Klotzen statt kleckern: Als der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW Solar) im Februar seine Thesen zur Bundestagswahl vorstellte, war die Zeit der selbstauferlegten Bescheidenheit offenbar vorbei. Bis 2020 brauche Deutschland rund 70 Gigawatt Solarleistung, bis 2030 gar 120 Gigawatt. Keine Rede mehr von den smarten Zielen der Bundesregierung, den Zubau bei 52 Gigawatt zu deckeln. Der Kuschelkurs mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) scheint vorbei. Der Mann hatte seine Schonfrist, die hat er ordentlich vergeigt. Nun wird Tacheles gesprochen.
Okay, mal Tacheles: Die Ziele des BSW sind ambitioniert und vernünftig. Ob sie damit auf die politische Agenda kommen, steht auf einem anderen Blatt. Politisches Handeln hängt von vielen Faktoren ab, die nicht immer vernünftig oder ambitioniert sind. Immerhin: Egal, wer die Wahl im Herbst gewinnt – jede Bundesregierung muss die Energiewende schaffen. Das ist längst keine Frage der politischen Färbung mehr. Die Menschen in Deutschland wollen den Sonnenstrom, das beweisen die Umfragen immer wieder aufs Neue. Dennoch: Ambitionierte und vernünftige Ziele werden nicht im Selbstlauf zur politischen Maxime. Das erleben wir täglich, nicht nur in der Energiewende. Neues kommt nur durch Druck in die Welt, durch den Druck der öffentlichen Meinung. Sie wird jedoch von den großen Energiekonzernen mit viel Geld manipuliert. RWE, Vattenfall oder Eon stützen sich auf ausgebuffte Agenturen und eingespielte Kanäle. Nicht zuletzt hängen die großen Zeitungen und Fernsehstationen am Tropf ihrer Marketingbudgets.
Die Photovoltaikbranche ist dagegen klein, eher mittelständisch organisiert. Kein Unternehmen kann zigtausend Euro für eine Anzeigenseite in einer der großen Zeitungen hinblättern. Dass die Journalisten deshalb lieber ihren Stammkunden zuhören, ist im wirtschaftlichen System der großen Medienhäuser verankert. Journalistische Objektivität und Unabhängigkeit – das ist eine Schimäre. Und weil die Photovoltaik eine ganz andere Technologie der Energieerzeugung ist als beispielsweise mit großen Kohlemeilern oder Atomkraftwerken, hat es auch keinen Sinn, die Marketingstrategien der großen Konzerne nachahmen zu wollen
Interne Querelen stören
Woran es krankt, ist die Kommunikation der guten, richtigen und vernünftigen Ziele in der Öffentlichkeit. Das hat sich die Solarbranche zum guten Teil selbst eingebrockt. Die Verfahren zu Antidumpingzöllen treiben einen Spaltpilz durch die Branche. Auch liefern sich Photovoltaiker und Solarthermiker lächerliche Schlachten, obwohl für beide Branchen genug Dächer und Geschäfte in Aussicht stehen. Statt einig und konzentriert aufzutreten, muss der BSW Solar einen Teil seiner Kapazitäten in die Schlichtung der tobenden Querelen stecken.
Schon gemerkt? Die Energiewende rollt! Nie war sie so mächtig in der Bevölkerung verankert wie heute. So haben sich in Berlin viele Bürger aufgemacht, um das Stromnetz in die eigenen Hände zu nehmen. Ein kommunales Stadtwerk soll die Energiewende in der Bundeshauptstadt beschleunigen. Noch kann der Platzhirsch Vattenfall auf gute Kontakte ins Rote Rathaus hoffen, sowohl zu den Christdemokraten als auch zu den Sozis. Aber schon bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus könnte das Thema die rot-schwarze Koalition hinwegschwemmen. Ähnliche Initiativen schießen überall in Deutschland aus dem Boden, bis hinunter nach Stuttgart.
So geraten alte politische Strukturen in den Strudel der Veränderungen, hängt mittlerweile auch das Überleben der alten „Volksparteien“ an der Energiewende. Kein Wunder, dass sich ihre führenden Köpfe gebärden, als wären sie selbst die Bosse der Energiekonzerne. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen: In den Reihen der Unionsparteien und sogar der Liberalen gibt es starke Kräfte, die eine ökologische Wende in der Energiepolitik befürworten und mitgestalten. Ihre Stunde wird bald schlagen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Ein Lichtblick: das Aktionsbündnis
Immerhin ist es ein Lichtblick, dass sich auf dem diesjährigen Branchentreffen in Bad Staffelstein spontan ein Aktionsbündnis „Sauber bleiben“ zusammenfand, um die Defizite in der Außenkommunikation der Solarbranche anzugehen. Rund 100 Leute fanden sich als Unterstützer, nun steht die Gründung eines Vereins bevor. Sein Ziel muss es sein, die bestehenden Strukturen der Verbände zu stärken, sie mit Geld und Ideen zu unterstützen. Dabei geht es vor allem um Ideen, denn das wirkliche Kapital einer erfolgreichen Kommunikationskampagne sind die vielen Mitarbeiter der Solarbranche im Land, die Unternehmen und Initiativen.
Eine Anlaufstelle für Ideen
Sie brauchen eine Anlaufstelle, damit sie ihre eigenen Netzwerke in den Kommunen und Landkreisen stärken. Die Energiewende ist eine dezentrale Aufgabe, und sie spricht sich in den Dörfern, Städten, Regionen und Ländern herum. Die Photovoltaik als tragende Säule unseres Energiesystems zu kommunizieren, gehört zur täglichen Aufgabe der Solarunternehmen und der Bürgerinitiative.
Davon hängen Umsatz, Marge und die Auftragslage wesentlich ab. Jeder Photovoltaikinstallateur sollte seine Abgeordneten kennen, Bürgermeister und Landräte mit Informationen versorgen und aktiv für neue Solarflächen werben. Denn die Energiewende wird mit Worten nur vorbereitet. Entscheidend ist jedes neue Kilowatt, das auf die Dächer kommt.
Bisher wenig Bedarf
Bislang war die Sonnenwende beinahe ein Selbstläufer. Nun kommt die Branche nicht nur im wirtschaftlichen Alltag an, sondern auch im politischen Tagesgeschäft. Es geht ums Ganze. Dabei können die Akteure in der Photovoltaik auf Botschaften bauen, die jedem Menschen mit gesundem Verstand einleuchten. Sie in politische Entscheidungen umzusetzen, bedarf vor allem der Basisarbeit. Der Verband und das neue Aktionsbündnis müssen die Installateure und Planer vor Ort beraten, ihnen Botschaften, Werbemittel und Leitfäden für die regionale Arbeit zur Verfügung stellen. Es gehört nun einmal nicht zu den Kernkompetenzen des Installateurs, mit dem Landrat oder der Abgeordneten essen zu gehen. So etwas lernt man nicht auf der Berufsschule oder im Meisterlehrgang. Doch gerade die Energiewende ist ein politisches Geschäft. Ein Netzwerk mit politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern zu spinnen, ist für den Erfolg der Installationsbetriebe und Architekten wesentlich. Denn da draußen warten genug Dächer für mehr als 200 Gigawatt.
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