Das Gericht der Europäischen Union hat die Klage gegen Hinkley Point abgewiesen. Die Kläger werden jetzt die nächste Instanz anrufen und vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Denn die Subventionen für den Strom aus Hinkley Point müssten auch die deutschen und österreichischen Kunden mittelbar mitbezahlen – über eine Verzerrung des Strommarktes.
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat als unterste gemeinschaftliche Instanz entschieden, dass eine Klage gegen die milliardenschweren Subventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point nicht zulässig sei. Die zehn klagenden Energieanbieter aus Deutschland und Österreich werden jetzt Rechtsmittel einlegen und in die nächste Instanz gehen: zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Zwar ist nach dem Votum für den Austritt des Vereinigten Königreichs durch die britischen Wähler überhaupt nicht klar, ob die Subventionen überhaupt noch für die EU relevant sind. Doch hat die Entscheidung auch grundlegende Relevanz. Denn wenn die Subventionen für Hinkley Point als rechtens gelten, könnte als Blaupause für andere Länder und Unternehmen dienen, ebenfalls neue Atomkraftwerke mit Steuergeldern zu unterstützen. Immerhin liegen Pläne für neue Atomkraftwerke unter anderem in Polen, der Slowakei, der Tschechische Republik und Ungarn offen auf dem Tisch. Zwar hat Prag die weitere Entwicklung erst einmal auf Eis gelegt, weil die Atomkraft überhaupt nicht mehr wirtschaftlich ist und auch in Polen ist die Finanzierung der Anlage noch längst nicht geklärt. Doch Ungarn ist mit seinem Projekt Paks II schon weit vorangeschritten. Immerhin sind die Regierungen in Warschau, Bratislava, Prag und Budapest im jetzt entschiedenen Verfahren auf der Seite der britischen Regierung eingestiegen, um ihre eigenen Atomsubventionen mit der gleichen Argumentation verteidigen zu können, die London vorträgt. Gegen Paks II ist sogar schon eine ähnliche Klage anhängig wie gegen Hinkley Point.
Brüssels Energiepolitik steht vor Gericht
Subventionen werden auf jeden Fall notwendig sein, da die Atomkraft angesichts der sinkenden Preise am Strommarkt überhaupt nicht mehr wirtschaftlich sein werden. „In unserer Klage geht es nicht nur um die wirtschaftliche Betroffenheit einiger Unternehmen und nicht allein um Fragen der britischen Nuklearförderung, sondern gerade im Hinblick auf die Gründe der Kommission, die Beihilfe zu genehmigen, auch um eine entscheidende Weichenstellung für die europäische Energiepolitik“, beschreibt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy, den viel driftigeren Grund, den Weg durch die Instanzen weiterzugehen. „Das Gericht verkennt aus unserer Sicht die Tragweite der Entscheidung, wenn es nun unsere Bedenken gegen die exorbitanten britischen Atomsubventionen abweist.“
Die Energiepolitik der Europäischen Kommission ist derzeit darauf ausgerichtet, die Atomkraft zu reaktivieren und damit die Energiewende zurückzudrehen. Doch wird das immense Konsequenzen für den Stromkunden haben. Immerhin braucht Hinkley Point während seiner Betriebszeit eine garantierte Einspeisevergütung in einer Höhe, von der die Ökostromproduzenten nur träumen können. Am Ende wird der Atomstrom aus dem Reaktor in Westengland 108 Milliarden britische Pfund kosten – zusätzlich zu den Erlösen am Strommarkt. So haben es die Analysten des Marktforschungsinstitut Brainpool ausgerechnet. Dazu kommt noch ein Inflationsausgleich und auch die Kosten für die Lagerung des Atommülls und Rückstellungen für den Abbau des Kraftwerks sind hier noch nicht mit eingerechnet.
Verzögerung ist ein Teilerfolg
Zu den Klägern gehören neben Greenpeace Energy noch der österreichische Versorger Oekostrom, die Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch-Hall und Tübingen sowie die Energieversorgung Filstal. Die offizielle Klage lautet auf Wettbewerbsverzerrung. Denn mit den Subventionen für den Strom aus dem Reaktor in Hinkley Point kann der Betreiber – die französische EDF – diesen unabhängig vom Marktpreis verkaufen. Das wird den Börsenstrompreis auch in Deutschland messbar beeinflussen, wie die Kläger mit einer Studie im vergangenen Jahr belegt haben. Mit sinkenden Börsenstrompreisen werden die Verkaufserlöse für Ökostrom geringer, der mit dem EEG gefördert wird. Dies würde zu einem Anstieg der EEG-Umlage führen. Damit besteht die Gefahr, dass die deutschen Stromkunden mehr für das Zurückdrehen der Energiewende bezahlen müssen, als für dessen Vorankommen. Paradoxerweise sogar noch über den gleichen Umlagemechanismus.
Die die Kläger zeigen sich optimistisch. „Durch unsere Klage und die damit verbundene Aufmerksamkeit haben wir erreicht, dass die juristischen und wirtschaftlichen Probleme im Energiebinnenmarkt offenkundig wurden, die dieses riskante AKW-Projekt schon jetzt deutlich verzögern“, erklärt Sönke Tangermann. „Dies ist ein Teilerfolg. Trotz des heutigen Gerichtsurteils werden wir uns weiter mit aller Kraft gegen Hinkley Point C und andere AKW-Projekte in Europa engagieren, gerade weil Großbritannien und EDF berechtigte Kritik ignorieren und das Projekt ohne Rücksicht auf Verluste fortsetzen wollen, gegen jeden wirtschaftlichen, umwelt-, sozial und marktorientierten Sachverstand.“ (su)