Die Solarzelle, die sich letztlich als interessant erwies für den praktischen Ingenieur, war das Ergebnis der Erforschung der möglichen elektronischen Anwendungsgebiete für Silizium, die in den frühen 1950er Jahren an den Bell Laboratories betrieben wurde. Die Bell-Wissenschaftler Calvin Fuller und Gerald Pearson leiteten die Pionierarbeit, den Siliziumtransistor, der heute als wichtigstes elektronisches Bauteil in allen Elektrogeräten enthalten ist, aus der Theorie in ein funktionstüchtiges Bauteil zu überführen. Pearson wurde von einem Bewunderer aus seinem Kollegenkreis als „wahrer Experimentator“ bezeichnet. Fuller, ein Chemiker, fand heraus, wie man die Einbringung der Fremdatome steuern kann, durch die Silizium vom schlechten zum hervorragenden elektrischen Leiter wird. Im Rahmen des Forschungsprogramms gab Fuller Pearson ein Siliziumstück, das eine geringe Menge an Gallium enthielt. Durch das Gallium erhielt das Silizium einige lose gebundene positive Ladungen, was zur Folge hatte, dass sich das Silizium positiv auflud.
Der entscheidende Übergang
Als Pearson Fullers Anweisung entsprechend den Stab in ein heißes Lithiumbad tauchte, nahm dieser dort, wo das Lithium eindrang, schwach gebundene Elektronen auf, und das Lithium-Silizium lud sich negativ auf. Wo sich das positive und das negative Silizium treffen, entsteht eine permanente elektrische Kraft – das ist der p-n-Übergang. In so aufbereitetem Silizium reicht ein geringes Maß an Energie von außen, das in Pearsons Experiment vom Licht einer Lampe stammte, um die schwach gebundenen Ladungen abzulenken. Der Forscher hatte unbeabsichtigterweise eine sehr gute Solarzelle geschaffen, indem er das positive Silizium nur mit einer dünnen negativen Siliziumschicht abdeckte. Weil der p-n-Übergang extrem flach war, konnten die ausreichend geladenen Photonen des Lampenlichts die Elektronen in der Nähe des Übergangs freisetzen. Seine elektrische Kraft schob die freigesetzten Elektronen zu den auf dem Silizium angebrachten Metallkontakten und fing sie so ein. Pearsons Strommessgerät war durch Drähte an die Kontakte angeschlossen und zeigte zur großen Überraschung des Wissenschaftlers ein beträchtliches Maß an elektrischem Strom an.
Während Fuller und Pearson sich an die Verbesserung der Transistoren machten, beschäftigte sich Darryl Chapin, ebenfalls ein Wissenschaftler bei Bell, mit der Aufgabe, wie netzferne feuchte Standorte mit kleinen Mengen intermittierender Energie versorgt werden können. In jedem anderen Klima sei die Trockenbatterie geeignet, aber „in den Tropen ist ihre Lebensdauer eventuell nicht lang genug“ aufgrund der feuchtigkeitsbedingten Degradation, erklärte Chapin, „und sie könnte bei voller Auslastung versagen“. Das Labor gab Chapin den Auftrag, alternative unabhängige Stromversorgungen zu erforschen, zum Beispiel Windmaschinen, thermoelektrische Generatoren und kleine Dampfmaschinen. Chapin schlug vor, Solarzellen in seine Untersuchungen einzubeziehen, und seine Vorgesetzten stimmten zu. Ende Februar 1953 begann Chapin mit seiner Photovoltaikforschung. Er legte eine handelsübliche Selenzelle in die Sonne und stellte fest, dass die Zelle 4,9 Watt pro Quadratmeter produzierte. Ihr Wirkungsgrad, der Anteil des Sonnenlichts, der in Elektrizität umgewandelt werden konnte, lag bei weniger als 0,5 Prozent.
Pearson erfuhr von Chapins Solarstromstudien und ihren traurigen Ergebnissen. Die beiden Wissenschaftler kannten sich seit Jahren. Sie hatten dieselbe Universität besucht, und Pearson hatte sogar Zeit auf der Tulpenfarm der Familie Chapin verbracht. So war es nur natürlich, dass Pearson Chapin von seinem kurz zuvor durchgeführten Experiment erzählte. Er riet Chapin: „Verschwende keine Minute mehr mit Selen“, und er gab ihm die Siliziumzelle, die er getestet hatte [D. Chapin, Brief an Robert Ford].
Chapins Tests unter guten Bedingungen bei starkem Sonnenlicht gaben Pearson Recht. Die Siliziumsolarzelle erreichte einen Wirkungsgrad von 2,3 Prozent, einen ungefähr fünfmal höheren als die Selenzelle. Chapin stellte seine Untersuchungen im Selenbereich sofort ein und wandte sich der Verbesserung der Siliziumsolarzelle zu.
Seine theoretischen Berechnungen der Möglichkeiten von Solarzellen waren ermutigend. Eine optimale Einheit, so errechnete er, könnte 23 Prozent der eingehenden Sonnenenergie in Elektrizität umwandeln. Als realistisches Ziel setzte sich der Wissenschaftler jedoch 5,7 Prozent für den Wirkungsgrad, ab dem die Zelle als brauchbare Stromquelle zu bezeichnen wäre. Doch trotz aller Versuche konnte Chapin die erste Zelle, die Pearson ihm gegeben hatte, nach Monaten harter Arbeit nicht verbessern.
„Das größte Problem“, so berichtete Chapin [D. Chapin, Progress Report], „scheint der Aufbau des elektrischen Kontakts zum Silizium zu sein“. „Es wäre schön, wenn wir Lötverbindungen direkt bis zum Silizium führen könnten“, erklärte er, „aber das ist nicht möglich“. Deshalb musste er einen Teil der negativen und positiven Siliziumschichten galvanisieren, um den von der Zelle erzeugten Strom nutzbar zu machen. Leider haftete keine der Metallplatten besonders gut, was ein scheinbar unüberwindliches Hindernis darstellte. Chapin musste sich auch mit der grundsätzlichen Instabilität von in Lithium gebadeten Solarzellen auseinandersetzen, da das Lithium bei Zimmertemperatur durch die Zelle wanderte. Diese Flüchtigkeit verschob die ursprüngliche Oberflächenposition des p-n-Übergangs tief in das Silizium hinein, wodurch das Sonnenlicht den Übergang schlechter durchdringen konnte, an dem die Elektronen geerntet werden.
Dichter ans Licht
Dann änderte eine inspirierte Vermutung seine Vorgehensweise. „Es scheint, dass wir unsere p-n-Grenze ganz nahe an die Oberfläche legen müssen, damit fast alle Photonen die Grenze erfolgreich aufladen“, entschied Chapin. Seine mangelhaften Fortschritte hatten sein Selbstbewusstsein jedoch so weit untergraben, dass er sich „für diese neue Idee etwas Ermutigung holen“ musste [D. Chapin, 03.06.1954, Buch Nr. 28161]. Chapin sprach unter anderem mit Russell Ohl, der die Siliziumforschung Anfang der 1940er Jahre eingeleitet hatte. Tatsächlich hatte Ohl schon Jahre vor Pearsons Entdeckung versucht, aus speziell aufbereitetem Silizium einen Konverter für Solarenergie zu machen, aber seine Zelle erzielte auch keinen besseren Wirkungsgrad als die Selenzellen. Als er sah, dass Ohl keine Antworten anzubieten hatte, wurde Chapin klar, dass er und seine Kollegen ihren eigenen Weg gehen mussten. Er wandte sich deshalb an Fuller. Dieser hatte zwei Jahre zuvor bei einem Versuch, einen Transistor zu entwickeln, einen p-n-Übergang geschaffen, der extrem nahe an der Oberfläche lag – genau so, wie Chapin es im Sinn hatte. Anstatt das negative Silizium des Transistors mit Lithium zu gewinnen, so erklärte der Chemiker, habe er eine geringe Menge Phosphor auf das ansonsten positive Silizium aufgedampft. Fuller sagte, er würde ein paar Muster für Chapin machen. Der Wissenschaftler hoffte, dass „die dünne Schicht die kurzen Wellen der Sonne nutzbar machen würde“, und dass die Phosphorbeschichtung dauerhafter als das Lithium sein würde.
Chapin drückte die Daumen und hoffte, der neue Prozess würde auch bessere Kontakte ermöglichen.
Der anfängliche Optimismus verblasste aber schnell, als Chapin einen Monat später berichtete: „Nichts Außergewöhnliches ist produziert worden.“ Dann beschichtete Chapin eine Zelle mit mattem, durchsichtigem Plastik, aufgrund einer Vermutung, dass die Zellleistung auch beeinträchtigt wurde durch die glänzende Siliziumoberfläche, die einen beträchtlichen Anteil des Sonnenlichts reflektierte, anstatt es zu absorbieren und umzuwandeln. „Mit der Antireflexbeschichtung konnte Chapin bis zu 90 Prozent des einfallenden Sonnenlichts in die Zelle leiten“, erinnerte sich Pearson, wodurch er umgerechnet fast 41 Watt pro Quadratmeter produzieren konnte, weitaus mehr als Pearsons erste Zelle. Die beschichtete Zelle wandelte ungefähr vier Prozent des einfallenden Sonnenlichts in Strom um, was Chapins Ziel von 5,7 Prozent greifbarer machte. Weitere ähnlich behandelte Zellen verbesserten Pearsons ursprünglich erzielte Leistung. Diese Fortschritte gaben Chapin erneut Hoffnung, einen Stromgenerator mit Siliziumsolarzellen zu entwickeln, der es rechtfertigen würde, mehrere Zellen in Serie zu schalten. Er setzte daraufhin den Großteil seiner Zeit für dieses Ziel ein. Die Vier-Prozent-Grenze zu überwinden, schien jedoch unmöglich. Die Unmöglichkeit, gute Kontakte herzustellen, erschwerte weitere Erfolge.
Die atomare Solarzelle
Während Chapins Arbeit bei Bell ins Schwimmen geriet, meldete Bells Erzrivale RCA, seine Wissenschaftler hätten eine atombetriebene Siliziumzelle, die Atombatterie, erfunden. Es war die Zeit des amerikanischen „Atoms for Peace“-Programms, das sich für den weltweiten Einsatz von Atomkraft aussprach. Statt sonnenbetriebene Photonen verwendete es Photonen, die von Strontium-90 emittiert wurden, einem der tödlichsten Restbestandteile von Atommüll, um die Elektronen und Positivladungen zur Stromgewinnung in die Nähe des p-n-Übergangs abzulenken. Die RCA stellte ihre neue Erfindung im Rahmen einer dramatischen Präsentation bei Radio City in New York vor und erregte die Phantasie der Medien. David Sarnoff, der Gründer und Präsident der RCA und ursprünglich berühmt dafür, dass er die Welt als Telegraphist vom Untergang der Titanic in Kenntnis gesetzt hatte, setzte sich an die Tasten eines altmodischen, über die Atombatterie betriebenen Telegraphen und versendete die Nachricht ‚Atoms for Peace‘.
Die Atombatterie, erklärte die RCA, werde irgendwann Wohnungen, Autos und Lokomotiven durch den von Atomreaktoren erzeugten radioaktiven Abfall mit Strom versorgen. Die PR-Leute gingen jedoch nicht auf die Frage ein, warum während Sarnoffs Vorführung die Jalousien geschlossen werden mussten. Jahre später packte einer der leitenden Wissenschaftler aus: Hätte man das Siliziumgerät dem Sonnenlicht ausgesetzt, so wäre die Solarenergie stärker gewesen als die Energie des Strontium-90. Hätte man dann das Atomelement abgeschaltet, so hätte die Batterie nur mit Solarstrom weiter funktioniert. Der Direktor von RCA Laboratories gab seinen Wissenschaftlern ganz unmissverständlich die Anweisung, diese Täuschung zu billigen, und sagte: „Wen interessiert schon Solarenergie? Sehen Sie, was wir vor uns haben, ist eigentlich ein Umwandler für Atommüll. Das ist der Hauptpunkt, der bei der Öffentlichkeit, bei der Presse, in der Wissenschaft für Aufsehen sorgen wird.“
Recht hatte er! Die New York Times ließ sich ködern, bezeichnete David Sarnoffs Vorführung als „prophetisch“ und prophezeite, dass es angesichts der nun verfügbaren Atombatterie „theoretisch keinen Grund gibt, warum unsere Hörgeräte und Armbanduhren nicht schon jetzt ein ganzes Menschenleben lang funktionieren sollten“.
Aufgrund der erfolgreichen RCA-Publicity machte das Management bei Bell nun Druck auf die Solarzellenforscher. Zum Glück für die nervösen Bell-Manager ersann Fuller eine ganz neue Herstellungsmethode für Siliziumsolarzellen, die der Flaute von Chapin ein Ende bereiten sollte. Fuller schnitt das Silizium in lange, dünne Streifen, deren Maße an die von Chapins besten Zellen angelehnt waren. Dann stellte er die Konfiguration der Solarzelle auf den Kopf. Anstatt wie in allen vorherigen Experimenten mit positiv geladenem Silizium anzufangen, fügte Fuller nun als Erstes eine winzige Arsenmenge hinzu, wodurch das Silizium überschüssige Elektronen hatte. Danach wanderte das negativ geladene Silizium in den Hochofen, wo es mit Bor beschichtet wurde – und fertig war eine ganz neue Zelle.
Der kontrollierte Einsatz von Bor sorgte dafür, dass die ultradünne Zelloberfläche positiv geladen war und die p-n-Funktion sich sehr nahe an der Oberfläche befand. Zur großen allgemeinen Erleichterung war das Problem des guten Kontakts mit dem Silizium schnell gelöst. Mehrere Borproben wurden ebenfalls mit der von Chapin entwickelten Antireflexbeschichtung versehen.
Am ersten sonnigen Tag Anfang 1954 lieferten alle drei Zellen gute Ergebnisse. Eine von ihnen war jedoch besser als die anderen zwei und erreichte einen Wirkungsgrad von fast sechs Prozent – den Zielwert, den sich Chapin im Jahr zuvor gesetzt hatte. Sie war über fünfzigmal effizienter als die Selenzellen aus den 1930er Jahren, ein Schwellenwert, der nach Meinung der zeitgenössischen Ingenieure, wie zum Beispiel E. D. Wilson, überwunden werden musste, bevor die Photovoltaikzellen als elektrische Stromerzeuger in Betracht kämen. Chapin teilte erfreut mit, dass „der Borprozess wesentlich mehr gute Zellen erzeugt als der Phosphorprozess“. Chapin bezeichnete die Siliziumzellen nun zuversichtlich als „Energiephotozellen … die als primäre Stromquellen vorgesehen sind“. Chapin, Fuller und Pearson waren sich der Reproduzierbarkeit und des Erfolgs sicher und bauten nun eine Reihe von Energiephotozellen, mit denen sie auf einer Pressekonferenz einen kleinen Motor antrieben.
Durchbruch für die Sonnenenergie
Am 25. April 1954 präsentierten Manager von Bell der Öffentlichkeit stolz die „Bell-Solarbatterie“, bei der ein Modul aus Zellen ausschließlich mit Sonnenkraft ein über einen halben Meter großes Riesenrad antrieb. Am nächsten Tag präsentierten die Bell-Wissenschaftler ihre Erfindung beim Treffen der National Academy of Sciences in Washington, D. C. Dort demonstrierten sie dem renommierten Publikum den Betrieb eines Radios mit Solarstrom und übertrugen Stimmen und Musik. Die Presse notierte, dass „die elektrisch verbundenen Solarzellen von Bell pro Quadratyard fünfzig Watt Solarstrom erzeugten, während die kürzlich von der Radio Corporation of America vorgestellte Atomzelle über die gleiche Fläche nur ein Millionstel Watt produziert. Das neue Gerät von Bell liefert also fünfzig Millionen Mal so viel Strom wie das RCA-Gerät“ [Electrical World, 10.05.1954]. Ein an der Entwicklung der Atombatterie beteiligter Wissenschaftler pries Bells Meisterstück als wichtigen technologischen Durchbruch, vergleichbar mit dem Sprung „von der Propeller- zur Düsengeschwindigkeit in der Luftfahrt“ [Interview mit Joseph Loferski]. Die New York Times pflichtete dem bei und gab auf Seite eins bekannt, dass Chapin, Fuller und Pearson mit dem Bau der ersten Solarzelle, die brauchbare Strommengen erzeugen könne, „eine neue Ära eingeläutet haben könnten, die irgendwann zur Verwirklichung eines der meistgeliebten Menschheitsträume führt – zur Nutzung der fast unbegrenzt verfügbaren Sonnenenergie für die Zivilisation“ [New York Times, 26.04.1954].
Der nächste Teil unserer Serie berichtet von der Suche nach Anwendungen und erzählt, wie die Photovoltaik von der Luftfahrt gerettet wurde.