Valencia ist weit weg von Deutschland. Aber ein „Gespenst“ hat die deutschen Messeteilnehmer der EU PVSEC bis nach Spanien verfolgt. Immer wieder kommen die Gespräche auf ein Thema: Steht die Deckelung des deutschen Photovoltaikmarktes bevor? Die Kosten, die die Photovoltaik durch die EEG-Förderung verursacht, stehen stark im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Angriffe kommen von allen Seiten – von den Verbraucherschützern und den großen Energiekonzernen und neuerdings sogar aus der Windbranche (siehe Meldung Seite 8).
Die Bundesregierung hat dabei mit den zusätzlichen Kürzungen der Photovoltaikvergütung in diesem Jahr bereits einen ersten Schritt „zur stärkeren kosteneffi zienten Förderung“ unternommen, wie sie selbst in ihrem Entwurf zum Energiekonzept schreibt. Zum 1. Oktober sind die Einspeisetarife nochmals um drei Prozent gesenkt worden. Mit der EEG-Novelle ist zudem ein „atmender Deckel“ für die Photovoltaik etabliert worden. Die zum Jahreswechsel festgeschriebene Degression von neun Prozent erhöht sich, wenn die neu installierte Leistung mehr als 3.500 Megawatt im Jahr beträgt. Dieses „Element der Mengensteuerung“, wie es im Energiekonzept heißt, sei auch für andere erneuerbare Energien denkbar.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen von der CDU rechnet damit, dass in diesem Jahr in Deutschland insgesamt 6.000 Megawatt Photovoltaikleistung neu installiert werden. Dies wäre eine Steigerung des Wachstums um etwa zwei Drittel. 2009 waren insgesamt 3.800 Gigawatt Photovoltaikkapazität in Deutschland zugebaut worden. Bei dieser Größenordnung würde die zum Jahresende fällige Degression der Solarförderung um drei auf zwölf Prozent steigen. Die dann binnen Jahresfrist um bis zu 28 Prozent gesunkene Einspeisevergütung sorgt zusätzlich für Aufregung.
Schlimmer noch wäre aber eine Deckelung des Marktes. Diese hat bereits in einigen Ländern wie beispielsweise in Spanien vor zwei Jahren den Markt nahezu kollabieren lassen. Dennoch wird auch in anderen wichtigen europäischen Märkten wie Frankreich und Tschechien derzeit über eine Begrenzung des Zubaus debattiert. Italien hat den Deckel bereits für das kommende Jahr beschlossen.
Während sich die Solarbranche in Deutschland sorgt, blüht die Regierung beim Thema Energie gerade richtig auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft die „Revolution“ aus. Norbert Röttgen und Rainer Brüderle bauchpinseln sich in aller Öffentlichkeit gegenseitig. Worum geht es dabei? Die Bundesregierung hat zum einen gerade mit den Energiekonzernen eine Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke ausgehandelt. Zum anderen haben sich die Streithähne aus Umwelt- und Wirtschaftsressort auf einen gemeinsamen Entwurf für das Energiekonzept der Bundesregierung verständigt.
Kosteneffizienter Ausbau
Das Energiekonzept soll zeigen, wie Atomkraft als „Brücke“ ins Zeitalter der erneuerbaren Energien führt. „Neun Punkte für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“ – so der Untertitel des Entwurfs, auf den sich die Ministerien verständigt haben. Bezahlbar – ein Schlagwort, das die Regierung sehr ernst nimmt. Auch wenn die erneuerbaren Energien bis 2050 zur „tragenden Säule der Energieversorgung“ in Deutschland werden sollen, will die Bundesregierung dies nicht um jeden Preis. Der Ausbau müsse kosteneffizient erfolgen. „Vor diesem Hintergrund besteht das Ziel der Bundesregierung darin, einerseits die Ausbauziele für erneuerbare Energien zu realisieren und andererseits den Druck auf Innovationen und Kostensenkungen weiter zu verstärken“, heißt es im Entwurf des Energiekonzepts.
Grünen-Politiker Hans-Josef Fell hat sich die Mühe gemacht und die Ausbauziele der Bundesregierung bei den erneuerbaren Energien herausgearbeitet. Dabei wird deutlich, dass Berlin in seinem Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien, der jüngst an die EU-Kommission in Brüssel geschickt wurde, zwischen 2012 und 2030 von einem jährlichen Zuwachs von 3.500 Megawatt Photovoltaikleistung in Deutschland ausgeht. Beim nun vorgelegten Energiekonzept sieht dies allerdings schon wieder ganz anders aus. Die Bundesregierung rechnet in der Studie, die EWI, Prognos und GWS im Vorfeld anfertigten, gerade einmal mit einem Zubau von jährlich 1.680 Megawatt zwischen 2011 und 2020, wie Fell aufzeigt. Dies wäre ein Marktrückgang um rund 75 Prozent gegenüber diesem Jahr. In den Jahren nach 2020 soll das Photovoltaikwachstum noch weiter zurückgehen – zwischen 2041 und 2050 werden von den beauftragten Instituten gerade noch jährlich 200 Megawatt Zubau angenommen.
Auslaufmodell EEG?
Ein Blick in den Entwurf des Energiekonzepts erlaubt durchaus die Frage:
Wie lange wird das EEG noch Bestand haben? Die Bundesregierung hat jedenfalls bereits konkrete Änderungspläne formuliert. Es soll eine optionale Marktprämie eingeführt und die Ausgleichsmechanismusverordnung weiterentwickelt werden. Damit will die Bundesregierung eine stärker bedarfsgerechte Erzeugung und Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen fördern. Außerdem sei es das Ziel, eine bessere Markt- und Systemintegration zu erreichen, ohne die EEG-Umlage zu erhöhen.
Als ob dies noch nicht drastisch genug für die Solarbranche wäre, hält sich beharrlich das Gerücht, dass es in der Regierungskoalition Stimmen für eine Deckelung der Photovoltaik gibt. Auf Anfrage weist das Bundesumweltministerium Pläne für eine Begrenzung des Zubaus kategorisch zurück. Die Regierung habe im Zuge der zusätzlichen Kürzung der Solarförderung in diesem Jahr extra einen „atmenden Deckel“ eingeführt, sagt ein Sprecher. Damit werde flexibel auf den Photovoltaikzubau in Deutschland reagiert.
Andere Stimmen aus der Union wollten jedoch eine künftige Deckelung des Solarmarkts nicht ausschließen. Im Zuge der Novellierung des EEG zum 1. Januar 2012 kämen alle erneuerbaren Energien wieder auf den Prüfstand und es würden alle Szenarien wieder diskutiert, sagte etwa der Thüringer CDU-Abgeordnete Christian Hirte.
Kommt er oder kommt er nicht?
Der energiepolitische Sprecher der CSU, Georg Nüßlein, schließt eine Deckelung vor der anstehenden EEG-Novelle zumindest aus. Er sieht im „atmenden Deckel“ ein gutes Mittel, um die Differenzkosten bei der Photovoltaik nicht über Gebühr steigen zu lassen. Andererseits müsse auch der Ausbau der Photovoltaik und die Entwicklung der Branche gesichert werden. „Von einem starren Deckel
halte ich wenig“, erklärt Nüßlein. Ähnlich ist die Haltung auch bei den Liberalen. Sie lehnen eine „weitergehende Deckelung“ des Marktes ab, wie der umweltpolitische Sprecher Michael Kauch bestätigt. Es sei davon auszugehen, dass sich spätestens 2012 der Zubau der Photovoltaik im festgelegten Zielkorridor von 3.000 bis 3.500 Megawatt halten werde. „Die vorhergesagte Explosion der EEG-Umlage im nächsten Jahr ist das Ergebnis versäumter Entscheidungen in der Vergangenheit“, sagt Kauch.
SPD und Grüne teilen hingegen die Sorgen, die in der Solarbranche bestehen. Dirk Becker, Berichterstatter für erneuerbare Energien der SPD, erklärt anlässlich der Entwürfe eines Energiekonzepts der Bundesregierung: „Gleichzeitig zielen die angekündigten Änderungen des EEG auf die Abschaffung dieses weltweit erfolgreichsten Instruments zur Förderung der erneuerbaren Energien.“ Es sei zu befürchten, dass unter dem Schlagwort „Kosteneffizienz“ das EEG in den kommenden Jahren ausgehöhlt und deformiert werde.
Der SPD-Berichterstatter kann vorerst nur mutmaßen, ob und wann eine Deckelung bevorstehen könnte. „Dafür lässt die Bundesregierung in ihrem Entwurf zum Energiekonzept zu vieles im Unklaren.“ Seiner Einschätzung nach könnte die EEG-Novelle 2012 tatsächlich zu einem entsprechenden Einschnitt führen. „Die beabsichtigte Mengenbegrenzung erneuerbaren Stroms ist faktisch die Umstellung der bisherigen Fördersystematik auf ein Quotensystem. Doch gerade Quotensysteme sind in anderen Ländern kläglich gescheitert“, sagte Becker weiter.
Die Gerüchte über eine Begrenzung des Zubaus erreichen auch immer wieder den Grünen-Umweltpolitiker Hans-Josef Fell. „Wir nehmen diese ernst“, erklärt er. „Die Folgen für den Markt wären katastrophal. Sie würde dazu führen, dass die Händler in den ersten Monaten nicht mehr von den Dächern runterkommen, den Rest des Jahres dann aber auf ihren Modulen sitzen bleiben“, beschreibt Fell ein mögliches Zukunftsszenario. „Eine Deckelung ist keine intelligente Antwort, sondern verschärft die Probleme.“ Zumal auch die Industrie wegen der neuen Unsicherheit Probleme bekommen könne, an neue Kredite zu gelangen. Ein Arbeitsplatzabbau in großem Umfang wäre die Folge, warnt Fell.
Datum der Inbetriebnahme | Anlage auf/an Gebäuden oder Lärmschutzwänden | |||
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bis 30 kW | 30 – 100 kW | 100 – 1.000 kW | ab 1.000 kW | |
30.06.2010 | 39,14 | 37,23 | 35,23 | 29,37 |
01.07.2010 | 34,05 | 32,39 | 30,65 | 25,55 |
01.10.2010 | 33,03 | 31,42 | 29,73 | 24,79 |
01.01.2011* | 29,07 | 27,65 | 26,16 | 21,82 |
Freiflächenanlagen | ||||
Konversions-flächen | Ackerflächen | sonstige Flächen | ||
30.06.2010 | 28,43 | 28,43 | 28,43 | |
01.07.2010 | 26,15 | entfällt | 25,02 | |
01.10.2010 | 25,37 | entfällt | 24,26 | |
01.01.2011* | 22,33 | entfällt | 21,35 | |
* Degression 12 Prozent bei 6.000 Megawatt Zubau |