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Chancen in der Sandwich-Position

Zweistufiger oder dreistufiger Vertrieb – das ist eine klassische Frage der Betriebswirtschaftslehre. Liefert ein Hersteller sein Produkt direkt an Installateure oder wird ein Großhändler dazwischengeschaltet, der dann seinerseits ein Kundennetzwerk aufbaut? In der Photovoltaikbranche, die derzeit schwer gebeutelt ist durch die erneuten Einschnitte bei der Solarförderung, zeichnet sich ein Trend ab. „Hersteller versuchen verstärkt, direkt an Installateure zu vertreiben, umso ihre Marge zu retten“, sagt Dirk Morbitzer vom Research- und Beratungsunternehmen Renewable Analytics.

Beispiele dafür sind etwa das neue Partner-Programm der Trina Solar, das im April gestartet ist, oder auch der Modulhersteller Talesun, der seit einem halben Jahr das Europageschäft von Deutschland aus aufbaut und dabei auf den direkten Vertrieb an Installateure und Projektierer setzt. Ein weiterer Trend ist, dass bei der Belieferung immerkleinerer Projekte Großhändler übergangen werden. Seit letztem Jahr sei diese Tendenz zu spüren, sagt Thomas Rust, Geschäftsführer des niedersächsischen Großhandels AS Solar, und zwar bereits bei Anlagen ab einer Größenordnung von 500 Kilowatt Peak.

„Die Verluste, die wir dadurch einfahren, lassen sich nicht eindeutig quantifizieren, aber aufgrund der neuen Gesetzeslage erwarte ich eine Verschärfung der Situation“, sagt Rust. Steht der dreistufigeVertrieb in der Photovoltaikbranche unter diesen Bedingungen also vor dem Aus?

„Eher im Gegenteil“, meint Walter Manns, Geschäftsführer bei Donauer Solartechnik aus Gilching. „Wenn nun die Kleinanlagen wieder mehr in den Vordergrund rücken, wird die Bedeutung der Betreuung der einzelnen lokalen Installateure wieder zunehmen. Das können die Hersteller gar nicht so intensiv leisten wie wir.“ Auch Morbitzer will nicht von einem Ende des dreistufigen Vertriebs sprechen. „Für den Photovoltaik-Großhandel gelten die gleichen Regeln wie für den Großhandel jeder anderen Branche. Es stellt sich die Frage, ob das Unternehmen nur ein Verteiler zwischen dem Hersteller und dem lokalen Installateur ist – also praktisch nur Module durchschiebt – oder ob es dem Kunden einen Mehrwert, einen Zusatznutzen bietet.“

Mehr leisten als der Hersteller

Als Mehrwertlieferant – in dieser Rolle versteht sich AS Solar durchaus. „Die Hersteller profitieren von uns, weil wir über lange Jahre hinweg einen breiten Kundenstamm mit qualifizierten Handwerkern aufgebaut haben“, meint Geschäftsführer Thomas Rust. „Unsere Kunden, die Installateure, können aus einer ganzen Palette Produkte auswählen. Dazu bieten wir Unterstützung bei der Planung, der Gesamtanlagenauslegung und leisten technischen Support. Ein einzelner Hersteller kann das nicht leisten.“ Dennoch sieht Rust Probleme auf sein Unternehmen zukommen: „Wir rechnen mit einer Reduzierung des deutschen Marktes bis auf ein Drittel im Vergleichzu 2011. Das ist sehr hart für uns, da wir zwei Drittel unseres Umsatzes in Deutschland erzielen. Das bedeutet, wir werden deutlich weniger verkaufen und der Wettbewerbsdruck steigt gewaltig. Als Großhändler stecken wir in einer Sandwich-Position zwischen Installateur und Hersteller und stehen unter enormem Druck, weil wir keine Luft mehr haben, an unseren Margen zu drehen.“ Rust fürchtet, bisherige Standards wegen des drohenden schrumpfenden Marktes nicht halten zu können. „Wir werden unseren Service herunterfahren müssen. Das bedeutet Einschnitte bei der Unterstützung und dem umfangreichen Marketingpaket, bestehend aus Messematerial, Broschüren und Werbeaktionen, das wir für unsere Kunden undPartner entwickelt haben. Wir werden auch zwangsweise die Produktpalette prüfen und über den Verkauf günstigerer Produkte nachdenken müssen, was wir aufgrund unseres hohen Qualitätsanspruches als kaum zu bewältigenden Spagat erachten.“ Zumindest in Letzterem sieht der Analyst Morbitzer keine Schwierigkeit. „Ein billigeres Produkt muss ja nicht automatisch ein schlechteres sein“, meint er. Im Grunde beschreibe dies den großen Wettbewerbsvorteil, den Großhändler gegenüber einer zweistufigen Vertriebsstruktur haben und an dem keine Abstriche vorgenommen werden sollten. „Die unabhängige, saubere Qualitätskontrolle und -sicherung ist das, was der Großhändler immer wieder nachweisenmuss.“ So sieht das auch Walter Manns von der Donauer Solartechnik. „Wir prüfen sorgfältig den Wareneingang, lassen regelmäßige Stichproben wie zum Beispiel Elektrolumineszenzaufnahmen oder Flashtests durchführen. Zudem besuchen wir mindestens einmal im Jahr die Produktionsstätten all jener Hersteller, die uns beliefern.“ Manns geht es nicht nur darum, dass sich der Installateur auf die Produktprüfung verlassen kann, sondern „im Grunde auditieren wir den Lieferanten und geben mit unserer Auswahl eine verlässliche Einschätzung, welche Hersteller auch morgen noch im Markt bestehen.“ Diese Bewertung hilft dem Installateur im Kundengespräch, etwa wenn es darum geht, ob die Garantie eines Produktes auch morgen noch Bestand hat.

Wie aber sollen nun Großhändler auf die drohende Verkleinerung des deutschen Solarmarktes reagieren? Der AS-Solar-Geschäftsführer spricht von effizienteren Strukturen und davon, interne Prozesse zu verschlanken. „Zunächst einmal gilt es, die Kosten zu reduzieren,beim Handel ist ein großer Kostenpunkt das Personal. Wir haben über das Anmelden von Kurzarbeit nachgedacht, aber wir können keine Aussage darüber treffen, ob und wann die Situation sich wieder stabilisiert. Deswegen ist das keine Option. Im ersten Quartal wurden noch viele Überstunden angehäuft, die werden in der kommenden Zeit abgebaut, Mitarbeiterentlassungen in größerem Umfang werden folgen“, sagt Rust.

Interne Prozesse optimieren

Was einen Geschäftsführer schmerzt, betrachtet Morbitzer unter Effizienzkriterien. „Sehr oft ist es so, dass einzelne Bestellungen von zu vielen Leuten angefasst werden. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist der Ansatz, interne Prozesse massiv zu entschlacken, also absolut richtig.“ Die Donauer Solartechnik nutzt seit rund zwei Jahren zur Optimierung interner Prozesse eine Enterprise-Resource-Planning-Software. Per Computer können Materialbestellung, Logistik und auch Kundenbeziehungen geplant und nachverfolgt werden.Gleichwohl, meint Walter Manns im Hinblick auf seine Erfahrung, die er vor seinem Wechsel zur Donauer Solartechnik in anderen Industriezweigen gesammelt hat, sei beim Grad der Professionalisierung in der Solarbranche noch Luft nach oben. „Das fängt bei der Standardisierung von Verpackungen und Paletten an und geht bis zur Verbesserung ganzer Logistikprozesse.“

Zukunftstrends erkennen

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist für den Handel eine attraktive Produktpalette elementar. Speicher- und Batterielösungen werden im künftigen Energiemarkt eine große Rolle zugesprochen. AS Solar steht kurz vor der Einführung eines Speichersystems zur Optimierung des Eigenverbrauchs von Solarstrom. Mit dem neuen Produkt werde der erwartete Rückgang beim Verkauf von Solarsystemen in den nächsten drei Quartalen aber nicht kompensiert, sagt Thomas Rust. Selbst wenn Speicher jetzt gerade noch kein Geschäft sind, sei die frühzeitige Einführung ein wichtiger Schritt, sagt Morbitzer, da der Handel rechtzeitig neue Produkte testen und seinen Einkauf auf das Kommende vorbereiten muss.

Das niedersächsische Unternehmen will nicht nur seine Produktpalette vergrößern, sondern auch neue Märkte erschließen beziehungsweise die Aktivitäten zum Beispiel nach Dänemark und in die Schweiz ausweiten, denn die AS-Gruppe ist längst auch auf ausländischen Märkten aktiv. „Großhandel ist ein Massengeschäft. Geld lässt sich nur verdienen, wenn Menge bewegt wird. Eine fünfprozentige Marge ist oftmals bereits hoch. Die Ausweitung aufs Ausland ist sicher ein wichtiger Punkt“, lautet die Einschätzung von Morbitzer.

Herstellerneutrale Beratung

Auch wenn der Solarmarkt in Deutschland schrumpfen sollte, der technische Fortschritt bei der Photovoltaik wird weitergehen und die Diversifizierung der Produkte fortschreiten. Mit Eigenverbrauchslösungen, intelligenten Systemsteuerungen und künftig auch mit Nachrüstungen wird die Installation von Photovoltaikanlagen technisch immer anspruchsvoller. Die Geschäftsführer von AS Solar und Donauer Solartechnik und auch der Analyst Dirk Morbitzer sind sich einig: Die herstellerneutrale Beratung ist und bleibt die Kernkompetenz des Großhandels. Welche Komponenten sind für ein spezielles Projekt geeignet – auf diese Antwort müssen die Mitarbeiter eine kompetente Antwort haben und weitergeben können.

Technisches Know-how sowohl für Mitarbeiter als auch Installateure vermitteln beide Unternehmen in hauseigenen Akademien. Das Interesse der Handwerksunternehmen an den Weiterbildungs- und Trainingsangeboten sei ungebrochen hoch. „Ich habe sogar den Eindruck, dass die Nachfrage steigt. Während der Konsolidierung des Marktes werden viele derjenigen, die Photovoltaik nur nebenbei angeboten haben, vermutlich aus dem Markt ausscheiden – der Rest wird großen Bedarf haben, sich fortwährend weiterzubilden und zu spezialisieren“, sagt Manns.

Auch Verkaufskompetenz wird in den Akademien geschult. Für den Geschäftsführer der Donauer Solartechnik gerade auch für seine eigenen Mitarbeiter ein wichtiges Thema. Viele Installateure signalisierten, dass sie nicht ständig mit allen möglichen Herstellern einzeln verhandeln wollen, sondern die Beratung durch den Großhandel schätzen. Ein solches Vertrauensverhältnis muss gepflegt werden. Denn sollte der Handwerker das Gefühl haben, der Großhandels-Mitarbeiter empfiehlt nur deswegen ein Produkt, weil er dafür eine höhere Provision kassiert, ist das schnell gestört.

Serviceleistungen erweitern

Eine klassische Funktion des Großhandels ist die Unterstützung seiner Kunden bei der logistischen Abwicklung. Verarbeitungsbetriebe mit wenig Lagerkapazität haben mit Hilfe des Großhändlers die Möglichkeit, flexibel und bedarfsgerecht auf die jeweilige Einbausituation beim Kunden vor Ort zu reagieren. „Weitere Servicedienstleistungen sind für die Zukunft denkbar“, sagt Dirk Morbitzer, „wie die Unterstützung bei Abrechnungssystemen oder auch bei der Zwischenfinanzierung.“ Die Möglichkeiten der Zwischenfinanzierung durch den Großhandel schaffen für Handwerksbetriebe finanzielle Spielräume. In anderen Branchen ist diese Funktion des Großhandels üblich, bei der Photovoltaik gebe es erste Ansätze, sagt Morbitzer.

Der Photovoltaik-Großhandel wird in den nächsten Monaten – genau wie diegesamte Solarbranche – von Konsolidierung geprägt sein. Manche Unternehmen werden unter diesen Bedingungen nicht bestehen. Dass das Geschäftsmodell Großhandel jedoch komplett verschwindet, ist unwahrscheinlich.

Wer im zunehmenden Preiskampf als Photovoltaik-Großhändler überleben will, der muss die eigenen Stärken definieren und nach außen vertreten. Dazu gehört nicht zuletzt eine gute Lobbyarbeit in Richtung Industrie. „Ein ausländischer Hersteller kennt den europäischen Markt nicht so gut wie wir. Wir müssen ihm das Vertrauen geben, dass er nur seinen Container anliefern muss und wir ein gewisses Volumen zuverlässig für ihn absetzen“, sagt Manns. Bei AS Solar wie auch bei der Donauer Solartechnik sieht man den Großhandel weiter als Kerngeschäft. Zwar sei es durchaus schon passiert, dass ein Hersteller versucht habe, AS Solar zu übergehen. „Da sind wir dann konsequent und sortieren dessen Produkte aus; die Vertrauensbasis ist dann weg“, sagt Rust. „Die meisten unsere Hersteller-Partner haben uns aber eine weitere langfristige Zusammenarbeit zugesagt.“

Daniela Becker

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