Politiker sprechen gerne von Freiheit und von Demokratie. Aber nicht Worte wiegen den Menschen, sondern Taten. Als ehemaligen DDR-Bürger erinnert mich die Große Koalition irgendwie an die ehemalige Einheitspartei in Ostberlin. Vor allem, wenn es um die Stromversorgung geht. Um unser Lieblingsthema, das EEG.
Beginnen wir mit Lenin. Seine Lieblingsformel zum Weg der kommunistischen Gesellschaft, sie lernte im Osten jedes Kind in der Schule. Simpel und einfach, denn sie lautete:
Kommunismus = Sowjetmacht + Elektrifizierung des ganzen Landes
Der Genosse Lenin wollte die Weiten Sibiriens und die Ballungszentren westlich des Urals mit Wasserkraft unter Strom setzen. Denn er brauchte Energie, möglichst billige Energie, um seine Heilsversprechen der „blühenden Landschaften“ – des Kommunismus – zu verwirklichen.
Später griff Helmut Kohl diesen Gedanken auf, wieder war von „blühenden Landschaften“ die Rede. Das war ein klarer Hinweis, welchen politischen Kurs die wiedervereinigte Bundesrepublik einschlagen würde: Den Weg des „demokratischen Zentralismus“, des Führungsprinzips, das der Genosse Lenin für die Bolschewiki entwickelt hatte, und das die Genossen Stalin und Mao später auf die gesamte östliche Hemisphäre ausweiteten.
Danke, Lenin; danke, Genosse Kohl!
Dank Euch, Genossen Lenin und Kohl. Oder etwa nicht? Beim EEG sind wir bereits so weit. Das kam mir neulich in den Sinn, als ich im Telefonat mit einem geschätzten Kollegen aus der Solarbranche zu einem Lachanfall animiert wurde. Denn der Kollege sagte:
„Irgendwie erinnert mich das Geschacher um die Energiewende an die Worte Lenins: Kommunismus = Sowjetmacht + Elektrifizierung des ganzen Landes“
Wir lachten gemeinsam. Hinterher ging mir die Sache nicht aus dem Kopf. Lenin hatte schon vor der Revolution erkannt, dass eine moderne Gesellschaft nicht ohne elektrischen Strom auskommt. Er hatte erkannt, dass der Wohlstand einer Nation von ihrer energetischen Basis abhängt. So weit, so richtig.
Deshalb erklärte er die Elektrifzierung Russlands – und später der Sowjetunion – als oberstes Ziel seiner Politik. Kraftwerke gabe es vor der Revolution nur in wenigen Städten im europäischen Teil Russlands. Nach dem Sieg der Roten entstanden gigantische Wasserkraftwerke in Sibirien – allesamt gebaut vom Staat. Privatwirtschaft war ja abgeschafft. Deshalb wurde der Gulag gegründet: Man brauchte Millionen Sklaven für die viehische Arbeit.
Doch die Wasserkraftwerke waren verdammt teuer. Neben gigantischen Dämmen und Turbinen brauchten sie gigantische Stromleitungen. Also wurden nach dem Krieg Atommeiler gebaut, näher an den Zentren des Verbrauchs. Sie brauchten gigantische Reaktoren, Turbinen und nicht ganz so gigantische Trassen. Nicht mehr ganz so teuer – bis Tschernobyl.
Im Osten: Schnee von gestern. In Deutschland: hochaktuell!
Wie die Sache im Osten ausging, ist bekannt und Schnee von gestern. Wenden wir uns also dem aktuelleren deutschen Heilsversprechen zu. Zwar ist auch Helmut Kohl verblichen, aber seine Jüngerinnen und Jünger – Kanzlerin und Minister der Groko – haben das Ruder in der Hand.
Und offenbar nix aus der Geschichte gelernt. Denn Lenin und seine Jünger (Stalin, Breschnew, Gorbatschow) scheiterten, weil ihre Sowjetmacht das oben genannte Prinzip des „demokratischen Zentralismus“ verkörperte – eine allgewaltige, ideologisch erstarrte Autokratie, die den Bürger lediglich als Untertanen für den staatlichen Ukas (russisch: Erlass) betrachtete.
Die Bürger als hörige Untertanen
Dass Wladimir Putin diese Politik bis heute fortsetzt, ist ihm kaum zu verübeln: Der frühere Offizier des KGB weiß es nicht besser. Dass die Groko in Berlin – Unionsparteien und SPD – in Lenins Fußstapfen tritt, lässt sich hingegen kaum entschuldigen. Denn seit der Magna Charta ist der freie Bürger im Westen das Rückgrat von Gesellschaft, Recht und Staat – oder doch nicht?
Bei der Energiewende beweisen die Groko und ihr Wirtschaftsminister, dass der selbstständig handelnde Bürger in ihrem Weltbild gleichfalls keinen Platz hat. Er ist lediglich Verfügungsmasse für die Erlasse und Verordnungen der Ministerialbeamten. Er hat zu schlucken, was die Beamtenhirne ausbrüten.
Doch wie heißt es im Grundgesetz aus dem Jahr 1948? Der Bürger ist der Souverän, und der Staat sein Diener.
Demokratischer Zentralismus für Deutschland, juhu!
Die Politiker und ihre Beamten in den Ministerien wollen den „demokratischen Zentralismus“ endlich in Deutschland einführen! Oder ihn am Leben erhalten, obwohl die DDR schon 30 Jahre Geschichte ist. Sie tun es nicht mit den Mitteln der Autokratie – wie Lenin und Stalin –, sondern mit Bürokratie. Mit Vorschriften, mit Paragrafen, mit Strafsteuern und immer neuen Hürden für den Eigenverbrauch.
Das Ergebnis ist das Gleiche, und ich finde, das sollte einmal lobend erwähnt werden: In der Energieversorgung haben wir faktisch russische Verhältnisse. Wir haben eine Handvoll omnipotenter Energiekonzerne (in Russland: Oligarchen), die mit unverhüllter politischer Rückendeckung aus dem Kreml, sorry: dem Kanzleramt, die Milliarden in den Hintern geschoben bekommen.
Einzig mit dem Ziel, den mündigen Bürger als Stromerzeuger außen vorzuhalten. Einzig mit dem Ziel, die Energiewende von unten zu verhindern.
Die Angst vor Machtverlust
Da geht wohl die Angst vor Machtverlust um. Denn die historische Erfahrung lehrt: Nehmen Bürgerinnen und Bürgern die Sache selbst in die Hand, brauchen sie den Staat nicht (mehr). Sie schaffen Autokraten (Sowjetunion) und Bürokraten (DDR) einfach ab.
Nur eine freie Gesellschaft kann ihre Probleme dauerhaft lösen, kann sich gesund und gerüstet für die Zukunft entwickeln. Je mehr Staat eine Gesellschaft aufbaut, desto weniger kommen die Bürger zum Zuge. Umso geringer sind die Spielräume, um die drängenden Probleme zu lösen: Ideologie knebelt die Menschen, sie füttert nur die Beamten.
Deutschland an der Scheide
An dieser Scheide stehen wir in Deutschland, stehen wir in der Energiewende. Die vorgeschlagene Reform des EEG 2021 ist der Versuch, die Energiekonzerne im Spiel zu halten – koste es, was es wolle.
Zum Beispiel die Ausschreibungen: Schon jetzt ist klar, dass sie nur großen Energieversorgern und finanzstarken Projektierern in die Hände spielen. Bürgerenergiegenossenschaften oder mittelständische Investoren haben aufgrund der bürokratischen Hürden kaum eine Chance. In der Windkraft ist der Zubau katastrophal, in der Photovoltaik ist die Bürgerbeteiligung beinahe unmöglich.
Obwohl die Ausschreibungen in der Photovoltaik regelmäßig und mehrfach überzeichnet sind, und obwohl Solarparks mittlerweile ohne EEG viel einfacher gebaut werden, sollen nun auch Dachanlagen ab 500 Kilowatt in das enge, uneffektive Korsett der Ausschreibungen gezwängt werden. Klartext: Was bisher nicht funktioniert, wird ausgeweitet! Klartext: Wer bremsen will, schreibt aus!
Die Diktatur der Bürokraten
Zweites Beispiel: Kleine und mittelständische Investoren werden bestraft, wenn sie Sonnenstrom für ihre eigenen Zwecke verwenden. Sie müssen die EEG-Umlage zahlen, anteilig oder voll.
Sie müssen Mehrwertsteuer auf den Strom zahlen, den sie NICHT aus dem Netz kaufen. Was für ein Irrsinn: Mehrwertsteuer für etwas, das man NICHT kauft! Das ist kein Witz, das gibt es nur im deutschen Steuerrecht, und nur für Sonnenstrom! In der EU einmalig, eine echte Innovation der deutschen Beamten!
Und: Die Selbstversorger müssen teure Messtechnik einbauen, auch wenn sie nichts einspeisen. Und so weiter. Mal unter uns: Die Diktatur der EEG-Bürokraten ist irgendwie kaum von Lenins „demokratischem Zentralismus“ zu unterscheiden.
Mieter sind ohne Rechte
Drittes Beispiel: Mieter sind nach wie vor ohne Rechte, was Sonnenstrom vom Dach des eigenen Hauses betrifft. Aber sie bezahlen die Energiewende, über die EEG-Umlage. Da wird schlechte Stimmung gemacht, da wird die Branche der erneuerbaren Energien zum neuen Klassenfeind stilisiert, um in der Gedankenwelt des Genossen Lenin zu bleiben.
Das mag „bürokratischer Zentralismus“ sein, aber keine Demokratie. Millionen Mieter werden von der Energiewende ausgeschlossen, dürfen die Früchte der technologischen Entwicklung nicht ernten. Wie lange soll das eigentlich noch so weiter gehen?
Dank Euch, Genossinnen und Genossen!
Wir wollen unseren historischen Exkurs beenden, obwohl ausreichend Stoff für ein ordentliches Konvolut vorhanden ist. Mensch Leute, dass im Westen nicht alles Gold ist, was glänzt, haben wir ja gewusst! Damals vor drei Jahrzehnten.
Aber dass die DDR durch die Hintertür wieder reinkommt, dass der Genosse Lenin weiterhin als Untoter durch die Lande spukt – unser Dank gilt Euch, Genossinnen und Genossen Merkel, Altmaier und Söder!