Sachsens Verbände der erneuerbaren Energien haben sich in der heißen Phase des Landtagswahlkampfes mit einer Erklärung an die Bevölkerung gewandt. Damit wollen sie die Wähler über die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen der Braunkohleverstromung in Sachsen aufmerksam machen. Sie fordern ein stärkeres Engagement für die Energiewende.
Die sächsischen Verbände der erneuerbaren Energien fordern ihre Landesregierung auf, die Fixierung auf die Verstromung von Braunkohle aufzugeben und den Weg für regenerativen Strom ins Netz zu ebnen. „Die Nutzung erneuerbarer Energien ist die Antwort auf eine ökonomische, ökologische, zukunftsorientierte, nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung“, betonen die Verbände in ihrer gemeinsamen Erklärung. „Gleichzeitig dienen die erneuerbaren Energien dem umfassenden Klimaschutz. Die schwarz-gelbe Staatsregierung ist aufgerufen, die unsinnigen, und nur der Durchsetzung partikulärer politischer Interessen dienenden, Beschränkungen und Reglementierungen erneuerbarer Energien aufzugeben, Chancengleichheit zwischen den Stromerzeugungstechnologien herzustellen und ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung auch für zukünftige Generationen wahrzunehmen. Die alleinige Fokussierung auf die Verstromung der Braunkohle in Sachsen verhindert eine zukunftsorientierte und nachhaltige Energiepolitik, vernichtet Arbeitsplätze, unterbindet Forschung und Entwicklung neuer Technologien, zerstört in großem Maße unwiederbringlich Natur- und Landschaftsräume, bedingt die Verschwendung des wertvollen Rohstoffes Braunkohle und trägt durch die hohen Emissionen von Treibhausgasen zur globalen Erwärmung bei.“
Altlasten finanzieren die Steuerzahler
So sei die Verstromung von Braunkohle anders als von der Regierung in Dresden immer wieder betont, weder bedarfsgerecht noch kostengünstig und schon gar nicht sauber. „Die Verstromung der Braunkohle gehört zur klimaschädlichsten Art der Energieerzeugung“, kritisieren die Verbände. Immerhin stehen die sächsischen Braunkohlekraftwerke Boxberg und Lippendorf mit Platz fünf und sieben ganz vorn auf der Liste der schmutzigsten Kraftwerke Deutschlands. Zudem investierten Bund und Länder in den vergangenen 20 Jahren 9,2 Milliarden Euro allein in die Sanierung der ostdeutschen Braunkohletagebaue. Bis 2017 sind für die Finanzierung der ökologischen Altlasten im Rahmen der Braunkohlesanierung weitere 1,27 Milliarden Euro vorgesehen. Der Stromkunde merkt davon erst einmal nichts, da die Finanzierung nicht auf der Stromrechnung auftaucht, sondern über Steuermittel passiert. In den Jahren 2013 und 2014 müssen die sächsischen Steuerzahler etwa 47 Millionen Euro für die Altlastensanierung aufbringen.
Regenerativer Strom ist günstiger
Allein diese Summen widerlegen das Argument, Braunkohlestrom sei kostengünstig. Dazu kommt noch, dass die Braunkohle in zahlreichen alten und steuerlich abgeschriebenen Kraftwerke verbrannt wird. „Darüber hinaus liegt der Preis für CO2-Zertifikate, die die durch fossile Energieträger verursachten Umweltschäden eigentlich ausgleichen sollen, auf einem niedrigen, als Ramschniveau zu bezeichnenden, Stand“, kritisieren die Verbände. „Ein angemessener Preis für diese Zertifikate würde viele Braunkohlekraftwerke unrentabel machen.“ Dagegen ist regenerativer Strom längst kostengünstiger als Strom aus fossil-atomaren Energieträgern, wenn man die externen Kosten, die durch Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschäden entstehen, mit einpreisen würde. Die EEG-Umlage macht gerade zirka 20 Prozent des Strompreises aus und wird auf Dauer wieder sinken“, rechnen die Verbände vor. „Erneuerbare Energien kennen darüber hinaus keine weiteren verdeckten Kosten, ganz im Gegensatz zu der beispielsweise über Steuereinnahmen finanzierten Sanierung von Braunkohletagebauen.“
Netzausbau bewusst verschleppt
Auch die bedarfsgerechte Erzeugung von Braunkohlestrom ist für die Verbände kein Argument, sich ausschließlich auf diese Art der Stromerzeugung zu konzentrieren. „Das ist allein dem Umstand geschuldet, dass die Netzbetreiber über Jahre den Ausbau der Stromnetze bewusst vernachlässigt haben, um den erneuerbaren Energien den Marktzugang zu erschweren und gleichzeitig die eigenen Gewinne zu maximieren“, erklären die sächsischen Verbände.
Chancen für die Kommunen
Außerdem bedeutet die Energiewende für Sachsens Arbeitsmarkt und die Kommunen im Freistaat eine riesige Chance. Denn die dezentrale Erzeugungsstruktur führe zu einer Wertschöpfung vor Ort. Im Gegensatz dazu hat die Braunkohleverstromung kaum Effekte auf die regionale Wertschöpfung. Schon gar nicht in den Regionen Sachsens, die weit weg von den Braunkohletagebauen in der sächsischen Lausitz liegen. „Eine dezentrale bedarfsgerechte Stromerzeugung, die zum Beispiel von Energiegenossenschaften gesteuert und verwaltet wird, sorgt für eine Umverteilung der Gewinne und Steuern hin zu den Bürgern und Kommunen“, betonen die Branchenverbände. „Gerade für Regionen mit ländlichen Strukturen sind erneuerbare Energien eine Möglichkeit, in Zukunft wettbewerbsfähig und attraktiv zu bleiben oder sogar erst zu werden.“ Dazu kommt noch, dass im Bereich der erneuerbaren Energien in Sachsen gegenüber der Braunkohleverstromung mehr als das Dreifache der Arbeitskräfte beschäftigt sind. „Auch diesen Menschen gegenüber steht der Freistaat Sachsen in der Verantwortung, ihre Arbeitsplätze zu sichern und darüber hinaus neue zu schaffen“, fordern die Verbände. „Es ist erschreckend, mit welcher Offensichtlichkeit hier wirtschaftliche Einzelinteressen unter Verletzung der Chancengleichheit aller Stromerzeugungstechnologien vertreten werden“, resümiert Angela Markert, Präsidentin des Wasserkraftverbandes Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Der Freistaat Sachsen verschenkt damit ganz bewusst viel Potenzial an Investitionen und Entwicklung neuer Technologien, das in den erneuerbaren Energien steckt, und er nimmt seine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die zukünftigen Generationen nicht wahr. Einen Wirtschaftsstandort Braunkohle halte ich nicht für zukunftsfähig“, sagt sie. Die Erklärung „Energiewende in Sachsen – eine lohnenswerte Perspektive für uns alle“ haben neben dem Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt auch der Landesverband des Bundesverbandes Windenergie, der Deutsche Solarbetreiber Club, der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung, der Fachverband Biogas und die sächsische Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien in Dresden unterschrieben. Die Landtagswahl in Sachsen findet am 31. August dieses Jahres statt. (Sven Ullrich)