Die Kunden eines insolventen Großfachhändlers zu erwerben, ist das in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation der Branche nicht riskant?
René Médawar: Nein. Wir haben mit Phoenix Anfang 2013 und im Jahr 2012 mit einem kleineren Händler vergleichbare Vereinbarungen getroffen. Mit vielen der Installateure haben wir in der Zwischenzeit eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung aufgebaut. Allein im vergangenen Jahr haben sich insgesamt über 300 Installateure zu einer neuen Zusammenarbeit mit Energiebau entschlossen und unsere Leistungen in Anspruch genommen. Dadurch konnten wir unseren Marktanteil deutlich steigern. Jetzt freuen wir uns, den vielen bisherigen Donauer-Kunden die gute Betreuung und zuverlässige Belieferung zu bieten, die sie von Donauer kennen.
Wie geht es Energiebau derzeit?
René Médawar: Es geht uns gut. Das bedeutet natürlich nicht, dass es immer besonders komfortabel ist. Energiebau hat sich immer frühzeitig an veränderte Marktbedingungen angepasst und diese im Rahmen der Möglichkeiten aktiv mitgestaltet. Wir haben nach wie vor eine strategische Orientierung für das Unternehmen. Und die Photovoltaik kommt gerade inmitten der Gesellschaft an. Dazu braucht es entsprechende Strukturen und notwendige Standardisierungen. Da wollten wir schon immer hin, denn unser Ziel war nie, eine subventionierte Branche zu bleiben. Wir sind natürlich nicht erfreut über die Behinderungen aus der Politik. Aber in unserem Bereich bei Anlagengrößen unter 200 Kilowatt geht es gut weiter. Dieses Segment ist vom Anteil der Energieerzeugung ja eher marginal. Aus Sicht der Politik macht es ja mehr Arbeit als Strom und findet auch deshalb selbst bei Gegnern der Energiewende hohe Akzeptanz. Die Einschränkungen greifen ja eher bei den Großanlagen.
Wie hoch ist der Anteil der Anlagen unter 200 Kilowatt derzeit bei Neuinstallationen?
René Médawar: Ein bisschen mehr als 50 Prozent. Der Anteil ist steigend, und er wird wohl weiter steigen. Diese Anlagen belasten das Netz kaum und werden dort gebaut, wo der Strom verbraucht wird. Sie befinden sich meist in Ballungszentren, also dort, wo die Netze ohnehin stabil sind.
Werden die vielen kleinen Anlagen denn nicht vor allem in bayerischen oder baden-württembergischen Dörfern gebaut?
René Médawar: Nicht mehr. Diese vielen kleinen Anlagen werden zunehmend dort gebaut, wo es einen Hausbestand gibt, und das ist ja nicht nur im bayerischen Dorf. Der Hype dort lag ja vor allem an der Landwirtschaft. Und das hat dann abgestrahlt auf private Haushalte. Unser Kerngebiet, der rheinische Raum, ist die am dichtesten besiedelte Region in Europa, mit entsprechendem Verbrauch. Hier kommt ja die Photovoltaik im Grunde gerade erst an.
Wird die Photovoltaik im Rheinischen je ankommen? Es ist ja ein bisschen regnerisch hier.
René Médawar: In einigen Segmenten sind die Zubauzahlen mittlerweile höher als in Baden-Württemberg. Wenn das Klima der Grund wäre, irgendwo Photovoltaik zu betreiben oder nicht, dann müssten selbst die Bayern nach Brasilien ziehen. Entscheidend ist mittlerweile, dass der Strom, den ich mit meiner Anlage erzeuge, günstiger ist als die gekaufte Kilowattstunde aus der Steckdose. Es lohnt sich einfach.
Wie sieht Ihre Lage als Großhändler aus?
René Médawar: Seit Jahren schon sehen wir uns nicht mehr als reiner Händler, sondern als PV- Dienstleister. Und damit ist es unsere erste Aufgabe, dem Kunden jederzeit adäquate Lösungen für sein Geschäft zu liefern. Der Markt hat sich von einem Produkt- in einen Vertriebsmarkt gewandelt. Entsprechend haben wir unsere Präsenz in den Regionen deutlich verstärkt.
Wird der Großhändler in der Photovoltaikbranche irgendwann überflüssig?
René Médawar: Nein. Der Installateur braucht den Großhandel nicht nur, wenn die Versorgung schwierig wird. Er braucht ihn täglich für die sichere und kostengünstige Versorgung mit den aktuellen Produkten und Systemen sowie für zahlreiche Serviceleistungen, die sein Geschäft erleichtern und voranbringen. Der Großhändler muss aber seine Kernleistung dauernd verbessern und weiterentwickeln, sonst verliert er den Anschluss. Der Markt bleibt dynamisch.
Wenn Installateure den Großhandel umgehen, verhalten sie sich dann falsch?
René Médawar: Spotgeschäfte kann man den Akteuren, kurzfristig gesehen, nicht verdenken, und sie sind nachvollziehbar. Aber sie schwächen natürlich den Stammlieferanten. Es macht ihm die Weiterentwicklung der Services für seinen Kunden nicht leichter. Das eigentliche Problem liegt für den Installateur heute im sehr hohen Aufwand für die Akquise und in den sinkenden absoluten Margen durch die kleiner werdenden Anlagen. Einkaufsvorteile können dieses Problem etwas mildern, aber nicht lösen, diese Erkenntnis stellen wir bei unseren Kunden mittlerweile häufig fest.
Was würde denn helfen?
René Médawar: Ein Markt mit dauerhaftem Angebotsüberhang braucht professionelle Vertriebsstrukturen und die Erschließung neuer Kundengruppen. Bislang wurde die Branche eher von den großen Herstellern dominiert. Unsere Hauptaufgabe ist es, bestehende und neue Akteure zusammenzubringen, schnell leistungsfähige Vertriebsstrukturen aufzubauen und flächendeckend auszurollen. Wir machen das zusammen mit unseren Kunden. Das verstehen wir unter Innovation und „Kundenservice“.
Wie hoch ist bei Energiebau der Umsatz mit Systemleistungen und wie hoch als Großhändler?
René Médawar: Wir schreiben heute keine relevanten Rechnungen als Systemdienstleister. Wir berechnen dem Kunden heute noch die meisten unserer Systemdienstleistungen indirekt über die verkaufte „Hardware“, also entweder Komponenten oder Bausätze. Eine transparente Dienstleistungsmarge sehen wir erst im Rahmen einer integrierten Vertriebs- und Lieferkette, an der wir intensiv arbeiten. Auch hierbei beziehen wir unsere Kunden mit ein.
Vertrieb müsste aber auch die Unterstützung Ihrer B2B-Kunden beim Endkundenmarketing mit einschließen.
René Médawar: Genau darum geht es uns, und das tun wir bereits seit Jahren. Wir unterstützen unsere Kunden gezielt mit Aktionen und verkaufsfördernden Maßnahmen bei ihrem Endkundengeschäft. Außerdem bieten wir im Energiebau Forum diverse technische und vertriebliche Schulungen an.
Bearbeiten die Installateure ihre potenziellen Endkunden nicht ausreichend?
René Médawar: Der Installateur tut im Verkauf alles, was in seinen Möglichkeiten liegt. Aber der Endkunde ist durch die Negativkampagnen und die vielen Insolvenzen verunsichert und wartet mit der Kaufentscheidung oft ab. Der Installateur muss daher einen enormen Aufwand betreiben, um einen Auftrag zu generieren. Teilweise müssen sogar Verkäufer entlassen werden, und in einigen Fällen verkauft dann der Chef wieder selbst, wie vor zehn Jahren. Den reinen PV-Endkundenvertrieb kann man heute kaum profitabel gestalten. Es kommt hinzu, dass der Umstieg vom Verkauf der PV-Anlage als Finanzprodukt hin zum Verkauf der PV-Anlage für die Eigenstromproduktion den Verkaufsprozess komplexer gemacht hat.
So etwas gibt es doch schon als Komplettsystem im Baumarkt.
René Médawar: Der Kit im Baumarkt dient eher der Lead-Generierung und nicht so sehr dem direkten Verkauf. Die Bausätze verkaufen sich nicht von allein. Ohne eine vertriebliche und beratende Komponente geht es nicht.
Mario Haas: Baumarkt heißt ja nur: Präsenz. Das ist keine Verkaufsleistung. Sie finden im Baumarkt keinen Verkäufer, der die Anlage aktiv an den Kunden bringen kann. Das Personal reagiert nur auf Nachfrage und kann eine fachliche Beratung mit allen Aspekten kaum leisten. Wenn man überhaupt einen Mitarbeiter des Baumarkts antrifft.
René Médawar: Es ist eine echte Herausforderung, die Vielfalt der Speicherprodukte zusammen mit der möglichen Verbindung von Wärmepumpe und PV-Anlage in einen einfachen Verkaufsprozess zu übersetzen.
Wie sollte richtig an den Endkunden verkauft werden?
René Médawar: Wir möchten keine klugen Ratschläge erteilen. Es geht ja dem Installateur zunächst darum, in einer überschaubaren Zeit den einzelnen Kunden zur Kaufentscheidung zu führen. Das geben die Produkte teilweise noch nicht her, und auch die Verkaufskompetenz muss hierfür noch gesteigert werden.
Wie könnte der Endkundenverkauf effektiver gestaltet werden?
René Médawar: Ein wesentliches Element ist aus unserer Sicht die Marke. Einer der entsprechenden Partner, mit dem wir bereits seit 2012 zusammenarbeiten, ist zum Beispiel RWE. Gemeinsam mit unseren Fachpartnern nutzen wir die Markenbekanntheit und den breiten Endkundenzugang von RWE. Auf der anderen Seite nutzt RWE unsere PV-Kompetenz, unsere Organisation und unser bundesweites Partnernetzwerk zum Einstieg ins Solargeschäft.
Wenn RWE dem Endkunden sagt, hier kannst du Strom sparen, hat er ja schon den Fuß in der Tür.
René Médawar: Genau das ist Sinn und Zweck. RWE hat Zugriff auf einen großen, aktiven Kundenstamm und setzt auch ein Signal. Denn wenn sogar einer der großen Versorger jetzt in die PV einsteigt, geht selbst der konservative Verbraucher davon aus, dass er das Richtige tut und auf der sicheren Seite ist. Unsere Fachpartner und wir erreichen dadurch neue Kundengruppen. Unter anderem besteht unsere tägliche Aufgabe darin, die erzeugten Leads zu koordinieren und sie mit unserem Fachpartner in Aufträge zu verwandeln.
Können Sie das an einem weiteren Beispiel erläutern?
René Médawar: Ja. Die 50,2-Hertz-Umrüstung. Da bringen wir ständig den Endkunden und den Installateur so zusammen, dass alles pünktlich, ordnungsgemäß und reibungslos abläuft und am Ende auch abgerechnet wird. Das hilft auch dem Installateur sehr, weil er sich so auf seine Arbeit konzentrieren kann.
Mario Haas: Wir haben von verschiedenen Netzbetreibern Aufträge für zusammen mehr als 20.000 Umrüstungen erhalten. Mit unseren Fachpartnern organisieren wir diese vor Ort. Das heißt, wir besorgen unseren Kunden da auch schon Aufträge.
Wichtig sind aber auch die Endpreise. Wie werden sich die Systempreise künftig entwickeln?
Mario Haas: Die Preise für Module werden wohl relativ stabil bleiben. Bei den Wechselrichtern sieht es ähnlich aus. Aber durch neue Features wie zum Beispiel den Home Manager bei SMA wird neuer Mehrwert geschaffen.
René Médawar: Bei den Systemkomponenten gibt es nicht mehr so viel Einsparpotenzial wie in den vergangenen Jahren. Wir sehen das größte Einsparpotenzial im Gesamtaufwand für alle Leistungen bis hin zur fertigen Installation. In der Organisation der Wertschöpfungskette sehen wir tatsächlich ein Potenzial von 20 bis 30 Prozent.
20 bis 30 Prozent Effizienzsteigerung, das wären enorme Reserven.
René Médawar: Ja. Wir sehen große Vorteile in einer integrierten Vertriebs- und Lieferkette. Sie ist für uns die Lösung der aktuellen Probleme, was Kosten und Markterfolg angeht. Andere Branchen organisieren sich längst so. Davon kann die Solarbranche einiges lernen. Es geht dabei zum Beispiel auch darum, wie man eine langfristige Kundenbeziehung aufbaut und ständig weiterentwickelt. Der Installateur wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Die Zeit ist reif für neue Partnerschaften im Vertrieb. Alle Seiten profitieren davon. Wir haben da keine Berührungsängste.
Von welchen Branchen kann die Photovoltaik am meisten lernen?
René Médawar: Eine davon ist sicher die IT-Branche. Sie hat ähnlich lange Transportwege und ebenfalls einen ähnlich kontinuierlichen Preisverfall. Wenn beispielsweise ein Fernseher für 100 Euro aus Asien losfährt, ist er bei der Ankunft in Europa noch 90 Euro wert und wird im Elektronikfachmarkt dann für 80 Euro verkauft. Trotzdem macht jeder in der Kette noch ein wenig Gewinn. In unserer Branche machen die Akteure Verlust.
Was macht die IT-Branche anders?
Mario Haas: Dort gibt es eine optimierte, verzahnte Lieferkette, die an jeder Stelle transparent ist, Überkapazitäten und Spekulationskäufe vermeidet. Niemand sitzt auf der Ware, und niemand kann auf diese Weise versuchen, mehr rauszuhandeln.
René Médawar: Die eigentliche Marge für das Produkt bleibt im Grunde beim Hersteller. Alles andere sind Dienstleistungen. Jede Dienstleistung hat einen Preis, der vorher verhandelt wurde. In unserem Geschäft kann Effizienz nur durch optimierte Prozesse und bestimmte Standardisierungen entstehen. Eigenverbrauchsanlagen sind ein guter Einstieg. Im Privatbereich macht es meist keinen Sinn mehr, den letzten Winkel des Daches aufwendig zu belegen und entsprechend zu planen. Kriterien sind jetzt der Verbrauch im Haus oder die gewünschte Speicherkapazität.
Das Gespräch führte William Vorsatz.
René Médawar
ist Co-Geschäftsführer bei der Energiebau Solarstromsysteme GmbH. Er verantwortet das Distributionsgeschäft sowie die europäischen Tochtergesellschaften. Zuvor baute er den Vertrieb aus und war Vertriebsleiter für Deutschland.
Mario Haas
leitet das Produktmanagement und den Einkauf bei der Energiebau Solarstromsysteme GmbH. Zuvor war er Projektleiter bei Hewlett Packard und Inhouse Consultant sowie Manager bei Infineon.
Lead-generierung
Vom Kontakt zum Kunden
Als Lead, zu Deutsch: Datensatz, wird ein potenzieller Kunde bezeichnet, der Kontaktadresse und weitere Details über sich freiwillig herausgibt, weil er sich für ein Produkt oder Unternehmen interessiert. Gute Leads zu generieren ist für das Marketing sehr wichtig, weil sich so ein Dialog zum Interessenten aufbauen lässt, an dessen Ende er vielleicht als Neukunde gewonnen werden kann.
Fullfillment
Rundum-sorglos-Logistik
Nach dem Abschluss eines Vertrages muss die zugesagte Leistung erbracht werden. Die vorgehaltene Ware wird kommissioniert, verpackt, frankiert, dazu eine Rechnung gestellt, eventuell gemahnt, weitere Service-Dienstleistungen können angeboten werden. Solche Leistungen werden oft von speziellen Dienstleistern ausgeführt, meist Logistikunternehmen.
Energiebau
Großhandel und mehr
Als einer der führenden europäischen PV-Großhändler bietet die Energiebau Solarstromsysteme GmbH vielfältige Lösungen und Produkte, um Sonnenstrom zu produzieren, zu managen und zu speichern. Das 1983 gegründete Unternehmen greift auf 30 Jahre Erfahrung in der Solarbranche zurück. Hauptsitz ist Köln, Tochtergesellschaften gibt es in Europa, Afrika und Nordamerika. Als Distributor ist Energiebau das Bindeglied zwischen Solarindustrie und Handwerk. Energiebau unterstützt Planer, Investoren und Anlagenbetreiber mit Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das Unternehmen entwickelt im Auftrag weltweit netzgebundene Solarstromkraftwerke für Dach- und Freiflächen. Besonders auf dem afrikanischen Kontinent plant und errichtet Energiebau auch autarke Hybrid-Solarstromanlagen in netzfernen Gebieten.
energiebau.de (Link nicht mehr gültig)