Ronald Heinemann wird ein wenig wortkarg, wenn man ihn auf den Brief seines Verbandspräsidenten Dietmar Schütz anspricht. Nein, sagt Heinemann, Sprecher des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), eine Kopie des Schreibens an Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) könne man nicht bekommen. Und zum Inhalt nur so viel: „Der Bundesverband Erneuerbare Energie begrüßt alle Vorschläge zur Kostenersparnis. Und natürlich begrüßt der BEE auch weitere Vorschläge zur Kostendegression, die vom Bundesverband Solarwirtschaft, dem BSW-Solar, kommen.“
Dabei war der vermutlich wesentliche Teil des internen Briefs längst öffentlich geworden. Am 10. Dezember vergangenen Jahres hatte die Nachrichtenagentur Reuters gemeldet, Schütz habe ebenso wie der BSW dafür plädiert, die regulär für 2012 geplanten Kürzungen bei der Photovoltaikförderung im EEG vorzuziehen. Wegen der hohen Beträge für den Solarstrom gerate sonst das gesamte Fördersystem für die erneuerbaren Energien in Gefahr, schrieb Schütz. Eine Umsetzung des Vorschlags erfordere schnelles Handeln.
Der von Schütz lancierte Brief zeigt, wie hart die Bandagen geworden sind, mit denen in Berlin erneut um die Solarförderung gekämpft wird. Binnen einer Woche war dies das zweite interne Dokument, das vermutlich aus den Reihen des Umweltministeriums oder der Regierungsfraktion den Medien zugespielt wurde. Die Berliner Zeitung hatte zuvor Teile des noch geheimen Gutachtens des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) publiziert, in dem die Wirkung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) für das Umweltministerium untersucht wird. Darin ging es zwar nur um den Missbrauch des Grünstrom-Privilegs durch Stroman bieter, der die EEG-Umlage weiter in die Höhe treibt. Zahlreiche Stromkonzerne und Stadtwerke planen demnach die Gründung von Tochterfirmen, die mindestens 50 Prozent EEG-Strom vermarkten und daher von der Umlage befreit werden. Lohnen würden sich dabei der Verkauf aus Anlagen mit niedrigen EEG-Kosten wie Onshore-Windkraft und großen Biomassekraftwerken. Die etwa durch die Photovoltaik entstehenden EEG-Kosten müssten dann auf die verbliebenen Kunden, die kein Grünstrom-Privileg haben, umgelegt werden. Für die nur halb informierte Öffentlichkeit, die die Debatte eher beiläufig zur Kenntnis nimmt, musste aber erneut der Eindruck hängen bleiben, die Erneuerbaren trieben den Strompreis nach oben. Als Autor des Artikels zeichnete Jakob Schlandt, der die Solarförderung skeptisch sieht.
Schlandt behält nun mit seiner Prophezeiung recht, die er im Sommer nach der letzten Kürzungsrunde im EEG formuliert hatte: Die Bekanntgabe der EEG-Umlage im Oktober werde zum „Horrortermin“ für die Solarbranche. In der Tat kommt die Solarlobby nicht mehr aus der Defensive heraus, seitdem die Übertragungsnetzbetreiber verkündeten, dass die Verbraucher für die Umlage vor allem aufgrund des Zubaus an Photovoltaik ab 2011 1,5 Cent pro Kilowattstunde mehr zahlen müssen. Mehrere hundert Stromversorger nutzten die Gunst der Stunde für eine Erhöhung der Strompreise um durchschnittlich sieben Prozent. Dass die Einkaufspreise für Stromanbieter auch aufgrund des EEG-Anteils seit 2008 um 20 Prozent gefallen sind, drang kaum mehr durch (siehe Seite 14).
Die Roadmap, mit der der Bundesverband Solarwirtschaft am 11. November einen gemäßigten Ausbauplan bis 2020 vorlegen und in die politische Offensive kommen wollte, war deshalb schon zwei Wochen später teilweise wieder wertlos. Der entscheidende Pferdefuß findet sich auf Seite 21: Für 2011 erwartet die Branche nochmals ein Wachstum um sechs Gigawatt, erst danach erfolgt „das Einschwenken in den politischen Zielkorridor durch am Markt orientierte Degression“. Der im EEG formulierte Zielkorridor liegt aber bei 3.500 Megawatt.
Deckel droht weiter
In der Öffentlichkeit brach die neuerliche Kürzungsdebatte Ende November los. In einem Brief an Röttgen forderte Thomas Bareiß, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Kürzun gen, die einem Worst-Case-Szenario für die Solarbranche ziemlich nahekommen. Dazu gehört mittelfristig vor allem ein absoluter Deckel von 3.000 Megawatt Zubau jährlich – ein „Stop and Go“ und die damit verbundene Planungsunsicherheit wären die Folge. Auch die völlige Streichung von Freiflächenanlagen brachte Bareiß ins Gespräch. Für 2011 verlangte Bareiß eine höhere Degression bei verstärktem Zubau: Der derzeitige Korridor „endet bei 6.500 Megawatt. Dies ist nicht nachvollziehbar“, da der tatsächliche Zubau im vergangenen sowie im laufenden Jahr deutlich höher ausfalle. Bei mehr als 7.500 Megawatt Zubau müsse die Degression 14 Prozent betragen, bei mehr als 11.500 Megawatt beispielsweise 18 Prozent.
Der Bundesverband Solarwirtschaft ist diesmal früh mit einem eigenen Angebot zur Kürzung in die Diskussion eingestiegen. In einem Brief an die Mitglieder hieß es: „Wenn die Bundesregierung zur Erlangung einer besseren Kontrolle über das Marktwachstum die Option einer marktzubauabhängigen Steuerung über einen vorgezogenen Degressionsschritt zur Mitte des Jahres 2011 realisieren wollte, würde die Branche dies konstruktiv begleiten.“ Dies habe BSW-Präsident Günther Cramer Umweltminister Röttgen bereits mitgeteilt. Röttgen selbst schließt erneute Kürzungen nicht aus. BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig bot zudem die Festschreibung eines anderen EEG-Rhythmus an: „Es ist eine generelle Überlegung von uns, dass man statt zur Jahreswende vielleicht zweimal pro Jahr die Förderung anpasst“, sagte er gegenüber Reuters. Eine positive Änderung müsse bei geringerem Zubau dann aber auch möglich sein.
Massiver Druck
Offen ist, ob das Entgegenkommen des BSW-Solar den Kritikern den Wind aus den Segeln nimmt. BSW-Präsident Cramer hatte bereits im November gemutmaßt, der Konflikt eskaliere derzeit, weil die Photovoltaik den Energieversorgern Marktanteile wegnehme und diese noch kein Geschäftsmodell hätten, wie sie von der Technologie profitieren könnten. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell sagt, Teile der Union versuchten, „massiven Druck auf die Photovoltaik zu machen und ihr Marktvolumen zu senken, damit die Laufzeitverlängerung von Atomreaktoren auch ökonomisch Bestand haben kann“. Mit anderen Worten: Die hohe EEG-Umlage für die Photovoltaik ist nur der willkommene Anlass, nicht aber die eigentliche Ursache für den Konflikt.
Bareiß legte jedenfalls Mitte Dezember im ZDF-Magazin WISO noch einmal nach: Der Solarstrom koste zu viel und bringe zu wenig. „Deshalb müssen wir in den nächsten Jahren die Photovoltaik begrenzen auf ein Drittel von dem, was wir bisher machen“, so Bareiß. Eher beruhigende Signale kommen bislang von gelb: „Die FDP ist beeindruckt, dass die Solarbranche selbst eine schnellere Anpassung ins Gespräch bringt. Es ist selten, dass eine Branche ihre Subventionen absenken will“, so der umweltpolitische Sprecher Michael Kauch in einer Erklärung, der sich der energiepolitische Sprecher Klaus Breil anschloss. „Entscheidend für die FDP ist das Festhalten am Mechanismus, der die Förderung flexibel an den Ausbauerfolg anpasst. Einen festen Deckel lehnen wir ab.“
Entscheidung ab April
Dass die Branche um ein Vorziehen der regulären EEG-Absenkung auf 2011 nicht mehr herumkommen wird, glauben auch mit den Erneuerbaren sympathisierende Abgeordnete. Fell argumentiert mit dem kleineren Übel: „Alles ist zu tun, um zu verhindern, dass sich ein Deckel durchsetzt. Ich denke auch, dass es in der Vergütungssenkung noch eine gewisse Luft gibt, ohne dass der Markt zusammenbricht.“
Josef Göppel (CSU) fürchtet einen Zubau über 6.000 Megawatt: „Solange die Vergütungspreise für die Photovoltaik noch deutlich über 20 Cent liegen, müssen wir aufpassen, dass wir mit der Gesamtvergütung nicht zu hoch kommen“, sagt er. Unter den Umweltpolitikern seiner Fraktion habe man sich aber darauf verständigt, zunächst den Sachstandsbericht zum EEG abzuwarten, bevor weitere Entscheidungen fallen: „Wir wollen eine Lösung in Übereinstimmung mit der Branche. Wir erwarten von ihr einen Vorschlag, wie wir die Ausgaben eingrenzen können, ohne die Technologie abzuwürgen.“ Das Gutachten zum EEG soll spätestens im April kommen. Der Solarbranche dürften erst einmal wieder Monate voller Diskussionen über ihre Förderung bevorstehen – die gezielte Veröffentlichung von Interna eingeschlossen.