Seltsame, verkehrte Welt: Gemäß des Grundgesetzes werden die Gesetze in diesem Land von den Abgeordneten des Bundestages gemacht, bei Landesgesetzes im Landtag. Doch schwarz-rote Koalition in Berlin hat diese Initiative komplett aufgegeben.
Aufgrund sehr bequemer Mehrheiten wird der Prozess vom Entwurf bis zum Beschluss neuer Gesetze beinahe vollständig an die Beamten in den zuständigen Ministerien abgegeben. So macht die Regierung die Gesetze nahezu im Alleingang. Unisono wird die Opposition überstimmt, an die Wand gedrückt, zum Schweigen gebracht.
Das läuft nicht so martialisch ab wie in Weißrussland, kommt im Prinzip auf Ähnliches hinaus: Stillstand und die Diktatur der Beamten. Drängende Probleme bleiben ungelöst. Die Parteien sind scheinbar nur damit befasst, ihre Pfründe zu sichern. Wer regiert eigentlich dieses Land? Parteitreue Hinterbänkler und Lobbyisten? Gab‘s schon mehrfach in der deutschen Geschichte, meist in existentiellen Krisen und Katastrophen – zuletzt vor drei Jahrzehnten in der DDR.
Parlamentarische Sitten sind verkommen
Das EEG ist nur ein Beispiel unter vielen. Das ist bei der Pflege so, bei dringenden Vorhaben zur Reform des Gesundheitswesens, bei der Bekämpfung der Armut oder bei wichtigen Weichenstellungen im Verkehrswesen. Das sogenannte „federführende Ministerium“ wird mit einem Gesetzentwurf beauftragt, der in der Regel bis zur Lesung in den Bundestag kaum Veränderungen erfährt. SPD und Union sind sich meistens einig und tun sich nicht weh.
Beim jüngsten Entwurf zur Novelle des EEG 2021 aus dem Hause von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich, wie sehr die parlamentarischen Sitten bereits verkommen sind. Seit Jahren versucht die (grüne) Opposition, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren. Mittlerweile fordert sogar die EU unter ihrer deutschen Cheflobbyistin Ursula van der Leyen (CDU) den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien, ebenso die deutsche Wirtschaft, sowie die Städte und Kommunen.
Doch das Bundeswirtschaftsministerium (Peter Altmaier, CDU), das Bundesverkehrsministerium (Andreas Scheuer, CSU) und das Bundesumweltministerium (Svenja Schulze, SPD) spielen Beamtenmikado; eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Dem Zusammenhalt in der Groko wird jede politische Aktivität untergeordnet. Heraus kommen nur noch faule Kompromisse, die sprichwörtlich zum Himmel stinken.
Beamte bringen erneut ein Bremsgesetz
Trotz der Klimadebatten haben Altmaiers Beamte die Chuzpe, erneut ein Bremsgesetz aufzulegen. Das hat mit mangelnder Sachkenntnis nix mehr zu tun. Das ist schlichtweg unverschämt. Wie viel Grad Klimaerwärmung, wie viele Großbrände und wie viel schrumpfende Gletscher brauchen diese Leute denn noch, um den Ernst der Lage zu begreifen?
Und schlecht steht es um die Demokratie in unserem Land: Dass den Verbänden und Ländern nur 72 Stunden Zeit gegeben wurde, um Stellung zum Entwurf zu nehmen, ist eine Riesensauerei. Dass die vielen Stellungnahmen, die im Prinzip faktisch alle die gleiche Kritik üben, einfach vom Tisch gewischt wurden, ist an Arroganz nicht zu überbieten.
Die Abstimmung der Ressorts innerhalb der Bundesregierung und die Beratungen im Kabinett haben nahezu nichts erbracht, nur marginale Änderungen: Das Pamphlet der Beamten wird nun als Regierungsentwurf im Bundestag behandelt.
Diese Arroganz, diese Selbstherrlichkeit
Ist das Demokratie? Diese Arroganz, die Selbstherrlichkeit sind die Zeichen einer Macht, die nicht mehr ausreichend in die Schranken gewiesen wird. Wenn nun die Abgeordneten des Bundestages nicht ordentlich auf den Putz hauen, wird das EEG 2021 als Solarbremse wirken.
Meine Forderung geht daher vor allem an die Sozialdemokraten und an die Abgeordneten der Unionsparteien: Wenn Demokratie wirklich funktioniert, ist jetzt der Augenblick gekommen, es zu beweisen! Abgeordnete machen Gesetze, nicht die Beamten in den Ministerien!
Der Entwurf vom Schwarzen Peter der Energiewende darf den Sprung nicht bis in den Bundesanzeiger schaffen. Er missachtet die Vorgaben der EU, treibt die Gängelung der Bürger auf die Spitze und ist überhaupt nicht angetan, die Klimakatastrophe abzuwenden. Wir brauchen einen Aufbruch, keinen Abbruch!
Wie zukunftsfähig ist die Demokratie?
Wenn die parlamentarischen Spielregeln im Angesicht einer globalen Katastrophe derart außer Kraft gesetzt werden, brauchen wir diese Demokratie nicht. Wir müssen uns entscheiden, ob sich die Beamten und Lobbyisten durchsetzen. Oder ob der Wille von Millionen Sonnenbürgern, von Unternehmern und Bürgermeistern in diesem Land in irgendeiner Weise relevant ist.
Das EEG 2021 – in seiner Bedeutung für die Energiewende der kommenden Jahre kaum zu unterschätzen – ist der Prüfstein, ob unsere Demokratie zukunftsfähig ist. Ob es künftig überhaupt noch Sinn macht, zur Wahlurne zu gehen. Ob es überhaupt noch Sinn macht, der politischen Kaste Millionen Euro hinterher zu werfen. Es könnte sich erweisen, dass dieser ganze Zirkus obsolet ist. Die einzige Frage, die sich dann noch stellt: Was kommt danach? Und wem gehört die Straße?