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Jetzt wird es ernst

Deutschland, Vorzeigeland in Sachen Wiederverwertung? Deutschland, das Schlusslicht: Seit Jahren gilt die europäische Richtlinie WEEE, die neuerdings auch die Rücknahme und Verwertung von Solarmodulen regelt. Doch die größte Nation der Gemeinschaft hat es erst jetzt geschafft, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Oder ist auf dem Wege dahin.

Zumindest liegt ein Entwurf für ein deutsches Altgerätegesetz auf dem Tisch, allerdings steht er noch am Anfang des parlamentarischen Prozedere. „Der vorliegende Entwurf ist politisch mehrheitsfähig“, urteilt Jürgen Fuchs, Prokurist der Landbell AG und Vertriebsleiter des Tochterunternehmens E-Bell Recycling. Landbell ist seit Jahrzehnten schon im Recyclinggeschäft aktiv. E-Bell wurde gegründet, um beispielsweise im wachsenden Markt für Photovoltaikschrott mitzumischen. „Wir warten nun auf die Einarbeitung der Änderungsvorschläge aus der Industrie und von Dienstleistern. Das Gesetz könnte zum Jahresbeginn 2015 in Kraft treten.“

Langsam dreht sich die Mühle

Fuchs ist ein alter Hase im Altstoffmarkt. Er weiß, die Mühlen des Gesetzgebers mahlen langsam. Ist das Gesetz jedoch einmal in der Welt, gilt seine ganze Strenge. „Erstaunlicherweise erleben wir in unseren Gesprächen, dass viele Modulhersteller sehr zurückhaltend sind“, analysiert er. „Wir machen auf eine Thematik aufmerksam, die unweigerlich kommen wird. Viele Modulhersteller schieben das Problem vor sich her, als wenn sie noch viel Zeit hätten.“

Möglicherweise wird es im Gesetz nur kurze Übergangsfristen geben. Dann müssen die Hersteller zum Jahresbeginn ihre in den Umlauf gebrachten Mengen melden und bei der Stiftung EAR die notwendigen Daten abliefern.

Die Stiftung EAR (Elektroaltgeräteregister) ist die Dachorganisation für Elektronikschrott, bei ihr laufen die logistischen Fäden der Rücknahme und Verwertung alter Solarmodule – und Wechselrichter – zusammen. „Diese Daten muss man vorbereiten, das braucht Zeit“, meint Jürgen Fuchs. „Einige Hersteller befassen sich damit bereits, aber das Gros schiebt das Problem auf die lange Bank. Das ist sehr bedenklich.“

Nach Auffassung von Jochen Stepp, dem Geschäftsführer des Dienstleisters Take-E-Way, könnte das Gesetz durchaus erst zur Jahresmitte 2015 in Kraft treten. Denn die Anhörungen zum Erstentwurf sind noch nicht eingearbeitet. Ein Referentenentwurf aus dem Bundesumweltministerium müsste zunächst nach Brüssel eingereicht werden, um seine Konformität mit der WEEE zu prüfen. Erst danach wird er im Kabinett beraten, das Sprungbrett zum Bundestag und zum Bundesrat.

Irgendwann 2015 kommt das Gesetz

Weil im Recycling die Länder und Kommunen mit ihren Wertstoffhöfen und den öffentlich-rechtlichen Abfallbetrieben ein gewichtiges Wörtchen mitreden wollen, wird der Bundesrat sicher etliche Nachbesserungen wünschen. „Dann muss das Gesetz erneut mit Brüssel abgestimmt werden“, erläutert Stepp. „Das kann lange dauern, wie Erfahrungen mit ähnlichen Vorhaben zeigen.“

Sei es, wie es sei: Im Laufe des kommenden Jahres wird es ein Gesetz geben. Dann sind die Hersteller von Solarmodulen verpflichtet, ihre Handelsmengen zu melden und sich an der Rücknahme zu beteiligen. „Die Vorgaben aus der europäischen Richtlinie wurden praxisnah umgesetzt“, urteilt Jochen Stepp. „Allerdings ist die Vorlage in einigen Punkten sehr vage. Zum Beispiel beim Abbau der Module und bei der Abholung von der Baustelle, wenn die Module nicht zuerst beim Recyclinghof landen. Da sind günstige Wege zur Logistik offengelassen.“

Module wie Kühlschränke

Derzeit hat Take-E-Way rund 3.000 Hersteller von Elektroprodukten und Elektronik unter Vertrag, um in ihrem Auftrag die Meldepflichten oder Rücklagen für das Recycling zu erledigen. „Wir können alle Pflichten übernehmen“, erläutert Jochen Stepp. „Das beinhaltet auch alle Versicherungen und die Meldung an die Stiftung EAR.“ Derzeit ist er mit dem Zentralverband des Elektrohandwerks im Gespräch, um der Photovoltaikbranche eine gemeinsame Lösung anzubieten.

Fakt ist: Solarmodule bekommen eine eigene Sammelgruppe, wie die sogenannten weißen Geräte (Geschirrspüler, Waschmaschinen, Kühlschränke) oder Computer und Hifi-Anlagen. Um sie zu erfassen, werden künftig spezielle Container oder Paletten genutzt. Denkbar ist auch, beim Austausch von Modulen die Lieferverpackung der neuen Paneele zu verwenden.

Seit Jahren kümmert sich der Branchenverband PV Cycle um ein geeignetes Konzept für die Altmodule. PV Cycle hat innerhalb der EU nationale Büros gegründet. Die deutsche Dependance in München wird von Landesmanager Andreas Hess geleitet. „Den vorliegenden Entwurf zum Elektrogesetz bewerten wir sehr positiv, weil er das Verfahren am Ende der Lebensdauer der Photovoltaikkomponenten klar regelt“, sagt er. „Damit ist sichergestellt, dass Altmodule sachgerecht gesammelt und entsorgt werden.“ Zwar seien noch einige Details zu korrigieren, aber klar ist: „Der Endverbraucher darf nicht mit den Kosten der Rücknahme und Entsorgung belastet werden.“

1.000 Container im Einsatz

PV Cycle hat eigene Sammelcontainer entwickelt. Mehr als 1.000 Stück sind europaweit im Einsatz, an mehr als 300 Sammelplätzen. „Unsere Modulcontainer sind 1,80 Meter lang, 1,20 Meter breit und 1,20 Meter hoch. Die Module werden von oben eingelegt“, erläutert der Experte. „Das soll künftig nicht mehr erlaubt sein. Deshalb sollten für die Sammelgruppe 6, zu der die Solarmodule gehören, auch Container verwendet werden dürfen, die man von oben befüllen kann.“

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Container ab einem Fassungsvermögen von drei Kubikmetern von den Recyclinghöfen abgeholt werden müssen. „Wir schlagen eine untere Grenze von 2,5 Kubikmetern vor, weil man dieses Volumen mit normalen Hubwagen bewältigen kann“, meint Hess. „Das entspricht unseren Sammelcontainern, die wir vielfältig erprobt haben.“

Auch will der Gesetzgeber unterbinden, dass privatwirtschaftliche Sammelsysteme wie PV Cycle mit den kommunalen, öffentlichen Recyclinghöfen weiter kooperieren. Auch an dieser Stelle wünscht sich Andreas Hess mehr Offenheit und Vielfalt. „Zwar dürfen wir unsere Sammelcontainer bei Installateuren oder an anderen Orten aufstellen, aber künftig nicht mehr auf dem Recyclinghof der Kommunen“, kritisiert er. „Aus ökologischen Gesichtspunkten sollte man eine Zusammenarbeit mit einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger als freiwillige Sammelstelle nicht grundsätzlich ausschließen.“ Auch sollten Sammelstellen für Endverbraucher und für gewerbliche Kunden getrennt werden.

Derzeit kann der Installateur bis zu 40 Altmodule beim kommunalen Recyclinghof in seiner Nähe abliefern. „Das wird künftig sehr erschwert. Deshalb schlagen wir vor, individuelle Rücknahmesysteme speziell für die Sammelgruppe 6 auch in Kooperation mit kommunalen Höfen zu ermöglichen.“

Wie diese Details am Ende tatsächlich aussehen, wird das weitere Verfahren zeigen. Für die Installateure wichtig zu wissen ist, dass auch Wechselrichter unter den Geltungsbereich des Elektroaltgerätegesetzes fallen, und zwar schon seit 2005. „Wer ausländische Module oder Inverter erstmals in Deutschland in Verkehr bringt, gilt als Produzent im Sinne des Elektrogesetzes“, erklärt Andreas Hess. „Auch wenn er die Wechselrichter in Italien oder Frankreich gekauft hat.“ Überschreitet er eine innereuropäische Grenze, muss der Importeur alle Meldepflichten bei der Stiftung EAR erfüllen, ebenso die finanziellen Sicherheiten hinterlegen und sich an der Rücknahme beteiligen. Andernfalls drohen hohe Strafen bis hin zu einem Verkaufsverbot.

„Dass auch die Wechselrichter unter das Gesetz fallen, ist vielen Anbietern in der Solarbranche noch gar nicht bewusst“, kritisiert Hess. „Auch bei den Batterien sind die Vorgaben zur Rücknahme und Entsorgung zu beachten.“ Dafür gilt das Batteriengesetz. Hier ist die Stifung Gemeinsames Rücknahmesystem (GRS) zuständig.

Wenn der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts für das neue Rücknahmegesetz vorliegt, muss er die parlamentarischen Hürden im Bundestag und Bundesrat überwinden. Möglicherweise werden die endgültigen Details noch vor Weihnachten feststehen. Auskunft über den Stand des Verfahrens geben der BSW-Solar und die erwähnten Experten bei den Dienstleistern der Entsorgungswirtschaft.

http://www.pv-cycle.org

Historischer Abfall

Drohender Kostenberg

Besonders problematisch ist der sogenannte historische Abfall. „Darunter versteht man die Solarmodule, die vor Inkrafttreten des neuen Elektroaltgerätegesetzes installiert wurden“, erläutert Uwe Echteler, Projektleiter für das Photovoltaikrecycling bei E-Bell. „Irgendwann werden sie demontiert. Sie müssen eingesammelt und verwertet werden, egal wie alt das Modul ist. Allerdings sind etliche Modulhersteller vom Markt verschwunden.“

Also muss die Branche eine kollektive Finanzierung dieser historischen Mengen organisieren. Denn die Verantwortung dafür liegt bei den Herstellern und Importeuren, die weiterhin Module in den deutschen Markt bringen. Ein Konzept liegt bislang nicht vor.

https://landbell.de/

Wertschöpfung im Modulrecycling

Nur die Metalle versprechen Gewinn

Die Verwertung von Solarmodulen erfolgt derzeit auf sehr einfachem Wege: Die Alurahmen werden abgeschlagen. Die Laminate wandern in den Glasshredder. Anschließend wird das Granulat separiert in metallische Kupferverbinder, in Zellbruch und Glasscherben. Das Glas könnte man für Schaumglas und Isolierglassteine zermahlen. Aus dem Zellbruch lässt sich zumindest die Silbermetallisierung rückgewinnen. „Noch ist die chemische Aufbereitung zu teuer, da bisher nur ein geringer Durchlauf erreicht wird“, meint Jochen Stepp von Take-E-Way. Will man die Kosten senken oder gar Gewinne machen, muss man möglichst hohen Durchsatz erreichen.“

Das Silizium spielt in der Verwertung keine Rolle mehr. Entweder wird es mit dem Glas ins Gemenge für Floatglas geschickt oder es wird als Schwarzglas – also minderwertiges Glas – mit dem Glas genutzt. „Nach jetzigem Stand könnte man die Tonne Altmodule für 50 Euro aufbereiten“, rechnet Stepp vor. „Diese Kosten werden stark mit der Abfallmenge sinken. Ab 2021 erwarten wir größere Mengen. Die Preise werden massiv sinken und vielleicht sogar Erlöse ermöglichen.“ Aus anderen Branchen ist bekannt: Wenn aus dem Recyclingprozess neue Materialien verfügbar sind, öffnen sich mit der Zeit auch neue Anwendungen. Stepp nennt hier die Oberflächenbeschichtung für Fliesen oder Zusätze für Spezialbeton. Darin könnte man Glasstaub aus Altmodulen statt Sand verwenden. Derzeit sind über 3.000 Hersteller bei Take-E-Way unter Vertrag.

https://www.take-e-way.de/

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