Die Umweltorganisationen Germanwatch und WWF haben errechnet, dass Deutschland ohne den Ausstieg aus der Kohleverstromung die Ziele zum Klimaschutz nicht erreichen wird. Dies würde zwar Steigerungen der Börsenstrompreise verursachen. Diese fallen aber sehr moderat aus.
Die Umweltorganisationen Germanwatch und World Wide Fund for Nature (WWF) haben errechnet, dass ohne Abschaltung der Kohlekraftwerke Deutschland seine Klimaschutzziele nicht erreichen wird. Das ist das zentrale Ergebnis einer Kurzstudie der beiden Organisationen. Konkret gehen die Autoren der Studie davon aus, dass die Stromwirtschaft bis zum Jahr 2020 mindestens 100 Millionen Kohlendioxid einsparen muss. Nur so kann Deutschland seinen Beitrag erreichen, den Klimawandel aufzuhalten und die Temperatursteigerung auf zwei Grad zu begrenzen. Diese Einsparung an Treibhausgasemissionen werde aber nicht gelingen, wenn Deutschland nicht aus der Kohleverstromung aussteigt, betonen die Autoren der Studie.
Um den Ausstieg aus der Verstromung von Kohle zu erreichen, müssten Braunkohlemeiler nach 35 Jahren und Steinkohlekraftwerke nach 40 Jahren Laufzeit konsequent stillgelegt werden. „Alternativ könnten allen Kohlekraftwerken nach 35 Jahren Betriebsdauer Höchstgrenzen für ihre Kohlendioxidemissionen auferlegt werden, bevor diese nach 40 Jahren endgültig vom Netz gehen“, erklären die Autoren der Studie. „Diese Lösung ließe sich so gestalten, dass den Unternehmen durch die Festlegung von jährlichen Kohlendioxidfrachten mehr Flexibilität bliebe, wann welches Kraftwerk in den verbleibenden fünf Jahren Betriebsdauer vom Netz zu nehmen ist.“
Stromsektor ist der größte Emittent
Die Umweltorganisationen legen so viel Wert auf die Stilllegung der Kohlekraftwerke in Deutschland, weil der Stromsektor immerhin der größte Emittent von Treibhausgasen ist. „Bei der Reduktion des Kohlestroms liegt der Schlüssel zum Erreichen der deutschen Klimaschutzziele bis 2020“, betont Regine Günther, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF. „Die Politik steht in der Pflicht dafür zu sorgen, dass auch die Energiewirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leistet.“ Die Umweltorganisationen wollen mit den Ergebnissen den Druck auf die Pollitik erhöhen. „Wenn Herr Gabriel behauptet, 40 Prozent Kohlendioxidreduktion bis 2020 sei möglich ohne die massiven Überkapazitäten durch das Abschalten der ältesten und schmutzigsten Kohlekraftwerke abzubauen, soll er vorrechnen, wie das klappen kann“, fordert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
Er kritisiert, dass die Prognosen des Bundesumweltministeriums bezüglich der Treibhausgasemissionen auf unrealistischen Annahmen beruhen. Die beiden Umweltorganisationen gehen davon aus, dass die Emissionslücke insgesamt deutlich größer ist als die vom Umweltministerium veranschlagten 87 Millionen Tonnen pro Jahr. Insgesamt sehen sie die Notwendigkeit der Reduktion von 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich in den kommenden drei Jahren. Davon soll die Hälfte auf die Stromerzeugung fallen. Außerdem halten die Autoren der Studie den vom Bundesumweltministerium veranschlagten Preis für Kohlendioxodzertifikate im Emissionshandel von 20 Euro pro Tonne als viel zu hoch und eine Lebensdauer von Kohlekraftwerken von 45 Jahren als zu niedrig angesetzt. „Aktuell werden Zertifikate für sechs Euro pro Tonne gehandelt und einige Kohleblöcke sind heute deutlich länger am Netz“, betonen die Umweltorganisationen. Sie verweisen darauf, dass die deutschen Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr erneut gestiegen sind. „Ein Drittel aller Kohlendioxidemissionen in Deutschland entsteht bei der Stromerzeugung“, erklären die Autoren der Studie. „Klimaschädliche Stein- und Braunkohle hatte zuletzt einen Anteil von 44,7 Prozent am deutschen Strommix.“
Preissteigerungen sind gering
Doch selbst wenn die Annahmen der Bundesregierung über die notwendige Reduzierung der Treibhausgasemissionen zutreffen würden, führt kein Weg an der Stilllegung von Kohlekraftwerken vorbei. Dies betonen die Unternehmensberater von Enervis Energy Advisors in Berlin. Die Berliner haben untersucht, welchen Effekt dies auf die Strompreise hätte. Das Ergebnis dieser Berechnung: Sollten tatsächlich die Stein- und Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von zehn Gigawatt stillgelegt werden, wie es die Bundesregierung in den Raum gestellt hat, würden die Börsenstrompreise um übersichtliche 0,4 bis 0,5 Cent pro Kilowattstunde steigen. Doch diese Preissteigerung würde sich auch ergeben, wenn keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz gehen würden und die alten Meiler nach Ablauf ihrer Betriebszeit regulär stillgelegt würden, betonen die Berliner. Um die Reduzierung der Kohleverstromung kommt die Bundesregierung ohnehin nicht vorbei. (su)