Schon bei der ersten Station, dem ersten Wechselrichter, den sie inspizieren, werden Roland Löhr und Badr Sahib fündig. Die beiden Ingenieure gehören zum Team der technischen Betriebsführung bei Meteocontrol, einem Anbieter von Wetterdaten und Monitoringlösungen in Augsburg. An einem sonnigen Tag sind sie in das Dorf bei Aichach gefahren, um fünf Teilanlagen mit insgesamt 140 Kilowatt Photovoltaikleistung auf einem Bauernhof zu warten. „Die Kabel sind zu warm“, sagt Löhr, der oben auf der Leiter steht und gerade den Deckel des Wechselrichters abgeschraubt hat. Sein Kollege reagiert prompt. Er holt die Thermografiekamera und macht Aufnahmen von dem offenen Gerät. Zusammen überprüfen sie wenig später auf den Bildern, ob Kabel überhitzt und deshalb brandgefährlich sind. Fazit: „Es ist noch im Rahmen, aber man muss es beobachten.“ Sahib notiert, Löhr kontrolliert derweil, ob alle Klemmstellen fest sitzen. So weit ist alles okay, nur der Schmutz auf dem Gehäuse gefällt ihm nicht. Er nimmt einen Handfeger und entfernt Spinnweben und Staub. Danach geht es weiter zur nächsten Teilanlage auf der Maschinenhalle um die Ecke.
Drei Stunden werden Löhr und Sahib an diesem Tag auf dem Hof verbringen. Der Landwirt hat seine Dächer an einen Investor verpachtet. Dieser ließ seit 2010 auf dem Kuhstall, einer alten und einer neuen Maschinenhalle, einem Kartoffellager und einem kleinen Geräteschuppen Solaranlagen bauen. Weil bei der Montage der ersten Anlagen nicht alles glatt lief und er selbst weit weg ist, beauftragte der Anlagenbetreiber das Augsburger Unternehmen mit der laufenden Überwachung und jährlichen Wartung seiner Anlagen.
Dass eine Wartung sinnvoll ist, wenn wie in diesem Fall Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Anlage bestehen, bestreitet niemand. Darüber hinaus gibt es aber sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und wann die regelmäßige Wartung von Photovoltaikanlagenangebracht ist. Tatsache ist: Spezialanbieter, Systemhäuser und Installateure bieten sie immer häufiger an.
Bei Meteocontrol ist die Wartung Teil der technischen Betriebsführung, die das Unternehmen seit 2005 im Programm hat. Der Begriff „technische Betriebsführung“ bezeichnet die kontinuierliche Überwachung einer Photovoltaikanlage mit Hilfe eines Fernüberwachungssystems inklusive der Analyse von Messdaten und Fehlermeldungen sowie ein regelmäßiges Berichtswesen.
Das Team, das Henrik te Heesen leitet, übernimmt diese Aufgaben vom Augsburger Schreibtisch aus. Im Herbst waren es mehr als 450 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 400 Megawatt, die Löhr und seine Kollegen am PC überwachten. Die meisten befinden sich in Deutschland, ein paar Dutzend auch in Frankreich, Spanien, Tschechien und Italien.
Gestaffelte Angebote
Für 50 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 200 Megawatt koordinieren sie auch die jährliche Standardwartung. „Wir bieten ein mehrstufiges Wartungskonzept an“, sagt te Heesen. Neben der Fernüberwachung können Kunden eine jährliche optische Überprüfung buchen. Meist sind es Servicepartner in der Nähe, die die Anlagen gemäß Auftrag und anhand einer Checkliste von Meteocontrol dann warten. „Sie überprüfen entsprechend den Herstellervorgaben die wesentlichen Komponenten und insbesondere die Wechselrichter“, erläutert te Heesen die Sichtprüfung.
Hat die Anlage eine Leistung von mehr als einem Megawatt, können Anlagenbetreiber eine technische Inspektion buchen. Dann kommt zu der optischen Wartung noch eine elektrische Prüfung dazu. Dabei werden unter anderem die Strings ausgemessen. Zusätzlich machen die Techniker stichprobenartig Aufnahmen mit einer Thermografiekamera. „Bei der technischen Inspektion identifizieren wir auch mögliche Gewährleistungsmängel, die der Betreiber gegenüber dem Errichter geltend machen kann“, erklärt te Heesen den Zweck dieser umfangreicheren Variante.
Bei den nun inspizierten Anlagen hatte der Betreiber schon diverse Gründe für Reklamationen. Die ersten Anlagen, die er auf dem Hof bauen ließ, hatte er bei einem Investorgekauft. Dieser hatte 40 Anlagen in ganz Deutschland verkauft und von regionalen Installationsfirmen bauen lassen. Mitte Mai vergangenen Jahres meldete das Unternehmen Insolvenz an. Zu dem Zeitpunkt beauftragte der Anlagenbetreiber Meteocontrol, die bei der ersten Überprüfung schnell diverse Mängel feststellten. Das Team von te Heesen beauftragte daraufhin eine lokale Installationsfirma, die Mängel auszubessern.
Eigenwillige Ausbesserungen
In diesem Jahr hatten Löhr und Sahib deshalb drei Aufträge. Neben der jährlichen Standardwartung wollten sie überprüfen, ob der Installateur die Mängel wie vereinbart ausgebessert hatte. Außerdem hatte der Anlagenbesitzer sie gebeten zu kontrollieren, ob die neue Anlage auf der großen Maschinenhalle ordnungsgemäß montiert war. Photovoltaikanlagen werden gern als wartungsfrei verkauft. Doch auch wenn sie tatsächlich weitgehend störungsfrei laufen, kann es Faktoren geben, die die zugesicherte Laufzeit von 20 Jahren gefährden. Dies zeigen einige Beispiele bei diesen Anlagen.
Bei der aufgeständerten Anlage auf dem Maschinenschuppen entdecken Löhr und Sahib, dass der neu beauftragte Handwerker die Erdung auf eine recht eigenwillige Art ausgebessert hat. An diversen Montagegestellen war die Erdung korrodiert. Der Installateur hatte nun pflasterähnliche Fetzen daraufgeklebt und darüber eine bräunliche Flüssigkeit geschmiert. Weder Löhr noch Sahib wissen, was dies ist. Sie beschließen, dass hier nachgebessert werden muss.
Bei einer Gestellreihe entdeckt Löhr, dass ein Sensor, der für den Soll-Ist-Abgleich Wetterdaten an Meteocontrol schickt, durch Vogelkot beschmutzt ist. Das kann er mit einem Tuch leicht reinigen. Die in eine Gestellecke gequetschte Zigarettenkippe, die er bei der Gelegenheit sieht, lässt ihn den Kopf schütteln. „Das muss ja auch nicht sein“, entfährt es dem Kommunikationselektroniker und staatlich geprüften Techniker, „aber wenigstens geht davon keine Gefahr aus.“ In diese Kategorie steckt er auch die verbeulten Gestellenden und liegen gelassene Metallteile auf dem Dach. Bei der aufgeständerten Anlage auf dem Kartoffellager überprüfen die beiden, ob noch alle Gummiflecken unter den Gestellschrauben, die das Dach abdichten sollen, da sind. Das ist der Fall.
Bei der Anlage auf der neuen Maschinenhalle hatte der Handwerker bei der älteren Teilanlage zu kleine Brandschutzplatten hinter den Wechselrichtern auf die Holzwand genagelt. Wechselrichter dürfen aber nicht direkt auf Holzwände montiert werden. Bei der Anlagenerweiterung wurde er deshalb angehalten, gleich größere Platten zu verwenden. Bei der Überprüfung sind Löhr und Sahib mit dem Ergebnis zufrieden. Auch mit der Beschriftung der Leitungen, die der Handwerker noch nachgeholt hat.
„Man findet immer Sachen“, sagt Löhr, der bereits mehrere Jahre Erfahrung hat. „Ein anderer würde noch andere Sachen finden.“ Dies tun Servicemitarbeiter, indem sie die Tätigkeiten durchführen, die zu Standardwartungen dazugehören. Einige Beispiele hierfür: Bei den Wechselrichtern überprüfen sie die Lüfter und den Firmware-Status. Ist noch eine alte Software darauf, aktualisieren sie sie.
Sie kontrollieren Klemmstellen und die Elektroverteilung. Sie überprüfen stichprobenartig mit der Thermografiekamera die Generatoroberfläche. Bei Bedarf messen sie die Leistung von Modulen oder Strängen mit einem Kennlinienmessgerät. Sie schauen, ob die Module verschmutzt sind und eventuell gereinigt werden müssen.
Ebenso achten sie darauf, ob Bäume in der Zwischenzeit so hoch gewachsen sind, dass sie die Anlage verschatten. Und, soweit möglich, prüfen sie, ob das Montagegestell noch fest sitzt. Bei Freilandanlagen wird auch die Verkabelung unter die Lupe genommen, bei Dachanlagen ist dies kaum möglich. Darüber hinaus gibt es Extraleistungen wie die Pflege von Grünflächen bei Solarparks und die Reinigung der Anlagen.
Vielerlei Anbieter
Unternehmen, die Wartungen anbieten, gibt es mittlerweile reichlich. Allerdings liegen unterschiedliche Geschäftsmodelle zugrunde, wie einige Beispiele zeigen. Das Unternehmen Adler Solar Services in Bremen ist etwa darauf spezialisiert, Photovoltaikanlagen zu warten und auszubessern. Ebenso gibt es Projektierer, die diese Dienstleistung für Großanlagen anbieten, die sie selbst gebaut haben. Bei IBC Solar zum Beispiel ist die Wartung ein Teil der technischen Betriebsführung für selbst projektierte und gebaute Solarparks mit ein bis zehn Megawatt Leistung.
Der Projektierer und Installationsbetrieb Kirchner Solar im hessischen Alheim wiederum bietet die Fernüberwachung und Wartung in seinem „Rundum-sorglos-Paket“ an – anders als IBC Solar allerdings auch für kleine Anlagen und für Anlagen, die nicht vom eigenen Unternehmen gebaut wurden. Kunden, die von Kirchner Solar eine Anlage haben bauen lassen, erhalten außerdem innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Inbetriebnahme eine kostenfreie Wartung. So will Kirchner Solar ihnen diesen später kostenpflichtigen Service schmackhaft machen.
Der Systemanbieter AS Solar in Hannover bietet die Fernüberwachung inklusive vierteljährlichem Bericht an. Der Solargroßhändler EWS in Handewitt offeriert seinen Installateurskunden Wartungsleistungen zur Weitervermittlung an die Endkunden. Bucht ein Anlagenbetreiber diesen Service, führt EWSdie Fernüberwachung durch, der Installateur übernimmt die Wartung vor Ort.
Andererseits haben auch längst noch nicht alle Weiterverkäufer diese Dienstleistungen im Programm. „Diesen Servicebereich überlassen wir sowohl für kleine Anlagen als auch für Großprojekte unseren Kunden, den PV-Installateuren“, sagt Ute Wolfangel, Marketing-Mitarbeiterin bei Krannich Solar in Weil der Stadt/Hausen. Auch MHH Solartechnik in Tübingen bietet keine Wartung an.
Kosten-Nutzen-Schätzung
Dafür wird die Dienstleistung nun für Installateure interessanter, die unter dem Markteinbruch zu leiden haben. Jörg Tappeser, Geschäftsführer von Tappeser Solartechnik in Schwerte, bestätigt, dass er schon darüber nachgedacht hat, Inspektionen anzubieten. „Das Problem ist nur, dass ich meine Anlagen bisher immer als wartungsfrei verkauft habe.
Da wirkt es seltsam, wenn ich sie nun auf einmal warten will“, sagt Tappeser und klingt dabei etwas ratlos. Außer-dem könne das neue Geschäftsfeld die Anlageninstallationen auch nicht wirklich auffangen.
Wartungsdienstleistungen sind in der Regel kostenpflichtig. Die Preise werden je nach Aufwand, Intervall und Anfahrtsweg individuell vereinbart. Für wen und ab welcher Anlagengröße sich Wartungen rechnen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Thomas Hemmenstedt, Leiter der Serviceabteilung bei Kirchner Solar, vertritt die Meinung, dass sich regelmäßige Inspektionen für alle Anlagen rechnen und auch erschwinglich seien. Pauschal Preise zu nennen sei nicht möglich, da die Kosten von Wartungsumfang und Anfahrtsweg abhängen.
Aber um einen Eindruck zu geben, macht er eine grobe Beispielrechnung. Wenn ein Mitarbeiter, für den ein Stundensatz von 40 Euro kalkuliert wird, eine Zehn-Kilowatt-Anlage bei sich in der Nähe wartet, so könnten dafür etwa160 Euro inklusive Anfahrt anfallen. Wenn die Anlage 200 Kilometer entfernt sei, könnten aber auch 540 Euro anfallen, so Hemmenstedt.
Markus Maier von IBC Solar sieht das etwas anders als Hemmenstedt. Zwar meint er auch: „Die Wartung ist technisch bei jeder Anlagengröße sinnvoll.“ Allerdings hält er sie erst ab einer Anlagenleistung von circa 100 Kilowatt für „ökonomisch gut darstellbar“. Er begründet dies mit dem Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Etwa 60 Prozent der Kosten seien abhängig von der Anlagengröße, also variable Kosten, zu denen zum Beispiel auch die Fahrtkosten zählen. Maier nennt Durchschnittswerte, die das Unternehmen ermittelt hat. Je größer die Anlage, desto kleiner sind die auf das Kilowattpeak umgelegten restlichen 40 Prozent, also die Fixkosten. Hierzu zählen zum Beispiel die Ausgaben für die Messgeräte, die vorgehalten werden müssen. Bei kleineren Anlagen rechne es sich für den Projektierer nicht, fährt Maier fort. Regionale Installateure sollten dann die Wartung übernehmen. Er weiß auch von Installateuren, die diesen Service neuerdings anbieten.
Auch das Team von Meteocontrol sieht den Kosten-Nutzen-Effekt kritisch. Das zeigen zwei Tatsachen. Zum einen beauftragt das Unternehmen Handwerker, die möglichst nah am Anlagenstandort wohnen, mit der Standardwartung. Auf diese Weise lassen sich die Anfahrtszeiten und damit Kosten reduzieren. Zum anderen gibt es die Wartung bei Meteocontrol auch nur als Teil der umfangreichen technischen Betriebsführung.
Warten oder warten?
Bei einer Fünf-Kilowatt-Anlage auf einem Einfamilienhaus zum Beispiel sei die jährliche Wartung nicht notwendig, da der Anlagenbetreiber in unmittelbarer Nähe sei und Mängel leicht entdecken könne, sagt Löhr von Meteocontrol. Bei Anlagen auf fremden Dächern hingegen sei eine Wartung schon sinnvoller. „Je größer die Anlage, desto größer sind die möglichen Ertragsverluste. Deswegensollte man dann auf jeden Fall regelmäßig eine elektrische Prüfung durchführen lassen.“ Die Frage ist, ob es nicht ausreicht, zu warten, wenn die Fernüberwachung einer Anlage Alarm schlägt. So meint zum Beispiel auch Henrik te Heesen von Meteocontrol, dass ein Anlagenbetreiber, der ein sorgfältiges Monitoring betreibt oder es von einem Dienstleister durchführen lässt, keine jährliche Wartung benötigt. Uli Motzer, Solarsachverständiger bei der Württembergischen Versicherung, hält die Fernüberwachung auch für „unbedingt notwendig“. Er rät allerdings auch grundsätzlich zu regelmäßigen Wartungen. „So lassen sich frühzeitig versteckte Mängel feststellen“, sagt Motzer. Als ein Beispiel nennt er Hotspots, die sich über die Jahre schleichend entwickeln. Da diese nur mit Wärmebildkameras zu erkennen sind, hält Motzer auch eine bloße optische Kontrolle nicht für ausreichend.
Offensichtlich ist, dass die Ansichten über das Kosten-Nutzen-Verhältnis auseinanderklaffen. Da die Wartung sich erst seit wenigen Jahren zu einer immer weiter verbreiteten Leistung entwickelt, fehlen noch langjährige, objektive Erfahrungsberichte mit Berechnungen über die Kosten für Wartungen und im Idealfall auch über den Nutzen. Letzterer lässt sich nicht klar und allgemeingültig definieren. Denn den Ertragsausfall, der durch vermiedene Schäden gesichert wurde, kann kaum jemand beziffern.
Vergleich lohnt
In jedem Fall empfiehlt es sich für einen Anlagenbetreiber, die angebotenen Leistungen genau zu vergleichen. Denn der Umfang der Einzelleistungen in einem Wartungspaket kann stark variieren.
Einig sind sich die befragten Firmen jedoch in zwei Punkten: Zum einen ist die Nachfrage nach regelmäßigen Wartungen bei Großanlagen und von professionellen Investoren größer als bei Kleinanlagen und von privaten Kunden. Zum anderen steigt die Nachfrage. Dass dies der Fall sein muss, dafür gibt es auch schon andere Indizien. So bietet der Wechselrichterhersteller SMA seinen Kunden neuerdings ein Seminar „Service und Wartung an kleinen und mittleren Anlagen“ an. Auch IBC Solar kreierte zusammen mit dem TÜV Rheinland einen Lehrgang, der zum Photovoltaik-Service- und Wartungstechniker qualifiziert. Es tut sich also etwas im Geschäftsfeld der Wartung.
Roland Löhr und Badr Sahib von Meteocontrol wissen auch schon, dass sie im kommenden Jahr wieder in das Dorf bei Aichach fahren werden. Sie sind sich sicher, dass sie wieder Mängel finden werden. Und sei es auch nur der verdreckte Wechselrichter neben dem Misthaufen.