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Im Schatten des Butterbergs

Es gibt ein bezeichnendes Symbol für Europa: seine Butterberge. Seit 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ins Leben gerufen wurde, profitierten die Bauern von großzügigen Subventionen. Um Mangel an Lebensmitteln vorzubeugen, garantierten die EWG-Staaten ihren Produzenten, Milch und Butter zu festen Preisen abzunehmen. Eine Erfolgsgeschichte. Bis in den 70er-Jahren erstaunliche Fernsehbilder um die Welt gingen: Bayerische Bagger schoben ranzige Butter in die Grube. Das war zu viel des Guten, Brüssel intervenierte. Doch erst 2007 war der letzte der legendären Butterberge abgetragen.

Gut gemeint, schlecht gemacht

50 Jahre dauerte es, um eine verfehlte Subventionspolitik zu korrigieren. Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Offensichtlich trat den Parlamentariern in Brüssel deshalb der Angstschweiß auf die Stirn, als sie über neue Berge abstimmten: Berge von Altmodulen. Kurz und entschieden beendeten sie eine jahrelange Hängepartie um die Entsorgung der Solargeneratoren. Die sogenannte Richtlinie für Elektronikschrott (Waste of Electrical and Electronic Equipment: WEEE) wurde auf die Photovoltaik ausgedehnt.

Damit waren jahrelange Debatten mit einem Schlag zu Ende. Bis Februar 2014 haben die Mitgliedsländer Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetze umzusetzen. In Deutschland gilt dafür das Elektroaltgerätegesetz, das sich derzeit in der Überarbeitung befindet. So wird es künftig 27 verschiedene Gesetze in 27 Mitgliedsstaaten geben, nach denen sich die Modulhersteller richten müssen. Spätestens ab 2014 dürften die neuen Spielregeln für die Erfassung und das Recycling der Paneele gelten.

1,4 Millionen VW-Golf

Die Modulberge liegen so fern vor uns wie der Butterberg in der Vergangenheit zurück. Der Branchenverband PV Cycle hat 2011 rund 1.500 Tonnen Altmodule eingesammelt. Doch die Aussichten sind düster: In Deutschland wurden 2010 rund 740.000 Tonnen Solarmodule verkauft. In ganz Europa waren es ungefähr 1,4 Millionen Tonnen. „Das sind 1,4 Millionen VW-Golf, ein riesiger Berg“, wie Wilfried Taetow vorrechnet. Er ist Präsident von PV Cycle. „Dieser Berg wird immer größer.“ 2011 kamen 750.000 Tonnen allein in Deutschland obendrauf, 2012 noch einmal so viel. Zwar sollen Solarmodule mindestens 20 Jahre stromen, „aber die technische Lebensdauer der Solarmodule sagt nichts über die tatsächliche Gebrauchsdauer aus“, wie es Taetow formuliert. „Es kann sein, dass Module abgebaut werden, wenn die Einspeisevergütung ausläuft. Wir wissen es nicht.“

Denkbar ist, dass Anlagenbetreiber ihre Generatoren durch neue, leistungsfähigere Solarmodule modernisieren, bevor deren Lebensdauer abläuft. In der Windbranche ist das sogenannte Repowering bereits sehr verbreitet. Zwischen 2010 und Mai 2013 hat PV Cycle europaweit rund 6.212 Tonnen Altmodule eingesammelt.

Bisher kümmerte sich nur PV Cycle darum, Altmodule einzusammeln und zu verwerten. Im Juni 2013 verfügte der Branchenverband über 294 Sammelstellen in den 27 Mitgliedsstaaten. 719 Mitglieder zahlen ihre Beiträge an das Büro in Brüssel. Große Modulhersteller mit mehr als 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr blättern dafür jährlich 25.000 Euro auf den Tisch. Hinzu kommt die sogenannte Contribution Fee für die eingesammelten Module.

Auch Importeure sind verantwortlich

Fallen die Module unter die Verordnungen für Elektronikschrott, muss jeder Hersteller für die Entsorgung der Module selbst aufkommen, in jedem Land, in dem er seine Module vertreibt. „Hersteller sind aber nicht nur die Produzenten der Module“, präzisiert Taetow. „Es sind auch die Importeure. Jeder, der Solarmodule als Erster auf den deutschen Markt bringt, wird in die Pflicht genommen.“

Das gilt auch für Installateure, die direkt in Asien einkaufen und die Module nach Europa verschiffen. In Deutschland brauchen sie dafür eine Registriernummer beim Elektro-Altgeräte-Register, kurz Stiftung EAR genannt. Sie müssen ein eigenes Sammelsystem und eine Insolvenzgarantie vorweisen. Bisher hat nur der amerikanische Dünnschichthersteller First Solar solche Rücklagen aufgebaut.

Absicherung wird Pflicht

Was First Solar seinerzeit freiwillig absicherte, wird nun Gesetz. „Jeder Hersteller oder Importeur von elektronischen Geräten braucht von der Stiftung EAR eine WEEE-Registrierungsnummer, die er auf der Geschäftspost führen muss“, erläutert Oliver Friedrichs, Vorstand des Verbandes zur Rücknahme und Verwertung von Elektroaltgeräten (Take-E-Way) in Hamburg. „Um diese Nummer zu erhalten, muss das Unternehmen verschiedene Informationspflichten erfüllen und eine insolvenzsichere Garantie nachweisen. Die Garantiesumme ist außerhalb des Betriebsvermögens abzusichern. Die Garantiesumme soll die Rücknahme von Altgeräten für den Fall absichern, dass der letzte Hersteller einer Geräteart aus dem Markt austritt.“

Der Regelsatz bemisst sich beispielsweise nach der durchschnittlichen Lebensdauer der Geräte sowie nach den zu erwartenden Recyclingkosten und der Rücklaufquote. „Die Summe ist zum Beispiel über eine Bankbürgschaft, eine Versicherung oder über ein kollektives Herstellergarantiesystem abzudecken“, sagt Oliver Friedrichs. „Die Stiftung EAR erteilt dann die Registrierungsnummer in der Regel innerhalb von sechs bis acht Wochen nach Eingang aller Unterlagen.“

Das neue Gesetz liegt im Entwurf noch nicht vor, bis zur Wahl bleibt er im Eisschrank. Einige wichtige Details sind noch unklar. So wird derzeit gestritten, ob die Photovoltaik eine eigene Sammelgruppe bekommt. Das würde bedeuten, dass die Recyclinghöfe der Kommunen eigens dafür Container aufstellen müssen.

Bundesweit gibt es rund 3.000 kommunale Sammelstellen, viele haben keinen Platz für neue Großcontainer. „Erhalten die Solarmodule keine eigene Sammelgruppe, werden sie vielleicht zu den Kühlschränken oder Waschmaschinen gepackt“, sagt Wilfried Taetow. „Das erschwert die Erfassung und das Recycling.“ PV Cycle hat faltbare Container entwickelt, um das Platzproblem zu lösen. Außerdem landen bisher nur wenige Module in den Sammelstellen, die Lawine der Altmodule rollt erst im Laufe der nächsten Jahre an.

Die Kostenlawine rollt

Dasselbe gilt bei der Kostenlawine für die Produzenten und Installateure. Denn die Rücknahme und das Recycling von Solarmodulen darf den Solarkunden nichts kosten, das ist bereits klar. „Allein für den Abbau und den Transport zur Sammelstelle ist der Besitzer verantwortlich“, meint Taetow. „Für Hersteller und Importeure stellen natürlich die Entsorgungskosten und die damit verbundenen Verwaltungskosten zusätzliche Kosten dar, die in die Gesamtkalkulation eingehen müssen. Weitere Kosten für die nationale Registrierung, das Reporting und die Finanzgarantie kommen hinzu.“ PV Cycle ist zurückhaltend, was die Preise für 2014 betrifft. „Dazu müssen wir das neue Gesetz kennen. Denn der Preis hängt von den Sammelstellen, der Rücklaufquote und den Vorschriften für die Verwertung ab.“ In Italien und Tschechien sind die Spielregeln schon bekannt, dort wurden bereits nationale Gesetze erlassen. „Das Teure am Recycling sind die Sammlung und der Transport der Altmodule“, weiß Taetow. „Sie verursachen etwa zwei Drittel der Kosten pro Tonne. Nur ein Drittel entfällt auf die eigentliche Verwertung.“

Basis der Altgeräteverordnung ist die Kennzeichnungspflicht. Künftig muss auch auf Solarmodulen das Kennzeichen der durchgestrichenen Abfalltonne gemäß DIN EN 50419 aufgebracht sein. Es signalisiert dem Endkunden, dass er das Modul nicht in den Restmüll abgeben darf. Auch muss der Markenname des Solarmoduls deutlich erkennbar sein, um den eindeutigen Bezug zum Hersteller zu erlauben. „Die Modulnummer reicht dafür voraussichtlich nicht aus“, präzisiert Oliver Friedrichs, der das Geschäft mit Kühlschränken, Waschmaschinen und Computern aus dem Effeff kennt. „Im Internet ist bei der Stiftung EAR eine Liste der registrierten Markennamen pro Hersteller hinterlegt, die jeder Bürger oder auch jeder Wettbewerber einsehen kann. Sie veröffentlicht, ob die Module registriert sind.“

Free Riders landen beim Staatsanwalt

Damit wird verhindert, dass nicht abgesicherte Module in Umlauf kommen. „Trittbrettfahrer“ oder „Free Riders“ nennt man Modulhersteller, die nicht Mitglied bei PV Cycle sind, aber deren Altmodule in den Sammelstellen landen. Dafür zahlen die ordentlichen Mitglieder stillschweigend mit, zumindest bisher. „Wer ab Ende 2013 Module verkaufen will, muss bei der EAR registriert sein und eine Nummer haben“, warnt Wilfried Taetow. „Free Rider landen vorm Staatsanwalt.“ Alle Fäden laufen bei der Stiftung EAR zusammen: Jeder Hersteller oder Importeur von Elektrogeräten – künftig auch Solarmodulen – ist verpflichtet, der EAR die Jahresplanmengen zu melden, ebenso die monatlichen Absatzmengen. Am Ende des Jahres folgt eine Abschlussmeldung über die tatsächlich abgesetzten Modulmengen. Darin teilen die Hersteller mit, welche Gewichtsmengen sie in Umlauf bringen werden oder in Umlauf gebracht haben sowie welche Mengen im Gesamtjahr entsorgt und welche Recyclingquoten erreicht wurden.

Speziell in Deutschland gilt eine geteilte Verantwortung zwischen Kommunen und Herstellern. Für die Annahme der Altgeräte am Recyclinghof darf die Kommune keine Gebühren verlangen. Ab dem Recyclinghof sind die Hersteller verantwortlich. Die Altgeräte werden nach Sammelgruppen getrennt in großen 30-Kubikmeter-Containern oder speziellen Sonderformaten erfasst.

Geteilte Verantwortung

Ist einer der Container voll, meldet die Kommune bei der EAR die Abholung an. Das elektronische Abholsystem weist die Abholung des Containers einem Hersteller als Auftrag zu. „Er muss den Container innerhalb von 72 Stunden abholen und einem qualifizierten Entsorgungsbetrieb übergeben, auch wenn sich darin kein einziges Gerät aus seiner Produktion befindet“, erläutert Oliver Friedrichs geltendes Recht und Praxis. „In der Regel arbeiten die Hersteller mit Entsorgungsfachbetrieben zusammen, die sowohl die Abholung als auch die Verwertung organisieren.“ Nach seiner Auffassung ließe sich das eingespielte System problemlos auf Solarmodule ausweiten. „Es macht keinen Sinn, speziell für die Solarmodule ein eigenes System der Erfassung und Sammlung aufzubauen“, warnt er. „Die Kosten wären immens.“

Zurzeit ist die Rücklaufmenge der Solarmodule noch sehr gering. Dafür braucht man keine Großcontainer, dafür reichen Standardpaletten völlig aus. „Auf diese Weise lassen sich zusätzliche Investitionen vermeiden“, meint der Hamburger Experte. „Zumal die meisten Recyclinghöfe ohnehin kaum Platz haben, um noch einen Container aufzustellen.“ Weil die Stiftung EAR alle Arten von Altgeräten gleichermaßen erfasst, setzt sie enorme Mengen um. Deshalb wurden die Gebühren in den vergangenen Jahren mehrfach abgesenkt. Take-E-Way bietet den Unternehmen ab einer Jahresgebühr von 298 Euro die komplette Abwicklung aller Pflichten aus dem Elektroaltgerätegesetz inklusive Managementkosten, insolvenzsicherer Garantie, Rücknahme und Verwertung sowie aller Meldepflichten bei der EAR an.

Wo liegt der Gewinn?

Bislang war nur die Rede von den Kosten, die durch die Rücknahme und die Verwertung der Altmodule entstehen. Es ist an der Zeit, einen Blick auf die Gewinne zu werfen. Denn das Recycling verspricht am Ende der Laufzeit eines Solargenerators ein erhebliches Plus, zumindest für den Anlagenbetreiber. Siegfried Schimpf von Gehrlicher Solar hat den Rückbau und das Recycling eines Zehn-Megawatt-Parks durchgerechnet. Sein Resümee: „Eine solche Anlage ist eine wahre Goldgrube.“

Schimpf kalkulierte 140.000 Cadmiumtelluridmodule von First Solar, zehn Wechselrichter mit je einem Megawatt Leistung, 1.500 Tonnen Stahl für die Unterkonstruktionen und 30 Hektar Fläche, die nach dem Rückbau wieder genutzt werden sollen, beispielsweise für eine Gärtnerei. Die wirtschaftliche Bilanz des Rückbaus und der Verwertung ergibt sich aus den Kosten für Arbeit und Maschinen sowie der Bauleitung und Planung der Demontage.

Als Ausgaben schlagen auch die Kosten für zu entsorgende Stoffe zu Buche. Einnahmen ergeben sich auf der Wiederverwertung der Wertstoffe. Schimpf setzte 1.500 Euro je Tonne Kupferschrott an. Aktuell ist eine Tonne mehr als 4.800 Euro wert. Für Alu setzte Schimpf 450 Euro pro Tonne an (aktuell: 600 bis 800 Euro). „Der große Vorteil ist: Die Module werden von First Solar zurückgenommen“, sagt er. „Wir müssen sie nur in die Container stellen, die vom Hersteller abgeholt werden.“

Für die Demontage pro Modul wurden drei Minuten gerechnet, das ergibt 6.800 Personenstunden. Die Demontagekosten für die Module belaufen sich auf rund 200.000 Euro. Für die Planung und Bauleitung setzte Schimpf rund 21.000 Euro je Megawatt an. Hinzu kommen Kosten für den Rückbau der Zäune, der Fundamente und die Bodenbereinigung. Alles in allem kostet der Rückbau rund 320.000 Euro.

Wenn man sich einen Kabelschredder an die Baustelle stellt, kann man die Isolierung vom Kupfer trennen. Dann erzielt man höhere Altmetallpreise. Verzinkter Stahl bringt kaum etwas ein, wohl aber Aluminium. Bei 140.000 Modulen fallen rund 50 Tonnen Modulklemmen an, die etwa 22.000 Euro erlösen. Ungeschredderte Kupferkabel bringen weitere 90.000 Euro ein. Macht in der Summe 112.000 Euro Einnahmen.

Silizium lohnt nicht

Die Einnahmen aus dem Recycling der Module gehen an den Hersteller. First Solar nutzt ein Säuregemisch, um das Cadmiumtellurid zurückzugewinnen. Der Glasbruch wird an Glashersteller verkauft, als Schrot für das Gemenge von Flachglas. Gerahmte kristalline Module, die mehr als 90 Prozent des Marktes stellen, werden meist von Hand entrahmt und danach in den Glasschredder geschickt. Da macht sich kaum jemand die Mühe, die Busbars aus Kupfer oder die dünnen Siliziumwafer herauszuholen. Das lohnt sich nicht, zumal der Materialeinsatz für die Kontaktierung der Module immer geringer wird. Auch die Waferdicke schrumpft.

Ein wirtschaftliches Plus ist nur aus den Metallen zu erwarten, dessen ist sich Siegfried Schimpf sicher. „Setzt man die lineare Steigerung der Preise bei Aluminium oder Kupfer an, kann man damit sehr viel Geld verdienen“, urteilt er. „Wir werden keine Kosten haben, sondern Geld verdienen. Die Erlöse sind eine Chance, weil Rohstoffe und Energie in Zukunft teurer werden.“ Nach den Altmetallpreisen aus dem August 2012 gerechnet, sind es schon 288.000 Euro für das Kupfer plus 39.000 Euro für die Aluklemmen. Summa summarum ergeben sich 327.000 Euro Einnahmen. Ein Plus von 7.000 Euro für den Anlagenbetreiber, das in den kommenden Jahren weiter wachsen dürfte.

Für die Hersteller der Module bieten diese Aussichten wenig Trost. Der bisherige Entwurf der Novelle des Altgerätegesetzes sieht vor, Solarmodule mit Unterhaltungselektronik gleichzusetzen und in denselben Containern zu sammeln. Dagegen fordert PV Cycle weiterhin eine eigene Sammelgruppe. Dann wäre es leichter, die Module ins Altglas zu schieben. Denn da landen sie gegenwärtig, nachdem die Rahmen abmontiert wurden: erst im Schredder und dann im Gemenge für Glas minderer Qualität. „Seit Juni 2010 lassen wir europaweit recyceln“, berichtet Wilfried Taetow von PV Cycle. „Je größer die Mengen, desto stärker sinkt der Preis.“ Bisher muss PV Cycle für jede Tonne zahlen. „Aber wir hoffen, bald eine schwarze Null oder gar einen Überschuss zu erzielen.“

Ein Markt fürs Recycling

In der Elektrobranche haben die EU-Richtlinien und die Gesetze zur Kreislaufwirtschaft einen erheblichen Recyclingmarkt geschaffen. Ein Markt, der angesichts knapper werdender Rohstoffe eine eigene Dynamik entfaltet. „Als das Elektroaltgerätegesetz in Kraft trat, mussten die Hersteller für jede Tonne Haushaltsaltgeräte rund 170 Euro zahlen“, erinnert sich Oliver Friedrichs von Take-E-Way. „Jetzt bekommen sie dafür teilweise bis zu 200 Euro. Die sicheren und kalkulierbaren Stoffströme führten zu hohen Investitionen der Recyclingwirtschaft. Es ist ein harter Wettbewerb um die werthaltigen Elektroaltgeräte entstanden.“

Nur wenn größere Materialströme im System vorhanden sind, wird das Interesse der Recyclingindustrie geweckt. Nur dann entsteht ein Markt für die Wertstoffe. „Der Wettbewerb greift, und die Recyclingkosten sinken“, meint Friedrichs. „Das sollte man ruhig dem Markt überlassen.“ Der Branchenverband PV Cycle hat es nicht geschafft, in Brüssel eine Lex Solar durchzubringen. Zu mächtig war der Schatten, den der Butterberg aus der Vergangenheit warf. Gescheitert ist PV Cycle auch mit dem Ansinnen, neue Technologien für das Recycling von Solarmodulen zu unterstützen. Die eingesammelten Module werden in Belgien zu Glasgranulat zerhackt, bei Firmen wie Reiling oder Maltha. Das ist keine Innovation, nicht einmal Recycling. Der Fachbegriff lautet: Downcycling zu Schwarzglas.

Junge Firmen strampeln sich ab

Dagegen strampeln sich neue Firmen wie Saperatec und Loser Chemie regelrecht ab, um wenigstens ein paar Module aus der Branche abzustauben. Ganz abgesehen von kalkulierbaren Stoffströmen. Saperatec in Bielefeld hat einen ökologischen Tensidcocktail entwickelt, der die Halbleiter von Dünnschichtmodulen auflöst und wiedergewinnt. Dazu gehören seltene Rohstoffe wie Indium, Gallium, Germanium, Tellur oder Selen, aber auch als gefährlich eingestufte Stoffe wie Cadmium. Gläser und Rahmen werden vollständig verwertet, gewonnene Folien als Isolier- und Bindematerial energetisch genutzt. Insgesamt erreicht Saperatec mit seinem Prozess eine Recyclingquote von mehr als 95 Prozent. Die Technologie lässt sich stufenlos skalieren, sie eignet sich nicht nur für Solarpaneele, sondern auch für andere Verbundmaterialien.

Loser Chemie nutzt klassische Säurebäder, um die Module zu zersetzen. Beide Anbieter befinden sich im Pilotstatus, können also nur kleine Mengen verwerten. Denn alle Altmodule werden von PV Cycle aus dem Markt gesaugt und in den Glasschredder geschickt. Solarworld hatte ein großes Recyclingwerk in Bitterfeld geplant, nach dem Vorbild einer früheren Pilotanlage in Freiberg. Die Jahreskapazität soll 20.000 Tonnen betragen, doch mittlerweile ist es um das Projekt „Solarcycle“ sehr still geworden. Kein Wunder: „Die geringen Abfallmengen in der Photovoltaik erlauben es derzeit noch nicht, ein wirtschaftliches System der Rücknahme und Verwertung aufzubauen“, schätzt Branchenkenner Oliver Friedrichs ein. „Es ist sinnlos, leere Sammelstellen und leere Strukturen aufzubauen, nur weil irgendwann in einigen Jahren die Stoffströme steigen. Ähnliches gilt für die Technologie zur Verwertung der Module. Um eine Anlage wirtschaftlich zu betreiben, braucht man sicherlich 15.000 bis 30.000 Tonnen im Jahr.“

http://www.pv-cycle.org

https://www.saperatec.de/de/

https://www.take-e-way.de/

http://www.stiftung-ear.de

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