Drei Ausbildungsplätze zum Elektroinstallateur hatte die Firma Elektro Barth nahe Riesa ausgeschrieben. Doch nur zwei Schulabgänger bewarben sich. Ihnen bietet die Firma mit einer starken Ausrichtung auf Photovoltaikinstallationen nun sichere Arbeitsplätze und gute Entwicklungschancen. Juniorchef Tobias Barth wollte mehr Bewerber anlocken und wandte sich direkt an 20 Schulen in seiner Umgebung. Doch obwohl er Aushänge anbrachte und Rektoren ihm versprachen, sich persönlich an die Schüler zu wenden, meldete sich niemand. Auch die Suche nach ausgebildeten Kräften über Stellenanzeigen blieb im Jahr 2009 ohne jegliche Resonanz. „Was kann ich denn noch tun?“, fragt er und zuckt mit den Schultern. Das Geschäft boomt, Kunden aus ganz Deutschland fragen bei ihm an, doch er muss die Aufträge ablehnen. So wie ihm geht es derzeit vielen Installateuren.
„Der Fachkräftemangel ist einer von drei Engpässen, die das Geschäft mit Photovoltaikanlagen in Deutschland beeinträchtigen“, fasst Norbert Hahn, Vorstand beim Großhändler IBC Solar, die Situation zusammen. Auch die Lieferprobleme bei Modulen und Wechselrichtern und zunehmende Schwierigkeiten der Netzbetreiber, Anlagen ins bestehende Netz zu integrieren, beeinträchtigten die Umsatzentwicklung im vergangenen Jahr. Hahn, der bei Schulungen regelmäßig Kontakt zu vielen Installationsfirmen hat, bewertet jedoch die Montage als einen der größten Bremsfaktoren. Der Personalmarkt reagiere nur sehr zeitversetzt auf die erhöhte Nachfrage. Außerdem sei zu erwarten, dass die Unternehmen erst massiv Monteure suchen, wenn die derzeitigen Verhandlungen über die Degressions- und Fördersätze abgeschlossen sind.
Wie hoch der Fachkräftemangel bei den Installationsbetrieben ist, lässt sich nicht genau beziffern. Aktuelle Zahlen über Handwerker in der Photovoltaik liegen noch nicht vor. Auswertungen von Stellenanzeigen fassen häufig die erneuerbaren Energien insgesamt oder Solarthermie und Photovoltaik zusammen. In den Statistiken der Arbeitsagenturen verschwindet das Berufsbild zwischen Elektrikern, Dachdeckern und anderen Facharbeitern. Auch Petra Schmieder vom Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) kann nur bestätigen, dass viele Mitgliedsfirmen ständig auf der Suche sind, doch genaue Zahlen gebe es darüber nicht. Deshalb lässt sich das Problem nur grob abschätzen. So schlossen viele der etablierten Solarteure ihre Auftragsbücher für 2009 bereits im August, sowohl für Dachanlagen als auch für Freilandinstallationen, wo spätestens im September/Oktober die Kapazitätsgrenze erreicht war.
„Wir hätten schon noch ein Viertelchen mehr installieren können“, schätzt Josef Küffner, Geschäftsführer der Kütro Gmbh und Co. KG in Abensberg. Der Spezialist hat 2009 mit seinen 50 Mitarbeitern fünf Megawatt installiert. „Wären mehr Fachkräfte verfügbar gewesen, hätten es auch sechs oder sechseinhalb sein können“, sagt er. So musste Küffner ab August Absagen erteilen. „Das stärkt die Konkurrenz“, bedauert er, und zwar Firmen, die nur nebenbei Photovoltaik verkaufen und deshalb in erster Linie mit den anderen beiden Engpässen zu kämpfen haben.
Um 1,5 Megawatt zusätzlich zu installieren, hätte Küffner etwa 15 Leute einstellen müssen. Das entspricht einem zusätzlichen Personalbedarf von 30 Prozent. Wenn man berücksichtigt, dass im letzten Drittel des Jahres noch besonders viele Kurzentschlossene nach Installateuren suchen, ist das eher vorsichtig geschätzt.
Um es klar zu sagen: Deutschlandweit ist noch kein 30-prozentiger Mehrbedarf zu erkennen. Er kann sich aber auch nicht im Stellenmarkt spiegeln, zum einen weil die Unsicherheit in Bezug auf die weitere Entwicklung noch zu groß ist und zum anderen weil Annoncen ohne Resonanz, wie bei Tobias Barth, Geld nur sinnlos vergeuden. Doch das Potenzial ist offenbar vorhanden, denn auch Norbert Hahn von IBC Solar schätzt: „Wenn alle Bremsen gelöst wären, könnte ich mir für das nächste Jahr ein 30- bis 50-prozentiges Wachstum vorstellen.“
Vor allem Vorarbeiter
Doch wie lässt sich die Bremse lösen? Die Installation von Photovoltaikanlagen ist ein knochenharter Job. Im Sommer werden die Installateure in der prallen Sonne gebraten, im Winter pfeift ihnen ein eisiger Wind um die Finger. Dazu kommt häufig ein unstetes Leben. Bei Elektro Barth beginnt die Woche am Montag früh mit der Anreise zu den Baustellen im ganzen Bundesgebiet. Erst Donnerstagabend sind die Montagetrupps wieder zu Hause und haben dann drei Tage frei. Auf der Baustelle sind die Installateure auf sich selbst gestellt, müssen stets kundenfreundlich, schnell und präzise sein. „Ja, ich brauche gute Mitarbeiter“, sagt Tobias Barth, „aber noch dringender suche ich Vorarbeiter, Leistungsträger, die auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“ Seine Montagetrupps sollen von jemandem geführt werden, der den Kunden einfühlsam berät, auf seine Zufriedenheit achtet und ein As im Handwerk ist.
Dem kann Josef Küffner nur zustimmen: „Wir suchen die berühmte eierlegende Wollmilchsau.“ Ein Montagetrupp besteht bei ihm aus einem Vorarbeiter, einer qualifizierten Fachkraft und einem Helfer. Der Dreiertrupp stellt das Gerüst auf, erledigt die Vorarbeiten und installiert die Module. Wenn die Modulreihen anliegen, kommen Elektriker dazu, prüfen und schließen an. Während Küffner für die einfachen Aufgaben problemlos Helfer findet und die Elektriker oft selbst ausbildet, bleiben Vorarbeiter und qualifizierte Monteure Zufallsfunde. Sie müssten gleichzeitig Kenntnissen in Gerüstbau, Dachdeckerei, Zimmerei, Elektrik und Kundenberatung haben und sich auf dem Dach wohlfühlen. Küffner plädiert deshalb für eine eigene Ausbildung zum Photovoltaikinstallateur, zu einem richtigen „Allrounder“. Elektriker möchte er nicht dauerhaft auf Montage schicken.
„Die sind sich zu schön für so etwas“, ist seine Erfahrung. Letztlich sei ihnen die Arbeit zu einseitig und mit zu vielen berufsfremden Aufgaben umgeben. Doch die Handwerksverbände sind gegen einen neuen Ausbildungsberuf (siehe photovoltaik07/2009). „Es würde dann ein Fachmann ausgebildet, der eigentlich keiner ist. Er hätte nur Oberflächenwissen in den verschiedenen Gewerken und müsste bei tiefergehenden Anforderungen schnell das Handtuch werfen“, sagt Petra Schmieder. Als Start in den Beruf sei eine solche Ausbildung nicht erfolgversprechend, weil sie auf zu viele verschiedene Fachgebiete ausgelegt wäre. Ihr Verband setzt daher lieber auf eine solide Grundausbildung, die durch Weiterbildung oder Spezialisierung ergänzt wird.
Nachwuchs schwindet
Aber auch wenn es den neuen Beruf gäbe, wäre ein Problem noch nicht gelöst. Dem Handwerk schwindet der Nachwuchs. Das liegt zum einen am Rückgang der Schulabgänger. Aber für kluge, verantwortungsbewusste und leistungsbereite Schulabgänger ist das Handwerk nicht die erste Wahl. 2009 wurden von Handwerksbetrieben 6,1 Prozent weniger Lehrverträge abgeschlossen, nachdem schon 2008 ein Rückgang zu verzeichnen war. „Aktuell stehen wenigen unvermittelten Bewerbern noch 10.000 freie Lehrstellen allein im Handwerk gegenüber“, konstatierte Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZdH), im November. In einer Forsa-Umfrage von 2008 hat der ZdH ermittelt, dass vor allem den Jüngeren der Wirtschaftszweig als wenig attraktiv erscheint. Das liege an einem eingeschränkten Blick, erläutert Kentzler: „Viele Berufe werden leider nicht als Teil des Handwerks wahrgenommen.“
Handwerk ist Hightech
Die Menschen unterschätzen deshalb das Handwerk in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung. Und sie vermissen laut der Studie beim Handwerk Modernität. Darüber hinaus machen sich auch die Änderungen in der Schülerstruktur bemerkbar. Mit dem Rückgang der Azubis ist die Zahl der Studienanfänger um sieben Prozent gestiegen. Unter dieser Akzentverschiebung am Ausbildungsmarkt leiden zuerst Handwerksberufe mit hohen intellektuellen Anforderungen. Der ZdH will deshalb mit einer Informations- und Imagekampagne auf die Jugendlichen zugehen. „Handwerk ist Hightech und keiner merkt’s“, titelt der Verband und wirbt ab Januar auch mit Motiven aus der Photovoltaik um mehr Nachwuchs. Die Installationsbetriebe werden mit Hilfe eines Starterpaketes, das Aufkleber und ein Plakat enthält, aufgefordert, sich an der Kampagne zu beteiligen.
Gerade weil es viele Wege zum Solarteur gibt, benötigen Schüler Wegweiser und Einblicke in die Praxis. Das sollten Handwerker vor Ort übernehmen, auch wenn es mühsam ist. So können sie künftig noch zwischen Bewerbern wählen. Schulen sind oft dankbar für Projekte und Versuche mit erneuerbaren Energien. Die Beratung ließe sich dann mit einer langfristigen Strategie zur Nachwuchsgewinnung verknüpfen. Ein Unternehmen, das seine Zukunft als Arbeitgeber in einer Region sieht, sollte auf eine enge Kooperation mit Schulen in seiner Umgebung achten. Betriebsführungen, Praktika, Projektwochen oder der jährlich stattfindende Girlsday bieten Jugendlichen und Arbeitgebern die Möglichkeit, sich kennen zu lernen.
Eigenes Potenzial
Um ihren Bedarf mit ausgebildeten Kräften zu decken, setzen die Unternehmen zunehmend Personalvermittler ein. Das mag im aktuellen Bedarfsfall sinnvoll sein. Aber wer die Personalsuche fremd vergibt, verschenkt auch die Chance, seine Personalanzeigen als Imagewerbung zu nutzen. Die Präsentation unter eigenem Namen wirkt zudem offener und attraktiver auf Bewerber. Und Personalvermittler ersetzen nicht den engen Kontakt zur Arbeitsagentur. Den Agenturen ist der hohe Bedarf der Branche weitgehend unbekannt, und die Notwendigkeit von Zusatzqualifikationen wird selten gesehen. René Dreke von der Arbeitsagentur Berlin versichert, falls die Nachfrage in einer Region besonders stark sei, würden Agenturen zum Beispiel aus Süddeutschland die Ämter aus anderen Regionen um Mithilfe bitten, damit gezielt Arbeitslose dorthin geschickt würden. Derartige Anfragen gebe es für die Photovoltaik jedoch nicht. Für die Installationsfirmen heißt das, dass sie ihre Wünsche und ihre Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden, gegenüber ihrem Arbeitgeberservice noch deutlicher artikulieren müssen. Sie können auch darum bitten, geeigneten Personen eine Fortbildung anzubieten. Es gibt bereits viele Bildungsträger, die mehrwöchige Kurse zur Photovoltaik auf Bildungsgutscheine anbieten. In Bayern werden derzeit beispielsweise 210 Arbeitslose in Solartechnik-Seminaren geschult.
Eine gute Möglichkeit ist es auch, die eigenen Mitarbeiter um Hilfe zu bitten. Sie kennen den Interessenten und die Stelle und finden deshalb meist passende Kandidaten. Manche Firmen belohnen erfolgreiche Anwerbungen sogar mit Prämien. Eine weitere Ergänzung bietet ein Gesetz, das es ausländischen Fachkräften ab 2011 erleichtern soll, eine Beschäftigung zu finden, die ihren Qualifikationen entspricht. Ein einheitliches Bewertungsverfahren macht es den Betrieben dann leichter, ausländische Zeugnisse richtig einzuschätzen.
Die Solarfirmen müssen sich darauf einstellen, dass der Fachkräftemangel nicht nur temporär ist und dass sie im Wettbewerb mit anderen Handwerkern um die geschicktesten Hände und klügsten Köpfe stehen. Derzeit ist das gesamte Ausmaß des Engpasses noch nicht erkennbar, weil die Unternehmen noch die politischen Entscheidungen abwarten. Sobald der neue Kurs klar ist, könnte sich das Angebot weiter verknappen. Der Personalabbau in anderen Branchen kann nur kurzfristig Linderung schaffen. Langfristig müssen die Betriebe alle Möglichkeiten nutzen, um Facharbeiter anzuziehen, und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Geeignete Weiterbildungsangebote können dabei nicht nur technische, sondern auch soziale Kompetenzen verbessern helfen.