Ist Sonnenenergie erneuerbar? Die drei Mädchen im Alter von zehn Jahren diskutieren heftig. „Die Sonne geht unter, also ist sie weg“, sagt das eine, und ihre Teamkollegin hakt gleich ein: „Aber die geht ja nicht unter die Erde!“ Die drei entscheiden sich für „erneuerbar“. Die angehenden Energieexpertinnen starten mit 32 anderen Kindern in die Sonnenwoche im ökologischen Schullandheim in Ahlheim-Licherode, einem 180-Einwohner-Dorf gut 50 Kilometer südöstlich von Kassel. Von Sonntagabend bis Donnerstagmittag nutzen sie ihre Schulferien, um etwas über erneuerbare Energien und besonders über die Kraft der Sonne herauszubekommen.
Pech, dass es regnet als die Solarwoche beginnt. Aber auch nicht so schlimm, denn am Montagmorgen sind über Haus und Innenhof verteilt 15 Stationen aufgebaut, „an denen das Thema Energie für die Kinder ein Gesicht bekommt“, sagt Klaus Adamaschek, Geschäftsführer des Umweltbildungszentrums Licherode. Jedes Kind hat einen Arbeitsbogen mit Fragen zu den Stationen erhalten. In kleinen Grüppchen ziehen die 9- bis 13-Jährigen nun durchs Gebäude.
Der zehnjährige Florian dreht an der Kurbel eines Minigenerators und stellt fest: „Das wird ja immer schwerer, je mehr Lämpchen angehen.“ Umweltpädagoge Johannes Lutz beschreibt die pädagogische Herausforderung: „Strom und Energie kann man nicht sehen.“ Aber man kann sie im Lämpchenexperiment spüren. „Das vergessen die Kinder nicht mehr, dass sie mit Muskelkraft selbst Licht gemacht haben“, ist Lutz überzeugt. „Forschendes Lernen“ nennen er und das Licheroder Team ihren Ansatz. „Hören und Sehen reicht für viele Kinder nicht, sie müssen alles in die Hand nehmen, ausprobieren.“
Im Nachbarraum ertastet ein Viererteam Gegenstände in Stoffbeuteln. Was hat eine Wäscheklammer mit dem Thema Energie zu tun? Ein bisschen um die Ecke gedacht, wird die Verbindung zum Alltag klar: Zu Hause stehen bei vielen Familien Wäschetrockner – und die fressen Energie, dabei kann die Wäsche auch an die Leine geklammert und an der Luft getrocknet werden. Und was soll der Kinderschuh? Wieder ist ein wenig Knobelarbeit nötig: Laufen statt Fahren ist eine energiesparende Alternative. Es muss nicht immer das „Taxi Mama“ sein, es gibt auch die eigenen zwei Beine, das Fahrrad, Skateboard oder Bus und Bahn für den Weg zum Spielen oder zum Sport.
Bewegung ist ein wichtiges Element in der Solarwoche. „Sie macht den Kopf frei“, sagt Umweltpädagoge Lutz. Deshalb laufen die Kinder am Vormittag die 15 Stationen ab, deswegen stehen Nachtwanderung sowie Spiele in der Lern- und Erlebnislandschaft auf dem Gelände des ehemaligen Bauernhofes auf dem Programm. Folgerichtig werden am Dienstag die fünf Kilometer nach Oberellenbach in den Solarpark zu Fuß bewältigt. Unterwegs lässt es sich gut ergründen, wie wichtig Luft und Sonne für den Wald sind. Am Ziel angekommen, lernen die Mädchen und Jungen eine moderne Form der Energiegewinnung kennen. Auf einem zweieinhalb Hektar großen Gelände oberhalb des Ortes stehen 91 Solarbäume. Solarmodule, auf vier Meter hohe Ständer montiert, richten sich wie Sonnenblumen nach der Sonne aus. Wenn sie genügend scheint, versorgt sie über diese Anlage die 800 Oberellenbacher mit Strom. Anschaulicher kann ein regionaler Energiekreislauf kaum dargestellt werden.
Großes Staunen
Beim Zusammentreffen mit den Experten des Solarparks lernen die jungen Energieforscher auch den Unterschied zwischen Solarthermie und Photovoltaik, den sie am Tag zuvor bei der Auswertung ihrer Arbeitsbögen besprochen haben. Einmal wird Wasser mit Hilfe von Sonnenkollektoren erhitzt, einmal Sonnenlicht direkt in Strom umgewandelt. Großes Staunen, als Johannes Lutz erklärt, dass Silizium für die Solarmodule zwar im Sand am Strand herumliegt, dass es aber „ganz, ganz rein sein muss, sonst funktioniert die Anlage nicht“. „Die wollen jetzt Solarstrom aus Afrika nach Europa leiten“, mischt sich ein Junge ins Gespräch ein. „Ja“, antwortet Lutz und fragt: „Meint ihr, dass das funktioniert?“ Tim findet, „es wird schwer zu finanzieren sein“, und Martin wirft ein, es sei bestimmt kompliziert, den Strom nach Europa zu transportieren. Der Umweltpädagoge ist begeistert von solchen Gedankengängen.Am dritten Tag wird es schließlich ganz praktisch: Die Mädchen und Jungen basteln sich ihr eigenes Sonnenspielzeug. Sie bauen Drehmodelle, die je von einer Fotozelle und einem kleinen Motor angetrieben werden. Bei
der Arbeit daran kann durchaus der Lötkolben zum Einsatz kommen. Was sich dann dank Sonnenenergie im Kreis dreht – dem sind kaum Grenzen gesetzt.Umweltpädagogin Nadja Leidebrand öffnet einen Schrank mit Bastelmaterialien für ein Solarspielzeug: Papier, Filz, Wolle, Perlen, Draht, Federn und CDs. Zum Glück scheint inzwischen auch die Sonne, und ein kleiner grüner Hut aus Eierkarton fängt an, sich wie wild zu drehen. Durchs Landschulhaus ziehen leckere Mittagessensdüfte. Die Zutaten kommen weitgehend aus der Region. Und auf dem Kräuterquark leuchtet eine sonnengelbe Ringelblume.