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Die Stunde der Bürokraten

In der allgemeinen Aufregung über die ambitionslosen Reformpläne der Bundesregierung droht die schleichende Abschaffung eines wichtigen Grundpfeilers des EEG unterzugehen: Der neue Paragraf 2 Absatz 5 EEG erklärt die Ermittlung der Förderhöhe über Ausschreibungen anstelle von Einspeisevergütung und Marktprämie zu einem wesentlichen Grundsatz. Die Förderung für Photovoltaikanlagen auf Freiflächen soll nur noch über Ausschreibungen ermittelt werden, und zwar nicht nur die Förderhöhe, sondern die Voraussetzungen der Förderung insgesamt. Einzelheiten soll eine Rechtsverordnung regeln.

Systemwechsel im Kleingedruckten

Ab 2017 soll die Förderung aller erneuerbaren Energien über Ausschreibungen ermittelt werden, falls die Erfahrungen mit Freiflächenanlagen positiv ausfallen. Die ausgeschriebenen Leistungen von jährlich 400 Megawatt werden auf den Zielkorridor des gesamten Photovoltaikzubaus angerechnet. Die Betreiber von Dachphotovoltaik- und anderen EEG-Anlagen werden also mit Spannung den Bericht der Bundesregierung erwarten, den diese dem Bundestag nach Auswertung der Erfahrungen vorzulegen hat.

Die Bundesregierung begründet den Systemwechsel in ihrem Referentenentwurf vom 31. März 2014 vor allem mit der gewollten wettbewerblichen Ermittlung der Förderhöhen (Seite 34). Die Pilotausschreibung beziehe sich mit Freiflächenanlagen auf eine Technologie, die besonders für einen schnellen Start von Ausschreibungen geeignet sei und im Vergleich mit anderen Technologien relativ kurze Planungs- und Genehmigungszeiträume mit vergleichsweise geringen Investitionen im Planungsprozess aufweise. Ziel ist nach der Begründung zum Referentenentwurf zudem, die Förderkosten für erneuerbare Energien zu senken und eine feste Begrenzung des Ausbaus zu ermöglichen (Seite 95).

Bürger werden ausgebootet

Bei der Umstellung auf Ausschreibungen sollen die hohe Bürgerbeteiligung gemäß Paragraf 2 Absatz 5 Satz 3 EEG erhalten bleiben. Insbesondere die Belange von Energiegenossenschaften und Bürgerprojekten sollen berücksichtigt werden (Seite 34), etwa durch ein separates Teillos „Bürgersolarparks“ (Seite 129).

Während für Offshore-Windenergieanlagen großzügige Ausnahmen gewährt werden, stellt Paragraf 98 Nr. 2 EEG klar, dass diese für Freiflächenanlagen nicht gelten sollen. Stattdessen enthält Paragraf 53 Absatz 3 EEG eine eigenständige Übergangsbestimmung. Demnach endet die finanzielle Förderung gemäß EEG für neue Freiflächenanlagen sechs Monate nach der erstmaligen öffentlichen Bekanntmachung eines Ausschreibungsverfahrens. Diese Frist gewährt die Bundesregierung Anlagenbetreibern aus Gründen des Vertrauensschutzes in ihre Investitionen (Begründung, Seite 98). Photovoltaikanlagen, die bereits eine Förderung nach dem EEG erhalten, können nicht mehr an einer Ausschreibung teilnehmen.

Details der neuen Regelung

Nach Paragraf 5 Nr. 3 EEG ist eine Ausschreibung ein „objektives, transparentes, diskriminierungsfreies und wettbewerbliches Verfahren zur Bestimmung der Höhe der finanziellen Förderung“. Allein diese Definition könnte Streit provozieren. Denn die Bundesregierung will nicht bloß die Höhe der Förderung regeln, sondern auch die Förderberechtigten und weitere wichtige Fragen. Nach der Begründung der Definition ist der Begriff der „Ausschreibungen“ weiter gefasst als derselbe Begriff im Vergaberecht (Referentenentwurf, Seite 37), sodass Rückschlüsse aus der umfangreichen Rechtsprechung und Literatur zum Vergaberecht mit Vorsicht zu genießen sind.

Zuständig für das Ausschreibungsverfahren ist die Bundesnetzagentur, solange die Bundesregierung keine andere Stelle benennt (Paragraf 85 Absatz 2 Satz 2 EEG). Die Bundesnetzagentur kann die Höhe der finanziellen Förderung für die erzeugte Strommenge oder aber für die installierte Leistung ermitteln und die Art der Förderung festlegen. Die Bundesregierung nennt in der Begründung ihres Referentenentwurfs als Beispiel die gleitende und die feste Marktprämie in Anlehnung an die entsprechenden Vorgaben im EEG zur Direktvermarktung.

Hier zeigt sich, dass es der Bundesregierung anscheinend weniger um eine Absenkung der Vergütung selbst geht. Denn bei dem Ausschreibungsverfahren dürften sich kaum geringere Förderhöhen ergeben als im Rahmen der derzeit geltenden Marktprämie. Vielmehr soll vor allem der Ausbau begrenzt werden. Dies stellt sie in der Begründung ausdrücklich klar (Seite 95).

Nach Paragraf 53 Absatz 2 EEG besteht ein Anspruch auf finanzielle Förderung nur noch, wenn der Anlagenbetreiber über eine Förderberechtigung verfügt. Diese muss im Rahmen einer Ausschreibung durch Zuschlag vergeben worden sein. Zudem muss ein Bebauungsplan bestehen, der zumindest auch zum Zweck der Solarstromerzeugung aufgestellt wurde. Im Gegensatz zum geltenden EEG werden Freiflächenanlagen auf planfestgestellten Flächen nicht umfasst, denn die Errichtung von Anlagen im Bereich von Planfeststellungsbeschlüssen erfordert keinen Bebauungsplan.

Eigenverbrauch nicht möglich

Dieses Versäumnis sollte der Gesetzgeber beseitigen, denn es besteht kein Grund für eine Herausnahme dieser Flächen. Der Strom darf zudem nicht selbst verbraucht, sondern muss vollständig eingespeist werden. Paragraf 53 Absatz 2 Nr. 4 EEG stellt klar, dass auch die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des EEG erfüllt sein müssen – mit Ausnahme derjenigen des Paragrafen 49 Absatz 1 EEG, also der Flächenkriterien (Konversionsflächen etc.).

Demnach könnten Freiflächenanlagen wieder auf Ackerflächen und sonstigen Freiflächen errichtet werden, die zuvor von der Förderung ausgenommen waren. Die Bundesregierung begründet diese Änderung nicht.

Verstoß gegen den Rechtsstaat

Allerdings betont sie in der Begründung zu Paragraf 85 EEG, Flächenkriterien könnten durch die kommende Rechtsverordnung geregelt werden (Seite 129). Aufgrund des Ausschlusses des Parlaments ist dies höchst fragwürdig.

Die Bundesregierung möchte wesentliche Rahmenbedingungen der künftigen Förderung der erneuerbaren Energien ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat regeln. Sie rechnet ausweislich der Begründung zum Referentenentwurf (Seite 128) angesichts der fehlenden Erfahrungen selbst damit, dass die Ausschreibungsbedingungen regelmäßig und auch kurzfristig angepasst werden. Dies ist höchst problematisch, weil die Investitionssicherheit leidet. Vor allem aber scheint sich die Bundesregierung der offenbar lästigen Einmischung durch Parlament und Bundesländer entledigen zu wollen: Die Aufnahme wesentlicher Details in die Rechtsverordnung ist verfassungsrechtlich höchst fragwürdig.

Nach der sogenannten Wesentlichkeitstheorie müssen die grundlegenden Entscheidungen vom parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden. Sie dürfen nicht an die Verwaltung delegiert werden. Die Wesentlichkeit richtet sich danach, wie bedeutend, gewichtig, grundlegend, einschneidend, intensiv eine Regelung für den Bürger und die Allgemeinheit ist (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, Paragraf 6 Rz 11).

Abgeordnete werden Zaungäste

Die Bundesregierung versucht, dieses Problem zu verharmlosen. Wesentliche Regelungen seien bereits im Gesetz verankert. Der Spielraum der Exekutive beschränke sich auf Details eines Ausschreibungssystems.

Dies ist nicht zutreffend. Vielmehr soll die Rechtsverordnung zahlreiche wesentliche Förderbedingungen regeln. Dazu gehören zum Beispiel Flächenkategorien, die den Umwelt- und Naturschutz berücksichtigen (Begründung, Seite 129). Auch die Festlegung der jährlichen Ausschreibungsmengen ist keinesfalls unwesentlich. Zudem kann der Verordnungsgeber die zulässige Anlagengröße regeln, was für Investoren erhebliche Bedeutung hat und kein unwesentliches Detail der Ausschreibung darstellt.

Eine beunruhigende Idee

Ein Blick in den weiteren Katalog des Paragrafen 85 EEG zeigt, dass die Rechtsverordnung fast alles vorgeben kann, was bislang Regelungsgegenstand des vom Parlament erlassenen EEG war. Dazu gehören Anforderungen an die Netzintegration. Dem parlamentarischen Gesetzgeber verbleibt kaum ein relevanter Anwendungsbereich. Wird das Pilotvorhaben wie geplant in drei Jahren auf alle erneuerbaren Energien erweitert, kann die Bundesregierung künftig die Energiewende im Strombereich allein bestimmen.

Dies ist angesichts der aktuellen EEG-Novelle eine beunruhigende Vorstellung. Höchst problematisch ist auch die Regelung der Nr. 5. Danach können in der Rechtsverordnung die Rechte derjenigen beschnitten werden, die den Zuschlag nicht erhalten haben (Konkurrentenklage). Das verfassungsrechtliche Wesentlichkeitsprinzip wird durch Paragraf 85 Absatz 2 EEG weiter ausgehöhlt. Demnach kann der Verordnungsgeber die Bundesnetzagentur im weiten Umfang ermächtigen, Festlegungen zum Ausschreibungsverfahren zu treffen. Wesentliche Entscheidungen, die der Gesetzgeber zu treffen hat, werden zweifach delegiert.

Solarparks als Versuchskaninchen

Freiflächenanlagen dienen als „Versuchskaninchen“ zur Erprobung des Systemwechsels. Dies ist eine klare Benachteiligung gegenüber anderen Technologien. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern die Bundesregierung ihr Ziel einer möglichst breiten Akteursvielfalt umsetzt, ob wesentliche Strommengen tatsächlich ausgeschrieben werden. Denn dies dürfte nur auf Kosten höherer Preise machbar sein.

Um bei einer Ausschreibung den Zuschlag zu erhalten, muss ein Bieter die Preise für Module, Wechselrichter, Kabel, Mittelspannungstrafos und Arbeitskräfte möglichst reduzieren. Dies geht nur über große Mengen. Großkonzerne können durch viele Projekte große Mengen abnehmen. Gegenüber Genossenschaften werden sie im Vorteil sein.

Bieter müssen sich bei Ausschreibungen gegen das Risiko absichern, dass ihr Projekt nicht den Zuschlag erhält. Die hohen Transaktionskosten für die Teilnahme an einer Ausschreibung erschweren den Markteintritt für kleine und mittelständische Projektentwickler. So dürfte es ungeachtet der gut klingenden Absichtserklärung der Bundesregierung zu einer Marktkonzentration großer Teilnehmer kommen.

Erfahrungen mit Ausschreibungen in anderen Ländern zeigen, dass Großprojekte überregionaler Unternehmen dominieren, während Bürgerprojekte mit hoher Akzeptanz unterentwickelt bleiben. Gerade die dezentralen Strukturen mit vielen kleinen und mittelständischen Betrieben sorgen aber für die große Akzeptanz der erneuerbaren Energien in der Bevölkerung.

Alleingang der Beamten

Es ist zudem höchst bedenklich, dass die Bundesregierung wesentliche Bestimmungen der kompletten künftigen Förderung quasi im Alleingang vorgeben möchte.

Internationale Erfahrungen lassen überdies daran zweifeln, ob Ausschreibungsmodelle den Ausbau erneuerbarer Energien kostengünstiger als Einspeisevergütungen bewerkstelligen können. So machte die Türkei mit ausgeschriebenen Windenergieanlagen negative Erfahrungen. Von 25 zugesagten Gigawatt wurden nur drei Gigawatt verwirklicht.

Die Bundesregierung erkennt nicht, dass 35 bis 40 Prozent der Stromgestehungskosten von Freiflächenanlagen auf die Finanzierung zurückzuführen sind. Hierin liegt das größte Potenzial zur Senkung der Kosten. Ein Prozent weniger Finanzierungskosten bringt mehr als eine zehnprozentige Senkung der Modulkosten (Stefan Degener, First Solar, photovoltaik 04/2014, Seite 29). Ausschreibungsmodelle verteuern die Finanzierung, weil sich Banken gegen die höheren Risiken absichern. In anderen Ländern führten Ausschreibungen aufgrund von Risikoaufschlägen zu höheren Kosten gegenüber Festvergütungssystemen.

Hausgemachter Markteinbruch

Freiflächenanlagen werden dringend benötigt. Photovoltaik ist nach dem Verständnis der Bundesregierung ein entscheidender Baustein der Energiewende. Nach Ablauf der Amortisationszeit ist Sonnenstrom wegen der niedrigen Betriebskosten und fehlender Brennstoffkosten günstiger als jeder andere Strom. Zudem verringert die Photovoltaik die Kosten für Regelenergie erheblich, weil Lastspitzen am Mittag abgedeckt werden.

Schon die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen spiegeln diese Bedeutung nicht wider. Die extreme Absenkung der Vergütung führte zu einem dramatischen Einbruch der Zubauzahlen: So meldete die Bundesnetzagentur für Februar 2014 einen Rückgang von Neuinstallationen um 42,9 Prozent gegenüber dem Vormonat und 47,7 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres. Neuanlagen mit Inbetriebnahme im April 2014 erhalten nur noch eine Vergütung in Höhe von unter 9,19 Cent pro Kilowattstunde.

Dies sowie die Begrenzung auf zehn Megawatt haben zu einem Zusammenbruch des Freiflächensegments geführt. Der Bundesverband Solarwirtschaft äußerte jüngst die Befürchtung, dass bis zum Start dieses Piloten kein relevanter Freiflächenmarkt mehr bestehen werde. Bereits im vergangenen Jahr seien wichtige Marktakteure durch Insolvenzen aus dem Markt ausgetreten. Ausschreibungsverfahren könnten nur dann zu einer Belebung des Marktes führen, wenn die Förderung entsprechend attraktiv sei.

Lieferverträge für Strom anpassen

Dazu gehört, die Bedingungen für Stromlieferverträge (Power Purchase Agreement, PPA) zu gestalten, inbesondere die Vertragslaufzeiten. Derzeit dürfen Stromlieferverträge für höchstens zwei Jahre geschlossen werden. Dies wird mit der Furcht vor Knebelverträgen begründet, verhindert aber die Finanzierbarkeit von Freiflächenprojekten außerhalb des EEG.

Die kommende Rechtsverordnung sollte auf Flächenkriterien vollständig verzichten. Angesichts von rund 16 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in Deutschland können sich in Anbetracht der (viel zu) niedrigen jährlichen Zielkorridore keine nennenswerten Nutzungskonflikte ergeben, zumal Projektplaner angesichts niedrigerer Pachtpreise in der Regel auf kommunales und gewerbliches Brachland ausweichen dürften. Stattdessen könnte die Rechtsverordnung Kriterien für den regionalen Bedarf enthalten, insbesondere für die Elektromobilität. Freiflächenanlagen könnten wichtige Bausteine der Ladeinfrastruktur sein.

Im Rahmen der Erprobungsphase sollte zudem eine Förderung von Freiflächenanlagen nach allgemeinen Grundsätzen weiterhin erfolgen. Erhält ein Projektplaner künftig im Rahmen der Ausschreibung keinen Zuschlag, so erhält er nach dem derzeitigen Entwurf keinerlei Förderung. Dies ist gegenüber anderen erneuerbaren Energien schlicht ungerecht. Zumindest sollte die Ausfallvergütung des neuen EEG geltend gemacht werden können.

Die Autoren

Rechtsanwalt Michael Herrmann

Rechtsanwalt Dr. Thorsten Gottwald

sind auf erneuerbare Energien spezialisiert. Sie betreuen vielfältige Projekte juristisch, darunter auch Solarparks im In- und Ausland. Die beiden Anwälte sind in der Berliner Kanzlei Dr. Thorsten Gottwald Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig.

herrmann@dr-gottwald-berlin.de dr.gottwald@dr-gottwald-berlin.de

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