die Dächer von Horb fällt, Kleinunternehmen in Afrika, Asien und Lateinamerika. 52 Kilowatt hat die schwäbische Genossenschaft inzwischen am Netz: Neben der Anlage auf der Realschule gibt es eine weitere auf dem katholischen Gemeindehaus Adolf Kolping und eine auf einer Scheuer in einem Ortsteil von Horb. Für die Dachnutzung bezahlt die Genossenschaft Geld, jährlich 15 Euro pro Kilowatt. Das sei ein angemessener Betrag, sagt Vorstandsmitglied Bok. Er bezahlt die Pacht gerne. Denn er weiß: Wenn der Eigentümer Geld bekommt, fühlt er sich auch verantwortlich. Dann gibt es einen vernünftigen Dachnutzungsvertrag, der auch dem Eigentümer gewisse Pflichten abverlangt, etwa die Überwachung des Dachzustandes oder die Sorge darum, dass Verschattungen der Dachfläche vermieden werden.

Mehr als nur Würschtle

170.000 Euro hat die Energiegenossenschaft Horb inzwischen investiert, davon wurden 99.000 Euro von den bislang 70 Genossenschaftsmitgliedern aus der Region aufgebracht. „Wir setzen bei unseren Projekten immer 50 Prozent Eigenkapital ein“, sagt Vorstand Bok. Das ist sehr viel, gemessen an den Quoten, mit denen die meisten anderen Investoren für Photovoltaik operieren. Aber für die Genossenschaft stehe die Sicherheit eben an erster Stelle, erklären die beiden Vorstände. Das heißt aber auch: Weil noch weitere Projekte anstehen, ist die Aufnahme weiterer Mitglieder nötig. „Wir müssen noch kräftig werben“, sagt Vorstand Mayer.

Ein Genossenschaftsanteil kostet 500 Euro, bis zu fünf Anteile pro Person sind zulässig. „Wir wollen uns nicht zu sehr von Einzelpersonen abhängig machen“, erklärt Mayer. Denn die Mitglieder können ihre Einlage mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündigen. Das Genossenschaftskapital muss dann natürlich anderweitig wieder aufgestockt werden, und das könnte bei großen Summen problematisch sein. Aus Gründen der Mitbestimmung wäre die Deckelung hingegen nicht nötig, denn es gilt das Genossenschaftsprinzip: „Ein Mensch, eine Stimme“. Auch hier ist die Genossenschaft eben anders strukturiert als die Kapitalgesellschaften, bei denen stets die Großen die Kleinen überstimmen: „Bei den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften“, sagt der ehemalige Banker Bok, „gibt’s für die Kleinanleger ein paar Saitenwürschtle, aber zu sagen haben die doch gar nichts.“

Die genossenschaftliche Konstruktion, sind die beiden Vorstände daher überzeugt, komme bei den Menschen an. „Unsere Mitglieder wollen an einem sinnvollen Projekt mitmachen, sie wollen dazugehören“, sagt Bok. Es ist auch ein Gemeinschaftsprojekt, das verbindet. Sie wollten natürlich auch einen Zins erwirtschaften, aber der stehe nicht so sehr im Vordergrund. Aus Sicht des Vorstandes ist man mit den bisherigen drei Anlagen etwa auf halbem Weg angelangt: „Wir brauchen 80 bis 100 Kilowatt, damit wir unsere Genossenschaft effizient führen können“, erklärt Bok.

Bernward Janzing

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