Eurosolar hat die Eckpunkte für einen Neuen Energiemarkt vorgelegt. Damit reagiert der Branchenverband der erneuerbaren Energien auf das Weißbuch der Bundesregierung, das vor allem an den alten Strukturen festhält und die Energiewende weiter ausbremst.
Der europäische Verband für erneuerbare Energien Eurosolar fordert mit Blick auf das von der Bundesregierung Anfang August vorgelegt Weißbuch eine Neue Energiemarktordnung, mit der die dezentrale Energiewende wieder beschleunigt wird. Mit den im Weißbuch beschriebenen Maßnahmen kann die Energiewende nicht gelingen. Zwar hat Bundesregierung dieses Weißbuch mit dem Titel „Ein Strommarkt für die Energiewende“ versehen. Doch „dieses Weißbuch schafft keinen Strommarkt für die Energiewende, sondern erfindet einen Strommarkt ohne Energiewende“, kritisiert Axel Berg, Vorsitzender der deutschen Sektion von Eurosolar.
Handel mit Ökostrom ermöglichen
Statt den von der Bundesregierung angestrebten Strommarkt 2.0 schlagen die Branchenvertreter eine Neue Energiemarktordnung vor. Kernstück ist ein Strommarkt, der den Handel mit erneuerbaren Stromprodukten ermöglicht. Deshalb spricht sich Eurosolar für einen Grünstrommarkt und und die Direktvermarktung von Ökostrom an Mieter in Mehrfamilienhäusern aus. „Stattdessen setzt das Weißbuch auf die sogenannte ‚freie Preisbildung‘ an der Strombörse, an der abgeschriebene hochsubventionierte fossil-atomare Großkraftwerke teilnehmen und damit den Markt verzerren“, kritisiert der Branchenverband. „Dieser börsenfixierte ‚Strommarkt 2.0‘ wird sich als großes Hemmnis für die Energiewende herauskristallisieren.“
Flexibilitäten honorieren
Ein zweiter zentraler Punkt dieser Neuen Energiemarktordnung ist der Flexibilitätsmarkt. Wesentliche Elemente sind schon mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und der Flexibilitätsprämie im EEG geregelt. Jetzt muss dieser Flexibilitätsmarkt konsequent weiterentwickelt werden, damit die Anlagenbetreiber solche Flexibilitäten auch bereitstellen können. Technisch ist das bereits möglich, nur hapert es bisher an der Wirtschaftlichkeit, weil Flexibilitäten von erneuerbaren Energien nicht honoriert werden. „Das Weißbuch schwächt oder ignoriert diese Instrumente aber“, kritisiert Eurosolar. „Der Vorschlag des Weißbuchs für eine ‚Kapazitätsreserve‘ ist ein verkappter Kapazitätsmarkt, mit dem Finanzmittel zur Besitzstandswahrung für Kohlegroßkraftwerke verschwendet und Innovationen für Speicher verspielt werden.“
Denn Speicher sind ein zentrales Element dieses Flexibilitätsmarktes. Wenn die flexible Bereitstellung von Speicherkapazitäten endlich honoriert werden würde, könnte der Speicherausbau und damit auch die Energiewende wesentlich schneller gehen. „Das Weißbuch fordert stattdessen einen ungleichen und damit absurden ‚Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen‘, der den Marktzugang von Speichern weiter bremsen wird und Kohlekraftwerke als Partner der Erneuerbaren aufwertet“, warnt Eurosolar.
Netzausbau auf das nötigste beschränken
Mit den Speichern kann auch der Netzausbau verringert werden. Bedarf sehen die Branchenvertreter ausschließlich vor allem dezentral im Verteilnetz und zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Regionen im Drehstrom-Übertragungsnetz. Dieser Netzausbau sollte sich vor allem an bestehenden Strukturen orientieren und Lücken im Verteil- und Übertragungsnetz füllen. Eine teure, unflexible Gleichstrom-Super-Netzstruktur, wie sie die Bundesregierung vorsieht, ist völlig überflüssig.
Damit haben die Branchenvertreter schon einmal einen Gegenvorschlag eingebracht. Grundlage ist aber, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien weitergeht. „Anstatt den Strommarkt an die seit Einführung des EEG im Jahr 2000 beschleunigt laufende dezentrale Energiewende anzupassen, dreht die Bundesregierung mit der EEG-Deform 2014, dem Weißbuch 2015 und den Ausschreibungen 2016 das Rad zurück und schiebt die erneuerbaren Energien in die Nische“, kritisiert Fabio Longo, Vizepräsident von Eurosolar.
Wärme und Verkehr nicht vergessen
Für Stephan Grüger, ebenfalls Vizepräsident von Eurosolar, ist das Weißbuch zudem nur die Vorbereitung für eine Neugestaltung des Strommarktes. „Für die Energiewende entscheidend ist aber die Neuordnung des gesamten Energiemarkts, weil nur durch die Koppelung des Strom- mit dem Wärme- und Kraftstoffmarkt die Energiewende kostengünstig funktioniert“, betont er. „Das Weißbuch verschiebt diese entscheidende Maßnahme in eine ungewisse Zukunft. Wenn Stromüberschüsse aus wind- und sonnenreichen Stunden zur Wärme- und Gaserzeugung eingesetzt werden, kann Erdöl in Heizungen sowie Erdgas und Kohle bei Flauten ersetzt werden.“
Insgesamt sehen die Branchenvertreter das Weißbuch als ein Bruchstück einer im Grundansatz verfehlten Energiepolitik, die das Ziel der Energiewende vorgibt und in Wirklichkeit entgegengesetzt handelt. Mit ihrer Neuen Energiemarktordnung nehmen sie alle diese Fehler der Bundesregierung auf und schlagen ein Energiesystem vor, das eine Energiewende tatsächlich möglich macht. (su)