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Die nächste Revolution

Der Roboter zieht unweigerlich die Blicke der Besucher auf sich. Er nimmt ein noch unfertiges Solarmodul und bestückt es in schnellen, gezielten Bewegungen mit einem Alurahmen. Besuchern wird das gerne als der Höhepunkt der hochautomatisierten Modulfertigung vorgestellt, die der Modulhersteller Eging Photovoltaic Technology an seinem Produktionsstandort und seiner Zentrale in Jintan aufgebaut hat. Das ist rund 200 Kilometer westlich von Shanghai. Die Fertigung ist Teil einer Fabrik, die seit dem Sommer 2011 mono- und polykristalline Module mit einer Gesamtkapazität von 500 Megawatt im Jahr produziert und zeigt, wohin die Entwicklung auch in Fernost geht: zur Automatisierung.

Noch hat in China die manuelle Fertigung einen großen Anteil an der Produktion. Eging gehört zur ersten Gruppe chinesischer Photovoltaikhersteller, die auf eine hohe Automatisierung der Zell- und Modulfertigung gesetzt haben. Das Unternehmen ist vertikal integriert, hat eine Gesamtkapazität von einem Gigawatt und fertigt in Jintan nicht nur Module, sondern auch mono- und polykristalline Barren, Wafer und Zellen.

Bereits 2007, als in der Osthälfte des Fabrikgeländes die erste Produktion entstand, entschied sich das Unternehmen für eine Teilautomatisierung der Modulproduktion. Hauptbestandteil dieser ersten Automatisierungsrunde war der Tabbing- und Stringing-Prozess, bei dem normalerweise in China Heerscharen von Arbeitern erst die Verbinder auf die Solarzelle und dann die Solarzellen zu Strings zusammenlöten.

Nach dem automatisierten Löten tragen die Arbeiter in Jintan die ferti- gen Strings allerdings noch selbst zum noch vorwiegend manuell produzierenden Layup-Bereich, wo diese in eine Matrix zusammengelegt werden. Beim Layup erfolgt dann auch der Sandwich-Prozess, in dem die Zellebene von verschiedenenSchutzschichten umgeben wird, darunter das Modulglas auf der Vorderseite, EVA-Folien auf der Vorder- und Rückseite der Zellschicht und ganz hinten das Backsheet, um das Modul zu isolieren und vor dem Wetter zu schützen.

Hinter der Entscheidung zur Automatisierung stand Tietun Sun, stellvertretender General Manager bei Eging. Sun stieg 2006 nach einer Professur an der renommierten Jiaotong-Universität in Shanghai ein, in China eine Hochburg für Photovoltaikforschung und Entwicklung. Er schätzte es schon damals so ein, dass die Löhne in seinem Land nicht für immer niedrig bleiben würden, so dass sich die Automatisierung lohnt. Gleichzeitig steigert sie die Produktqualität (siehe photovoltaik 03/2011, Seite 58, „Knackpunkt Lötstelle“). Sun beschreibt die Modulproduktion im östlichen Fertigungsbereich als „halbautomatisiert“ im Gegensatz zur hochautomatisierten Produktion im neueren westlichen Bereich von 2011.

In der 2011 fertiggestellten Fabrik im westlichen Bereich ist die Produktion noch deutlich stärker automatisiert als in der östlichen. Dort sind außer dem Stringing- und Tabbing-Prozess auch die Glasbereitstellung, das Waschen des Glases, der Layup-Bereich und die Lamination automatisiert. Nach der Lamination laufen die Module durch weitere vollautomatisierte Produktionsschritte, in denen das Trimmen, Tapen, Rahmen, Krimpen, Flashen und Endverpacken der Module – in dieser Reihenfolge – erfolgt. Noch nicht automatisiert sind die Querverschaltung der Zellstrings in den Modulen und die Montage der Anschlussdosen. Der gesamte Fertigungsprozess dauert rund 90 Minuten.

Technik aus Deutschland

Die Automatisierungstechnik ist dabei globalisiert. Eging setzte schon bei der Teilautomatisierung der ersten Fabrik auf westliche Maschinenbauer. Einer der ersten Partner aus Deutschland war Teamtechnik aus Freiberg am Neckar. Das Unternehmen ist laut Teamtechnik-China-Geschäftsführer Lingxiang Xu in China Marktführer für kombinierte Tabber-Stringer-Anlagen und hat dort einen Marktanteil von circa 50 Prozent. Xu hat in den letzten zweieinhalb Jahren in China mit seinen 50 Mitarbeitern solche Anlagen mit einer Fertigungskapazität für Module mit über 6,5 Gigawatt Leistung verkauft. Im neuen, westlichen Produktionsteil in Jintan steht eine TT1200 von Teamtechnik. Sie kann pro Stunde 1.090 Solarzellen zu Strings verbinden. Ein Blick auf die Maschinen zeigt aber auch die Krux der Automatisierung: Der Fortschritt geht immer weiter. Nur ein Jahr nach Produktionsbeginn, auf der PVSEC Frankfurt, zeigte Teamtechnik eine neue Anlage, die bis zu 1.290 Zellen pro Stunde verarbeiten kann.

Auch um die Roboter im neuen Werk zu programmieren und die Automatisierung der neuen Fertigung zu realisieren, hat Eging eine Kooperation mit einem Anlagenhersteller aus Deutschland gestartet, und zwar mit Reis Robotics aus Freiburg. Das Unternehmen verkauft seit 2005 Automatisierungslösungen für die Solarproduktion.

Sind nun alle Fabriken, in denen die gleichen Maschinen laufen, gleich? Oder unterscheiden sich die Module der Hersteller? Eging-Manager Sun betont, dass er und seine Kollegen bei Planung und Einkauf der Produktionsanlagen nicht auf eine schlüsselfertige Lösung gesetzt haben. Sie hätten genug eigenes Solar-Know-how gehabt, da sie aus der Solarbranche gekommen seien. Lieferanten wie Teamtechnik wurden sorgfältig begutachtet und der Produktionsprozess wurden selbst „choreografiert“, von den Tabber-Stringer-Anlagen am Produktionsanfang bis zum Ende, wo die fertigen Module in Kisten verpackt werden.

Die Automatisierung einer Modulproduktion ist keine Standardaufgabe, sondern ein sehr kundenspezifischer Prozess, bei dem alle Beteiligten gefordert sind, Produktionskosten zu senken und gleichzeitig eine hohe und konstante Produktqualität zu gewährleisten. Es sieht so aus, als ob die Beteiligten in Jintan erfolgreich waren. Diverse Besuchergruppen haben die Fertigung besichtigt, darunter eine Gruppe Spezialisten des neuen REC-Werks in Singapur. „Die Automatisierung der Modulfertigung bei Eging ist aus unserer Sicht die modernste Technik weltweit“, sagt auch Xu von Teamtechnik.

Bald ein Wettbewerbsvorteil

Das könnte sich bald als Wettbewerbsvorteil erweisen. Auch in China sind Niedriglöhne in der Produktion bald Vergangenheit. „Die Einkindpolitik der letzten 30 Jahre hat eine Knappheit der Werktätigen hervorgerufen; die Nachfrage nach Arbeitern ist so gewaltig, dass Arbeitgeber Gehaltserhöhungen von über 15 Prozent im Jahr in Kauf nehmen müssen“, schreibt etwa die Financial Times und nennt die dortige Automatisierung gar eine „neue industrielle Revolution“.

Diese neue industrielle Revolution hilft nicht nur, trotz steigender Löhne wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig sind Unternehmen dadurch in der Lage, auch empfindliche Prozesse in der Elektronik- und Photovoltaikindustrie zu meistern. Was die Qualität betrifft, hält Steffen Günther, Leiter des Solarvertriebs bei Reis Robotics ,vor allem die Automatisierung der Modulproduktion vor der Laminierung für sinnvoll, „da nach der Laminierung nicht mehr sehr viel mit dem Solarmodul passieren kann.“ So sei es etwa nicht entscheidend, ob die Anschlussdosen wie bei Eging noch manuell angebracht werden oder automatisiert.

Eckhart K. Gouras

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