Herr Fell, Sie hatten in der Bundestagsdebatte zur Energiewende dem Bundesumweltminister vorgeworfen, zwar mit der Solarlobby zu verhandeln, selbst aber keine Konzepte vorzulegen. Wo liegt für Sie das Problem dabei?
Die Politik vertritt die Interessen des Allgemeinwohls. Sie sollte nicht mit Verbänden über Gesetze verhandeln. Gespräche sind das eine, Verhandeln ist etwas anderes. Verbände vertreten Partikularinteressen, die nicht immer gleichlautend sind mit dem Interesse des Gemeinwohls. Zudem hat der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) in den letzten Jahren bedauerlicherweise keine Vorschläge zur Regelung der EEG-Vergütung auf den Tisch gelegt, die die Herausforderungen des gesamten Ausbaus der erneuerbaren Energien angepackt hätten. Dies wird parteiübergreifend so gesehen.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die strukturellen Schwächen und Stärken bei der politischen Vertretung der Photovoltaik?
Die Vereinigung der Solarverbände war zunächst hilfreich, da die Vielzahl der Verbandsstimmen abgenommen hat. Zugleich ist der Verband aber immer handlungsunfähiger geworden, weil sich seine Mitglieder auf keine Strategie einigen können und oft mit eigenen unabgestimmten Vorschlägen auf die Politik zugehen. Die Solarwirtschaft wird als vielstimmiger, dissonanter Chor wahrgenommen und schwächt sich somit selbst. Ein Problem ist auch, dass die Solarbranche ihrer eigentlichen energiepolitischen Bedeutung nicht gerecht wird.
Welche wäre das?
Es kann nicht nur darum gehen, Module zu produzieren oder Solarstrom zu erzeugen. Das muss alles energiewirtschaftlich zusammenpassen. Die Energiewirtschaft muss rund um die fluktuierenden Energien Wind- und Solarenergie passend gemacht werden. Das wurde von der Solarwirtschaft bisher meist nicht als Aufgabe betrachtet oder dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) überlassen.
Kann der BEE dies leisten?
Der BEE wiederum ist personell total unterbesetzt. Er hat nicht einmal zehn Mitarbeiter und damit weniger Angestellte als die eine oder andere Lobbyvertretung einzelner Solarfirmen in Berlin. Auf jeden BEE-Mitarbeiter kommen mehr als drei Mitarbeiter im BSW-Solar und mehr als 30 Mitarbeiter im BDEW, der vor allem das Sprachrohr der konventionellen Energiewirtschaft ist. Zugleich darf der BEE sämtliche Angriffe gegen das EEG abwehren, die aktuell wieder laufen. Die Branche der erneuerbaren Energien insgesamt ist aktuell so aufgestellt wie eine Fußballmannschaft mit 7 Torhütern, 3 Verteidigern und einem Mittelfeldspieler. Wer soll da die Tore schießen?
Das macht die Atom- und Kohlewirtschaft völlig anders. Dort wird nicht um einzelne Firmeninteressen gekämpft, sondern gemeinsam für den Erhalt der konventionellen Energiewirtschaft, also gegen die erneuerbaren Energien.
Mangelt es aber nicht auch an guten Vorschlägen vonseiten der Solarwirtschaft?
Wir haben doch seit Jahren das Problem, dass aus der Solarwirtschaft viel zu viele Vorschläge kommen, die fast sämtlich nur Partikularinteressen dienen. Die Unternehmen, die sich auf Kleinanlagen spezialisiert haben, wollen, dass die Freiflächenanlagen geopfert werden, und die Unternehmen des Freiflächensegments wollen bei den kleinen Dachanlagen ran. Ja, es gibt sogar Kämpfe einzelner Techniksparten untereinander. Wir Politiker werden rauf und runter lobbyiert, ohne dass wirklich strategische Vorschläge geliefert werden. Zudem versucht man nur, möglichst viel vom Status quo über die jeweils laufende EEG-Novelle zu retten. Wenn das gelungen ist, erweist es sich als Pyrrhussieg, weil dadurch die nächste EEG-Novelle wieder initiiert wird. Der BSW-Solar hat viele Pyrrhussiege errungen, die insgesamt der Sache geschadet haben, weil sie den Gegnern der Photovoltaik in Union und FDP immer wieder neue Munition gaben. Im Bereich Industriepolitik muss derVerband seine Hausaufgaben noch machen. Wo bleiben da die Konzepte, wie die Politik die Branche gegen die internationale Konkurrenz, vor allem aus China, stärken kann?
Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Glaubwürdigkeit der Solarwirtschaft bestellt?
Die Akzeptanz der Bürger für den Ausbau der Solarstromerzeugung ist ungebrochen. Doch sie steht auf dem Spiel, da die Glaubwürdigkeit der Solarbranche in den letzten Jahren gelitten hat. Bei jeder EEG-Novelle bekommen die Abgeordneten Dutzende Schreiben mit unterschiedlichen Vorschlägen von den unterschiedlichsten Unternehmen auf den Tisch. Vor allem wird für den Erhalt der momentan gültigen Vergütungshöhe geworben, weil ansonsten der Solarmarkt zusammenbrechen würde. Das ist nie eingetreten, und dennoch gibt es diese Schreiben. Manche halten bis heute an dem Mantra fest, dass nicht stärker als fünf Prozent im Jahr gekürzt werden dürfe, egal wie stark die Modul- und Systempreise sinken. Und dann ist die Installation am Ende doch jedes Jahr wieder gestiegen. Ist es ein Wunder, dass solche Schreiben in der Politik nicht mehr ernst genommen werden? Wer glaubt der Lobby noch, wenn es mal wirklich brennt, wie bei den Vorschlägen der Deckelung der Photovoltaik, wie sie von Rösler und dem Wirtschaftsflügel der Union permanent vorgelegt werden?
Was hätte die Branche tun sollen?
Wieso hat die Branche nie gesagt, wir sind erfolgreicher mit der Kostensenkung als vor wenigen Jahren gedacht, wir können auch mal stärker mit der Vergütung runter? Hätte sie dies vor Jahren getan, sie hätte heute einen ganz anderen Stellenwert in der Politik und müsste sich nicht täglich um das EEG sorgen oder einen Deckel abwehren. Wieso stellen sich die Unternehmen heute nicht hin und sagen, dass sie die Mitnahmeeffekte aus der Marktprämie nicht wollen. Dass es ihnen peinlich ist, solche überhöhten Mitnahmeeffekte zu haben, ohne dass ein energiewirtschaftlicher Vorteil daraus entstünde? Wieso schlägt der Verband angesichts der erfreulichen Kostensenkungen nicht wenigstens vor, den Eigenverbrauchsbonus an Qualitätskriterien zu orientieren, wie den Einbau einer intelligent gesteuerten Batterie?
Wie sollte mit der Solarförderung weiter verfahren werden?
Das EEG muss erhalten bleiben, und eine Deckelung muss verhindert werden. Damit dies gelingen kann, müssen sich die Kostensenkungen parallel in Vergütungssenkungen widerspiegeln, sonst schnappt der Rösler-Deckel zu. Daneben brauchen wir mehr qualitative Komponenten. Solaranlagen sollten künftig, wo immer das sinnvoll ist, das Netz stärken und mit Speichern zusammenarbeiten. Die Solarförderung sollte das anreizen. Wir laufen jetzt in die Netzparität hinein, was dazu führt, dass sich bei Anlagen mit hohem Eigenverbrauch sehr schnell neue Wirtschaftlichkeitsaspekte ergeben. Auch das sollte berücksichtigt werden.
Sollte es ein Machtwort von Angela Merkel geben oder hat sie die Energiewende schon wieder zu den Akten gelegt?
Frau Merkel kümmert sich seit letzten Sommer nicht mehr um die Energiepolitik. Stattdessen lässt sie ihre Minister streiten. Wirtschaftsminister Rösler will die Energiewende nicht und versucht sogar, sich als Gegner der Energiewende zu profilieren, und Bundesumweltminister Röttgen legt keine Konzepte vor, die wirklich weiterhelfen.
Die Regierung will die Änderungen zur Photovoltaik dennoch möglichst schnell umsetzen. Glauben Sie, dass es realistisch ist, dass die Neuregelung bis zum 1. April verabschiedet ist?
Formal wird das so gehen, dass der Bundestag das Gesetz im März verabschiedet. Der Bundesrat tagt dann voraussichtlich erst im Mai. Es ist aber denkbar, dass das Gesetz dennoch rückwirkend zum 1. April in Kraft tritt. Das wäre dann so wie 2010, als das Gesetz rückwirkend zum 1. Juli in Kraft trat.