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Erfolgreich in der Krise

Ohne Licht gibt es keinen Schatten. Das zeigt auch ein Blick in die Solarbranche. Während viele Firmen unter Überkapazitäten und Preisverfall leiden, profitieren andere von der Situation. In einer Zeit allgemeiner Stagnation kommt es nicht selten vor, dass sich Nischen gegenläufig entwickeln. So ist es auch mit der solaren Dünnschichtsparte, die auf Zellen aus Kupfer, Indium und Selen (CIS) setzt und im Gegensatz zum kristallinen Markt expandiert. „Der Absatz von Indium an die CIS-Branche ist in den letzten vier bis fünf Jahren per annum zweistellig gewachsen“, freut sich William Jackson, Verkaufsleiter vom weltgrößten Indiumverarbeiter Indium Corp. „Die Photovoltaik ist mittlerweile das am stärksten expandierende Segment.“ Dieser Trend und zweistellige Zuwachsraten werden seiner Meinung nach anhalten. Beim US-Rohstoffspezialisten ist von einer Krise der Solarbranche deshalb nichts zu spüren, ebenso wenig wie beim Indiumkunden Global Solar Energy.

Die US-Firma – bisher allein in der Produktion von Zellen aktiv – hat kürzlich in Berlin eine CIGS-Modulfabrik mit 35 Megawatt Jahreskapazität in Betrieb genommen. „In unserem Nischenmarkt kann von Überkapazitäten anders als bei den kristallinen Herstellern nicht dieRede sein“, sagt Jens Mühling, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung. „Wir rechnen damit, dass die Nachfrage unsere Produktionskapazitäten in diesem und im nächsten Jahr übersteigen wird.“ Die ausrollbaren Module sind laut Mühling „für Dächer großer Lager-, Industrie- oder Flugzeughallen konzipiert, auf denen kristalline Photovoltaikmodule wegen ihres Gewichtes nicht installiert werden können“. Die Wirtschaftlichkeit erhöhe sich noch dadurch, dass Länder wie Italien und Frankreich für gebäudeintegrierte Lösungen Zuschläge bei der Einspeisevergütung zahlen.Doch nicht nur der CIS-Anbieter freut sich über volle Auftragsbücher, sondern auch Unternehmen, die ausnahmslos auf kristalline Technologie setzen. Dazu zählt die Kirchner Solar Group. „Das Jahr 2011 läuft besser als erwartet“, sagt Unternehmenschef Lars Kirchner. „Wir führen das auf unsere sehr guten Kundenbeziehungen zurück. 70 Prozent unserer Endkunden sind bisher wiedergekommen, um sich für eine weitere Investition in eine Photovoltaik-Dachanlage zu entscheiden.“ Dafür bietet Kirchner eigens Beteiligungsanlagen zwischen 100 und 1.000 Kilowatt an. Rund 200 solcher Dachkraftwerke hat die Firma bisher realisiert. Für Kirchner sind „kundenfreundlicher Service, Informationen und ein enger Dialog“ Schlüssel des Erfolges. Der aktuelle Preisverfall kommt ihm dabei durchaus recht. „Der große Druck auf die Hersteller ist gut, da er die Wirtschaftlichkeit der Photovoltaik verbessert.“

Keine Krise erkennbar

Ähnlich argumentiert Sören Lorenz, Finanzvorstand der Firma SRU Solar: „Eine Krise kann ich nicht erkennen, auch wenn manche Hersteller in wirtschaftlich schweren Zeiten stecken.“ Für die Kunden rechne sich das. Die Firma aus Berga in Sachsen-Anhalt installiert Solaranlagen deutschlandweit vom Einfamilienhaus bis zum Großprojekt. Der Komplettanbieter für Solarsysteme hat sich zudem auf den Gebäudebau spezialisiert, übernimmt zum Beispiel Sanierungen. Das sorgt für neue Absatzkanäle: So hat SRU schlüsselfertige Hallen mit integrierter Photovoltaikanlage für Kunden aus der Industrie und Landwirtschaft konzipiert. Bisher seien zwölf solcher Gebäudekomplexe mit je einer 400-Kilowatt-Anlage realisiert worden. Insgesamt, so Lorenz, werde das Konzept der Firma, „alles aus einer Hand“ anzubieten, entscheidend dazu beitragen, Absatz und Gewinn des Vorjahres wieder erreichen zu können.

Bei Firmen, die ausschließlich auf Großprojekte fixiert sind, geht es nicht darum, den Vorjahresgewinn nur einzustellen. „Die deutlich fallenden Systempreise machen das Solarparkgeschäft sehr profitabel“, erklärt Felix Goedhart, Vorstandschef des Hamburger Finanzinvestors, Wind- und Solarparkbetreibers Capital Stage. „Daneben profitieren wir von verbesserten Finanzierungskonditionen.“ Der Zinssatz für die Aufnahme von Fremdkapital zur Finanzierung großer Solarparks habe sich von fünf Prozent „in Richtung vier“ verändert. Zweistellige Renditen seien so kein Problem. Der Erfolg des Hamburger Unternehmens manifestiert sich am Rekordgewinn von netto 3,6 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2011. Der Überschuss stammt sowohl aus dem Betrieb existierender Parks mit EEG-Vergütung als auch aus dem Verkauf eines Parkanteils an den Suchmaschinenbetreiber Google im Frühjahr. Ohne die Wertberichtigung auf eine Unternehmensbeteiligung in Millionenhöhe wäre der Gewinn von Capital Stage noch deutlicher ausgefallen. Goedhart will sich deshalb immer mehr „auf das Geschäft der unabhängigen Stromerzeugung“ konzentrieren. Die Firma sieht langfristig „sehr gute Chancen, als Erzeuger von Solar- und anderem regenerativen Strom in Deutschland profitabel zu wachsen“. Noch in diesem Jahr will Capital Stage die 100-Megawatt-Grenze beim Betrieb von Solarkraftwerken erreichen.

Bei der Ausrüstung solcher Großprojekte machen vor allem die Modulhersteller das Rennen, die in der Lage sind, nahe an den derzeitigen Tiefpreisen von 0,85 bis 0,90 Euro je Watt Peak zu liefern. „Großinvestoren, die einmal von diesen Preisenerfahren haben, akzeptieren keine teureren Angebote“, sagt SRU-Vorstand Lorenz und verweist auf zurückliegende Gespräche mit institutionellen Investoren. Vor allem chinesische Hersteller sind beliebt. So setzt der Hamburger Projektentwickler Solarhybrid bei seinen Freiflächenkraftwerken in Deutschland und Italien auf die Hersteller Renesola und JA Solar. Beim angekündigten Ausbau des Großkraftwerks Finow bei Cottbus um 60 auf 84 Megawatt kommen ausnahmslos Module des Weltmarktführers Suntech zum Einsatz. Solarhybrid fährt mit diesem Geschäft gut: Im ersten Halbjahr 2011 wurde das Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten um 40 Prozent auf drei Millionen Euro gesteigert.

Trotz guter Verkäufe an die Kraftwerksbauer haben aber auch chinesische Modulanbieter im laufenden Jahr Federn gelassen. So musste Trina Solar im zweiten Quartal einen Gewinnrückgang von 70 Prozent und Suntech gar einen dreistelligen Millionenverlust ausweisen. Begründung: die Stagnation in Deutschland und Italien. Dagegen profitiert Wettbewerber Yingli offenbar vom internationalen Marketing und dem Erfolg in den USA. So freute sich Yingli-Boss Liansheng Miao bei Bekanntgabe der Zahlen zum zweiten Quartal über „das beste Quartal der Unternehmensgeschichte beim Absatz“ und ein Gewinnwachstum gegenüber dem Vorjahr von 72 Prozent. Die Firma ist neben den USA, wo Liansheng einen Marktanteil von 15 Prozent erreichen will, auch stark im Heimatmarkt China vertreten, der als Folge des neuen Einspeisegesetzes kräftig wachsen dürfte. So kann Yingli den Rückgang des Vertriebs in Deutschland mehr als kompensieren.

Laut Unternehmenspräsentation werden 2011 nur noch 45 bis 50 (2010: 59) Prozent der Module nach Deutschland verkauft. Yingli baut die Kapazitäten trotzdem weiter aus. „Wir haben gerade weitere 700 Megawatt Produktionskapazitäten aufgebaut, von denen wir erwarten, dass sie uns noch vor Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Dies bringt unsere Gesamtkapazitäten auf 1,7 Gigawatt.“

Absatz für Produktionsanlagen

Für neue Kapazitäten werden auch neue Produktionsanlagen gebraucht – ein Umstand, der die Kassen der Maschinenbaubranche zuletzt hat klingeln lassen. So steigerten die US-amerikanischen GT Technologies den Umsatz im Quartal von April bis Juni im Vergleich zum Vorjahr um 71 Prozent auf 231 Millionen Dollar. Mehr als 95 Prozent davon wurden in Asien erlöst. Der Nettogewinn hat sich auf 52 Millionen Dollar mehr als verdreifacht. Nach Auskunft des Unternehmens fiel die Bruttomarge im Geschäftsbereich Photovoltaik mit 52 Prozent deutlich besser aus als in den beiden anderen Segmenten Polysilizium und Saphire.

Auch beim deutschen Hersteller Centrotherm sind die Auftragsbücher dank der hohen Nachfrage aus Asien voll. „Wir profitieren von unserem technischenKnow-how, etwa wenn es um die Steuerung der Anlagen geht“, erklärt Wolfgang Seeliger, verantwortlich für die strategische Unternehmensentwicklung beim Blaubeurer Maschinenbauer. Das schütze die Firma auch vor der Kopie der Anlagentechnik durch asiatische Wettbewerber, wie das aus der Zell- und Modulproduktion bekannt sei. „Wir hatten Kunden aus China, die versucht haben, die Anlagen nachbauen zu lassen. Doch das hat offensichtlich nicht funktioniert, denn sie sind zu uns zurückgekehrt“, erzählt er. Als Beispiel für dieses exklusive Wissen nennt er die Steuerung der Gasschleusen in den Halbleiteröfen. Dort sorgen Wasserstoffbarrieren in den zu beiden Seiten offenen Öfen dafür, dass die Fertigung ungestört ablaufen kann. „Sie müssen genau wissen, wie Sie diesen Gasfluss steuern. Das können Sie der Maschine nicht ansehen.“ Doch auch der deutsche Photovoltaikspezialist sieht erste Wolken am Horizont. „Die Dynamik beim Auftragseingang aus Asien lässt nach.“ Der Anlagenbauer und Kristallzuchtexperte PV Tepla hat den Abschwung der Maschinennachfrage bereits erlebt. Im ersten Halbjahr musste die Firma aus dem hessischen Wettenberg einen Rückgang des Umsatzes und eine Halbierung des Betriebsgewinns hinnehmen, was vor allem auf das im Vorjahresvergleich schwache Photovoltaikgeschäft zurückzuführen war. Doch im Gesamtjahr sollen Umsatz und Ertrag mindestens das Vorjahresniveau erreichen, unter anderem weil der Absatz von Vakuumanlagen floriert, die für die Herstellung von Graphit und Hartmetall gebraucht werden und damit nichts mit der Photovoltaik zu tun haben. „Wir sind angesichts der schwierigen Situation im weltweiten Photovoltaikmarkt glücklich, dass wir uns von Anfang an diversifiziert aufgestellt haben“, sagt Unternehmenssprecher Gert Fisahn. „Die Geschäftsbereiche Halbleiter und Industrie können den Rückgang der Photovoltaikaufträge kompensieren.“ So gelingt es der Firma, aus dem Schatten herauszutreten, den die Photovoltaik auch in der Maschinenbaubranche anfängt zu verbreiten. Mittel- bis langfristig aber, so schätzt Fisahn, steht die Solarstromindustrie „vor einer großen Zukunft“. Die Rückkehr ins Licht wäre damit für die gesamte Branche nur eine Frage der Zeit.

Oliver Ristau

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