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“Der größte Sprung in der Photovoltaik“

Solar Frontier ist in Deutschland wie aus dem Nichts aufgetaucht. Und dann gleich mit der Nachricht, dass Ihre Muttergesellschaft Showa Shell nächstes Jahr eine 900-Megawatt-Fabrik für CIGS-Dünnschichtmodule in Betrieb nehmen will. Seit wann gibt es Sie wirklich?

Solar Frontier war schon länger die Vertriebsmarke in Asien mit Showa Shell Solar als Konzernmutter. Jetzt wollte man es dem Kunden einfacher machen. Deshalb hat man den Vertrieb im letzten Jahr vereinigt unter dem Brand Solar Frontier. Man hat sich jetzt darauf verständigt, global nur eine Marke nach vorne zu bringen.

Seit wann kann man Ihre Module in Deutschland kaufen?

Solar Frontier hat in den letzten zwei bis drei Jahren Module als OEM-gelabelte Produkte verkauft, also nicht unter dem Solar-Frontier-Label. Es gibt einige wenige Händler, die das bis dahin trotzdem schon getan haben. Also, wir sind nicht vollständig neu. Ganz neu ist, dass wir jetzt mit einer eigenen Vertriebsorganisation von München aus arbeiten.

Welche Produktionskapazität hat Ihre Konzernmutter Showa Shell bisher?

Wir haben mit dem kommerziellen Verkauf begonnen, nachdem wir über 15 Jahre in CIS- und CIGS-Technologie geforscht haben. Das war im Jahr 2007 mit einer ersten 20-Megawatt-Anlage in Japan. Im Jahr 2009 folgte dann eine zweite Anlage mit 60 Megawatt. Und für nächstes Jahr ist zusätzlich eine weitere Anlage mit 900 Megawatt Kapazität geplant. Wir installieren zurzeit die Produktionslinien, die Anfang 2011 in Betrieb gehen werden.

Das ist Ihre nominelle Kapazität. Wie viel haben Sie faktisch erreicht?

Es war bei dem stark wachsenden Markt überhaupt gar kein Problem, 80 Megawatt zu verkaufen.

Die Frage ist ja, ob die Produktion so gut funktioniert, dass Sie die volle Kapazität produzieren können. Das heißt, Sie haben es geschafft, 80 Megawatt zu produzieren?

Ja, richtig.

Welchen Modulwirkungsgrad erreichen Sie?

Momentan produzieren wir Module mit einem Wirkungsgrad von 10,7 Prozent. Im nächsten Jahr werden wir mit dem Modul, das Sie hier auch hinter uns sehen, einen Wirkungsgrad von bis zu 12,2 Prozent maximal haben. Maximal bezeichnet in diesem Fall die Module der höchsten Leistungsklasse. Wir werden den Wirkungsgrad mit der neuen 900-Megawattanlage bis 2014 bis auf 14 Prozent hochtreiben.

Wie wollen Sie das schaffen?

Die Art, wie wir die Produktionsanlagen betreiben müssen, und die chemischen Prozesse, die wir einsetzen müssen, um 14 Prozent zu erreichen, sind bereits in unserem Research-Center in Japan erprobt. Aber wir machen den größten Kapazitäts-sprung auch in der Geschichte der Photovoltaik. Da wir in einem Jahr mit dem Zubau von 900 Megawatt unsere Kapazität verzehnfachen, fangen wir mit einer konservativen Fahrweise dessen an, was wir erreichen können. Danach werden wir durch die Anlagenadjustierung auf die 14 Prozent gehen.

Das heißt, in der Entwicklung, im Entwicklungslabor, machen Sie schon die 14 Prozent?

Genau.

Nutzen Sie dabei Prozesse und Technologien, die in der Massenfertigung verwendbar sind?

Ja. Sie sprechen aber ein sehr wichtiges Thema an. Wie kann man einen Skalensprung von 80 Megawatt auf 900 Megawatt in einer Anlage in einem Jahr schaffen? Das ist nur möglich, wenn Sie nicht nur bei Prozessteilen Forschung betreiben,sondern auf der gesamten Prozesslinie. Deshalb läuft bereits seit einigen Jahren eine Produktionslinie in unserer Forschung und erzeugt schon diese Produkte.

Wie viel kann die im Prinzip produzieren? Zehn Megawatt vielleicht?

Die ist logischerweise in kleinerem Maßstab. Die Testanlage in Atsugi, Japan, ist nicht für die kommerzielle Produktion ausgerichtet.

Stellen Sie diese Linie dann 90-mal nebeneinander oder wie skalieren Sie?

Nein. Die neue Fabrik besteht aus drei Linien à 300 Megawatt. Sie werden zurzeit installiert und werden dann schrittweise nächstes Jahr in Betrieb gehen. Die neue Produktionslinie ist von der Technologie identisch, deswegen sind wir sehr sicher, dass wir die angepeilten hohen Wirkungsgrade erreichen werden.

Auch dieser Sprung von der Linie im Research-Center auf die 300-Megawatt-Linien ist sehr groß.

Der Sprung ist groß, wobei die eingesetzten Prozessparameter, die Prozessschritte und die Abfolge der Schritte in der großen Linie identisch mit denen in der Forschungslinie sind. Aus diesem Grunde ist das ein Sprung in der Skalierung, aber nicht in den Prozessschritten.

Viele CIGS-Hersteller haben ja das Problem, dass sie einige Module mit sehr hohem Wirkungsgrad herstellen können, aber in der Produktion eine breite Verteilung zu schlechteren Wirkungsgraden in Kauf nehmen müssen. Mit welcher Verteilung rechnen Sie?

Es wird verschiedene Leistungsklassen geben. Wir werden 130-, 140-, 145- und 150-Watt-Module haben. Das entspricht Wirkungsgraden zwischen 11,4 und 12,2 Prozent. Kernprodukt wird das 140-Watt-Modul sein. Die Verteilung ist aber erst dann klar,wenn wir die Anlage anfahren. Es ist aber auch wichtig, den Produktvorteil zu verstehen, der sich nicht nur in dem Wirkungsgrad widerspiegelt. Wir haben den Anspruch, das wirtschaftlichste und das ökologischste Produkt herzustellen. Wenn wir über Wirtschaftlichkeit sprechen, dann sagt der Wirkungsgrad nicht alles aus. Unsere Produkte haben zum Beispiel den sogenannten Light-Soaking-Effekt. Die Leistung geht in den ersten zwei Betriebstagen um circa acht bis zehn Prozent nach oben und steigt damit über den Nennwert des Moduls. Das heißt, der Kunde bekommt noch mal einen zusätzlichen Benefit.

Das heißt, Sie messen die Leistung Ihres Moduls, ohne es vorher ins Licht zu legen?

Richtig. Der Light-Soaking-Effekt ist also ein additioneller Kunden-Benefit.

Der Light-Soaking-Effekt bei CIGS ist ja bekannt. Gibt es in Bezug auf die Leistungsmessung eine Standardisierung, an die sich alle CIGS-Hersteller halten?

Ich kann natürlich nicht für unsere Wettbewerber sprechen. Aber Sie können sich vorstellen, dass wir bei einem Ausstoß von 20.000 Modulen pro Tag die Module nicht erst aufständern können, bevor wir die Leistung messen.

Garantieren Sie diesen Leistungszuwachs?

Nein. Da der genaue Leistungszuwachs von verschiedenen Faktoren wie dem Standort, der Einstrahlintensität und -dauer abhängt, geben wir keine Garantie, wie hoch dieser im Einzelnen genau ausfällt.

Müssen Installateure bei der Dimensionierung der Wechselrichter den Light-Soaking-Effekt beachten?

Selbstverständlich sollte die Kapazität der Wechselrichter den Light-Soaking-Effekt berücksichtigen.

Wie lange hält der Light-Soaking-Effekt an? Bleibt er über Nacht und im Winter bestehen?

Das ist ein Effekt, der bestehen bleibt. Sie haben wirklich einen achtprozentigen Anstieg. Wir haben die Leistung von Modulen über viele Jahre gemessen. Da sieht man diesen Effekt deutlich. Auch nach einigen Jahren fällt die Leistung dann nur sehr wenig ab. Daran erkennt man einen weiteren Vorteil gegenüber kristallinen Modulen. Die CIGS-Module fallen über 20 Jahre lediglich um 0,2 bis 0,5 Prozent per annum in ihrer Leistung ab, während es bei kristallinen Modulen zwischen 0,5 und 2,5 per annum sind. Unsere Wirkungsgrade sind also über Jahre stabil, was für die Wirtschaftlichkeit auch sehr wichtig ist. Unser Produkt hat einen weiteren Vorteil. Wenn im Winter Schnee auf den Modulen liegt, wird ein Teil verschattet. Bei unseren Modulen haben Sie einen wesentlich geringeren Einbruch in der Leistung als bei kristallinen Modulen.

Warum sind Ihre Module unempfindlicher gegenüber Teilverschattung?

Das liegt daran, wie bei der CIGS-Technologie die einzelnen Zellen im Modul verschaltet sind.

Zu einem überproportionalen Leistungseinbruch kommt es doch dann, wenn bei in Reihen geschalteten Zellen einige

verschattet und andere unverschattet sind. Sie haben doch auch eine monolithische Verschaltung, bei der die Zellen in Reihe geschaltet sind?

Ja. Aber wenn Sie den unteren Bereich in der Weise abdecken, wie das bei Schneefall geschieht, dann bleibt der gesamte obere Bereich noch voll leistungsfähig. Das liegt daran, dass bei den Dünnschichtzellen alle senkrechten langen Streifen einzelne Zellen sind. Wenn auf dem unteren Teil des Moduls Schnee liegt, verschattet er alle Zellen gleichermaßen. Dadurch geht nur so viel Leistung verloren, wie Fläche verloren geht.

Noch eine praktische Frage, die Installateure interessieren sollte. Haben Sie bei Ihren Modulen das Problem wie bei Silizium-Dünnschichtmodulen, dass sie korrodieren, wenn sie nicht am Minuspol geerdet werden?

CIS und unser Produkt haben das Korrosionsproblem nicht. Deshalb ist es nicht nötig, unsere Module speziell zu erden, und sie funktionieren auch mit allen trafolosen Wechselrichtern.

Sie haben gesagt, dass Sie ein sehr wirtschaftliches Produkt herstellen wollen. Welche Produktionskosten streben Sie in Ihrer 900-Megawatt-Fabrik an?

Wir sind zurzeit im Hochfahren der Anlage und geben zu der gegenwärtigen Kostensituation keine Auskunft. Wir rechnen mit einem großen Skaleneffekt. Der macht sich zum Beispiel auch bei der Energierücklaufzeit bemerkbar. Wir fahren die Linie mit einer Energierücklaufzeit von 1,1 Jahren an. Das ist ein sehr großer Vorteil gegenüber den zwei oder zweieinhalb Jahren, die Siliziummodule zurzeit haben. Die 1,1 Jahre bei uns gelten außerdem für die erste der drei Linien. Wenn wir die Linien zwei und drei dazuschalten, erreichen wir 0,9 Jahre. Wir reduzieren also die Energierücklaufzeit und damit die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit in der Herstellung enorm.

Noch mal zu den Kosten, auch wenn Sie keine Zahlen nennen wollen. Im Augenblick gelten als Benchmark die Produktionskosten von Cadmiumtellurid-Modulen. Kommen Sie darunter?

Lassen Sie mich das so formulieren. Wir haben in die neue Anlage eine Milliarde Dollar investiert, um ein wettbewerbsfähiges Produkt in den Markt zu bringen. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Insofern werden wir wettbewerbsfähig sein, was die Anforderungen der Märkte in den nächsten Jahren angeht.

Ihr Produkt soll ebenso ökologisch sein. Sie sind PV Cycle beigetreten, damit Ihre Module recycelt werden können. Welche Erfahrungen haben Sie bereits, und können Sie das seltene Indium aus Ihren Modulen wieder zurückgewinnen?

Wir haben zumindest den Vorteil, dass unsere Produkte kein Cadmium und kein Blei enthalten. Wir verzichten komplett auf Schwermetalle und unsere Recyclingproblematik ist dadurch etwas entspannter als bei einigen anderen Modulen. Nichtsdestotrotz tragen wir Verantwortung dafür, wie das Recycling von wertvollen Materialien gelingt. Und da haben Sie Recht, Indium und Gallium sind diejenigen Metalle, die es wert sind, wiedergewonnen zu werden. Aus diesem Grund sind wir zunächst PV Cycle beigetreten als erstem Schritt. Wir haben aber auch in Japan in Forschungsvorhaben schon entsprechende Beiträge geleistet.

Aber das heißt, Sie suchen nach einer Lösung, wie es geht. Noch gibt es keine Lösung, wie Sie das Indium und Gallium wiedergewinnen können?

Ich sage mal, die Technologie befindet sich in dem Stadium, dass es zu dem Zeitpunkt, wo es kommerziell auch entsprechend recycelt werden soll, dann auch gemacht werden kann.

Wann wird das sein?

Zu dem Zeitpunkt sage ich Ihnen jetzt nichts. Aber es ist nicht so, dass der Durchbruch in unerreichbarer Ferne ist.

Sie kommen ohne Cadmium aus. Was nehmen Sie stattdessen für die Pufferschicht, die bei CIGS-Dünnschicht nötig ist und bei vielen Herstellern aus Cadmiumsulfid besteht?

Wir nehmen Zinkoxid für die Pufferschicht.

Für welche Anwendungen sind Ihre Module am besten geeignet?

Wenn Sie unsere Module betrachten, stellen Sie fest, dass wir gute Differenzierungsmerkmale haben, um in allen Segmenten eine Rolle zu spielen. Durch unseren hohen Wirkungsgrad, der bis auf 14 Prozent bis 2014 ansteigt, sind sie hervorragend geeignet für den Residential-Bereich. Aufgrund der sehr wirtschaftlichen Herstellung sind sie für große Solarparks im Megawattbereich auch hervorragend geeignet. Sie werden uns in allen Segmenten finden.

Es ist ja nicht so einfach, Hausbesitzer mit kleinen Dächern von Dünnschichtmodulen zu überzeugen, da sie einen niedrigeren Wirkungsgrad haben als kristalline Module. Was sind Ihre Erfahrungen?

Wir haben in der Vergangenheit in Japan sehr stark den Residential-Markt bedient, wobei neben dem relativ hohen Wirkungsgrad auch die Ästhetik des Produktes, es sieht durchgängig schwarz aus, sehr geholfen hat.

Welches sind Ihre Zielmärkte?

Wir sehen Asien, Amerika und Europa. In Amerika konzentrieren wir uns erst auf die USA. In Asien im Wesentlichen auf Japan. Und in Europa haben wir die Kernmärkte im Blick, in denen jeder präsent sein muss, der eine wesentliche Rolle spielen will. In der ersten Ausbaustufe werden wir uns konzentrieren auf Deutschland, den mediterranen Raum hauptsächlich mit Italien, aber auch Spanien und Griechenland. In Frankreich und England planen wir erste Aktivitäten.

Das Gespräch führte Michael Fuhs.

Zitat

„Wir werden den Wirkungsgrad in zwei Jahren bis auf 14 Prozent hochtreiben.“

Finanzkräftiger Hintergrund

Solar Frontier ist eine 100-prozentige Tochter des Unternehmens Showa Shell Sekiyu, das wiederum zu 35 Prozent Royal Dutch Shell und zu 15 Prozent Saudi Aramco gehört. 50 Prozent gehören weiteren kleineren Investoren. Da die beiden Großaktionäre als sehr finanzstark gelten, ist verständlich, warum Showa Shell so schnell einen derart großen Sprung in seiner Produktionskapazität machen kann.

Zitat

„Wir haben in der Vergangenheit in Japan sehr stark den Residential-Markt bedient.“

Michael Fuhs

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