Ein schlechtes Zeugnis stellt die IG Metall der Solarbranche aus: Es gebe Mängel in der Mitbestimmung und ein zu geringes Lohnniveau bei Leiharbeitern. Mit Blick auf die Probleme zahlreicher deutscher Photovoltaik-Hersteller plädiert die Gewerkschaft aber auch für eine stärkere finanzielle Förderung von Anlagen mit europäischen Modulen.
"Bei vielen Solarherstellern herrscht ein Höchstmaß an Heuchelei", sagte Detlef Wetzel der Welt am Sonntag. Der Vizechef der IG Metall kümmert sich im Vorstand um die Betriebe aus der Erneuerbare-Energien-Branche. "Die Branche ist hoch subventioniert. Da ist es nicht akzeptabel, wenn gleichzeitig die Leute schlecht behandelt werden." Der Gewerkschafts-Vorstand sagte der Zeitung, es gebe Betriebe, in denen Leiharbeiter mit 1.000 Euro brutto im Monat abgespeist würden. In solche Firmen wolle die IG Metall nun Tarifstandards tragen.
Nur wenige Verträge mit IG Metall
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) wollte zum Thema keine Stellung nehmen. Diese Entscheidung bedeute aber nicht, dass den Verband das Thema Arbeitsbedingungen nicht interessiere. "Tatsache ist nur, dass wir ein Wirtschafts-, nicht aber ein Arbeitgeberverband sind", stellte ein Sprecher des BSW klar. Je nach Wertschöpfungsstufe seien die Verbandsmitglieder teilweise über Metallarbeitgeberverbände und ähnliche Organisationen mit dem Thema befasst.
Das reicht nach Ansicht der IG Metall noch nicht aus. Bislang hätten nur die Bosch-Solartochter und die Solarfabrik Freiburg Verträge mit der Gewerkschaft geschlossen. Hinzu kämen vereinzelte Unternehmen, die sich in Betriebsvereinbarungen an den Gepflogenheiten der Metall- und Elektroindustrie orientierten. Schott Solar und Solarworld gehörten ebenfalls zu den Arbeitgebern mit anständigen Bedingungen und Verdienstmöglichkeiten. Beide Firmen folgen den Tarifwerken, die die Chemiegewerkschaft IG BCE in ihrer Branche etabliert hat.
Gewerkschaft will "Nationale Initiative Solarwirtschaft"
Das seien aber nur Einzelfälle: Die IG Metall hat laut dem Bericht eine Liste von rund 80 Branchenunternehmen mit 18.000 Beschäftigten, die sie nun beackern will. Es sollen darunter jede Menge bekannter Namen sein: Conergy etwa, Aleo Solar, Q-Cells, Solon oder First Solar. Dort wolle die Gewerkschaft Mitbestimmung etablieren und die Belegschaft von einer Mitgliedschaft in der Arbeitnehmervertretung überzeugen. Das Kalkül der IG Metall: Machtposition in der Belegschaft aufbauen und mit diesem Druckpotenzial die Firmen auf jenen Tarifvertrag verpflichten, der mit Bosch Solar geschlossen wurde. Der gelte jetzt als Referenz in der Branche. Allerdings gibt es nach Schätzung der IG Metall nur in jeder dritten Firma überhaupt einen Betriebsrat. Und was viel schwerer wiegt: Derzeit tragen zahlreiche Solarunternehmen einen Überlebenskampf aus.
Deshalb fordert Wetzel die Politik zum Handeln auf: "Wer Solarmodule mit dem Siegel 'Made in Europe' installiert, sollte eine höhere Einspeisevergütung bekommen." Davon sollen vor allem deutsche Hersteller profitieren, die derzeit unter der harten Konkurrenz asiatischer Solarproduzenten leiden. Der Gewerkschafter macht sich für eine "Nationale Initiative Solarwirtschaft" stark. Dort sollten angesichts der Branchenprobleme industriepolitische Strategien und Innovationen besprochen werden. (Birthe Bruhns)