Die Fußball-Bundesliga elektrisiert Jahr für Jahr Millionen. Seit der neuen Saison will auch die Solarbranche diese Begeisterung für sich nutzen. Fünf der international führenden Produzenten zählen seit dieser Saison zu den neuen Top-Sponsoren von Deutschlands umsatzstärkstem Sportereignis: Q-Cells, Hanwha Solarone, Sunpower, Suntech und Yingli.
Den Firmen geht es dabei freilich weniger um sportliche als um wirtschaftliche Erfolge. „Fußball ist eine ideale Plattform, unseren Markennamen bei den Großhändlern und Installateuren zu verbreiten“, sagt Q-Cells-Sprecherin Alberta Rohardt. Der Konzern setzt auf die Popularität von Borussia Dortmund, um bei einem breiten Publikum bekannt zu werden. „Wir wollen mit dem Sport-Sponsoring am Endkundenmarkt Aufmerksamkeit erregen“, argumentiert auch Lena Berg aus dem Marketing der Hanwha Solarone GmbH aus München. Die koreanisch-chinesische Firma hat sich dafür den Hamburger Sportverein (HSV) ausgesucht und plant zur europäischen Markenoffensive zudem den Abschluss eines Werbevertrags mit dem britischen Erstliga-Club Bolton Wanderers.
Für die Unternehmen ist Präsenz im deutschen Markt wichtiger denn je, ist dieser doch im zweiten Halbjahr 2011 inEuropa wohl der einzige, der gegenüber den ersten sechs Monaten wird merklich zulegen können. „Italien wird dieses Jahr signifikant rückläufig sein“, schätzt Götz Fischbeck, Solaranalyst bei der BHF-Bank. „Aufgrund der geänderten Genehmigungsverfahren erwarte ich ab September einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach Freiflächenanlagen in Italien.“ Für das Gesamtjahr rechnet er mit einem Zubau von vier bis fünf Gigawatt. Frankreich werde aufgrund aufgelaufener Aufträge aus dem Vorjahr noch moderat wachsen, die italienische Schwäche aber bei weitem nicht kompensieren können. Deutschland bleibt damit mehrnoch als 2010 wichtigster Photovoltaikmarkt der Welt.
Doch längst läuft auch hierzulande das Geschäft nicht mehr rund. „Zwar gab es ab Mitte Mai bis Ende Juni einen kleinen Aufschwung. Doch im Juli nahm die Nachfrage wieder spürbar ab“, sagt Analyst Fischbeck nach Rückmeldungen aus der Branche. Sein Kollege Frank Neumann vom Bankhaus Lampe aus Düsseldorf bestätigt: „Im Juni waren die Auftragseingänge im solaren Maschinenbau äußerst schwach.“
Verhaltene Nachfrage
Für die verhaltene Nachfrage macht Henning Wicht vom Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli zwei Faktoren verantwortlich. So habe das Ausbleiben einer Vergütungskürzung zum 1. Juli einen möglichen Schlussverkauf verhindert. Außerdem habe er „eine gewisse Trägheit bei den Kunden“ beobachtet. „Die Preise sind ab Mai kräftig in Bewegung geraten. Viele Kunden haben aber auf weitere Nachlässe gewartet.“ Diese sind mittlerweile eingetreten. Die Preise für eine schlüsselfertige Anlage zur Installation auf Privatdächern lagen im März noch bei 2,50 bis 2,60 Euro je Watt; Anfang August waren es noch 2,20 Euro je Watt. Dennoch war im August von einem Boom nichts zu spüren. Dabei seien „mit den derzeitigen Preisen für Aufdachanlagen Renditen von sieben bis zehn Prozent möglich“, sagt Wicht.
BHF-Analyst Fischbeck formuliert eine Befürchtung: „Mittlerweile machtim deutschen Markt schon der Begriff einer beginnenden Sättigung die Runde.“ Das Gros der Kunden, die sich aus Überzeugung für eine Photovoltaikanlage entschieden hätten, sei mittlerweile bedient. Es werde immer schwieriger, neue Kundengruppen für Aufdachanlagen zu gewinnen, so Fischbeck weiter.
Georg Scholz, verantwortlich für das Photovoltaikgeschäft beim norddeutschen Installationsbetrieb Ad Fontes Solartechnik, teilt diese Skepsis zwar nicht: „Seit die Preise so deutlich gesunken sind, ist die Zahl der Kundenanfragen merklich gestiegen. Manche Anbieter passen ihre Preise täglich an. Dabei gibt es derzeit nur eine Richtung, nämlich nach unten.“ Doch noch schlage sich dieses Interesse wenig in konkreten Aufträgen nieder, räumt er ein. Die Auftragsbücher füllten sich nur langsam. Diese Zurückhaltung der Kunden könnte nach hinten losgehen. „Wenn der Run erst einmal einsetzt, sind die Kapazitäten von Installateuren schnell ausgeschöpft. Wer in jedem Fall noch 2011 eine Photovoltaikanlage auf das Dach will, sollte sich bis spätestens Ende September entscheiden, sonst könnte er leer ausgehen“, warnt Scholz.
Diese Einschätzung teilt auch Henning Wicht: „Wer zu spät kommt, verpasst die Jahresendrallye. Weiter sinkende Preise wird es kaum geben, da die Investitionen durch die hohen Renditen ökonomisch jetzt schon mehr als gerechtfertigt sind.“ Das scheinen Großinvestoren bereits erkannt zu haben. „Das Projektgeschäftist im Juli in Deutschland wieder angesprungen“, hat Holger Ruletzki vom Berliner Projektentwickler Parabel beobachtet. „Wir erwarten, dass im zweiten Halbjahr all das nachgeholt wird, was in den ersten sechs Monaten auf die lange Bank geschoben wurde.“ Er hält ein Marktvolumen von fünf bis zehn Gigawatt in Deutschland noch für möglich.
Warten auf spürbare Belebung
Doch an eine solche Trendwende im zweiten Halbjahr glaubt mancher Hersteller nicht mehr. Die Geschäftsentwicklung im laufenden Quartal deute zwar „auf eine spürbare Belebung der Nachfrage in Deutschland hin“, schreibt der Vorstand des Berliner Herstellers Solon im jüngsten Halbjahresbericht. „Angesichts der Unsicherheiten bezüglich des Tempos der Markterholung“ rechnet der Modulspezialist aber nicht mehr damit, „die Umsatzeinbußen des ersten Halbjahres bis zum Jahresende ausgleichen zu können“.
Dabei ist es dringend notwendig, in die schwarzen Zahlen zurückzukehren, nachdem Solon in den ersten sechs Monaten bei einem Umsatz von 220 Millionen Euro einen Verlust von 65 Millionen Euro eingefahren hat. Das Eigenkapital ist in diesem Zeitraum um mehr als die Hälfte auf 47 Millionen Euro geschrumpft. Die Eigenkapitalquote lag nur noch bei 7,8 Prozent. Den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber den Banken von 246 Millionen Euro standen liquide Mittelvon nur 10,3 Millionen Euro gegenüber. Ohne die geplante finanzielle Restrukturierung stünde der einstige Solarpionier vor dem Aus. Die Neuordnung seines US-Geschäfts ist Solon schon angegangen. Das Unternehmen will sich stärker auf das Projektgeschäft in Übersee konzentrieren und zugleich zum Oktober sein Modulwerk in Tucson schließen.
Prekär ist auch die Lage für Zellspezialist Q-Cells, der von April bis Juni mit 355 Millionen Euro einen Verlust hinnehmen musste, der noch den Umsatz übertraf. Der Preisverfall setzte der Firma so sehr zu, dass sie sich entschloss, die heimischen Solarzellenkapazitäten dauerhaft auf 50 Prozent herunterzufahren. Das bedeutete Wertberichtigungen auf Produktionsanlagen von 140 Millionen Euro in den Bilanzen. Durch die Verluste in den ersten sechs Monaten sackte die Eigenkapitalquote von 41 auf 29 Prozent ab. Der Verschuldungsgrad schoss von 38 auf 116 Prozent hoch. Besserung ist im laufenden Jahr trotz der Konzentration auf den Produktionsstandort Malaysia nicht in Sicht. Q-Cells erwartet auch im Gesamtjahr einen dreistelligen Verlust.
Ohnehin müssen sich die Hersteller fragen, für wen sie ihre Produkte im ersten Halbjahr hergestellt haben. Der Preiskampf hat sie zu deutlichen Abschreibungen auf die Lagerbestände genötigt. In den ersten sechs Monaten musste Q-Cells den Wert seiner Vorräte um 85 Millionen Euro berichtigen. Dass die Vorräte dennoch um fünf Prozent auf 385Millionen Euro anstiegen, zeigt den weiter gewachsenen Lagerbestand.
Der herbe Quartalsverlust der auf Großanlagen spezialisierten Phoenix Solar von 26 Millionen Euro offenbart auch die Schwierigkeiten im Projektgeschäft. Allein im zweiten Quartal musste die Firma 5,4 Millionen Euro auf den Lagerbestand abschreiben. Zwar erwartet Phoenix Solar eine „deutliche Marktbelebung mit einem Anziehen der Nachfrage im September und einer Jahresendrallye im vierten Quartal. Vor dem Hintergrund der bisher aufgelaufenen Verluste wird es jedoch herausfordernd sein, ein positives Ergebnis zu erzielen.“
Firmen kämpfen mit Preisverfall
Die Heftigkeit des Preisverfalls hat offenbar viele Unternehmen überrascht. Zwar laufe der Absatz der Module „bei den Stückzahlen weitgehend planmäßig“, wie Aleo-Solar-Vorstand York zu Putlitz anlässlich der Bilanzvorlage sagt. Doch die „Erlöse sinken stärker als erwartet“. Entsprechend hat die Bosch-Tochter den bislang prognostizierten Jahresumsatz von 560 auf 515 Millionen Euro zurückgenommen. Nachdem Zellspezialist Sunways bereits zum ersten Quartal die Umsatzprognose gesenkt hat, mussten die Konstanzer nun auch die Ergebnisaussage kippen: „Mit Blick auf die zunehmende Marktvolatilität infolge der anhaltenden finanzwirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten, der weiterhin verhaltenen Nachfrage in Deutschland und des angebotsbedingten massiven Drucks auf die Marktpreise hält der Vorstand der Sunways AG eine verlässliche Prognose für Umsatz und Betriebsergebnis (EBIT) im Gesamtjahr 2011 nicht mehr für möglich“, ließ das Unternehmen mitteilen.
Mit dem anhaltenden Preisdruck haben selbst die chinesischen Hersteller zu kämpfen. Der Waferhersteller Renesola musste von April bis Juni im Vergleich zum ersten Quartal einen Umsatzrückgang von 31 Prozent auf 249 Millionen Dollar hinnehmen, obwohl der Absatz nur um zehn Prozent geschrumpft war. Der operative Gewinn sackte gar um 70 Prozent auf 23 Millionen Euro ab. Dagegen bestätigte Yingli seine Prognose mit steigenden Verkäufen und Margen.
Um dem ruinösen Preiswettbewerb zumindest in Teilen zu entkommen, versucht Q-Cells, Hochleistungsmodule –anders als das Massenprodukt Zelle – künftig in Deutschland zu produzieren. „‚Made in Germany‘ ist ein Argument insbesondere für den Vertrieb hocheffizienter Produkte“, hofft Sprecherin Alberta Rohardt. Die Module sollen am Markt eine höhere Marge bringen als Massenware etwa aus China. Wie groß diese Nischen aber tatsächlich ausfallen werden, ist fraglich. „Neben der Qualität zählt am Ende des Tages vor allem der Preis“, sagt Analyst Frank Neumann. Der Zugang zum Endkunden ist für den erfolgreichen Vertrieb solcher Edel-Produkte unerlässlich. Q-Cells setzt mit dem amtierenden Deutschen Meister Borussia Dortmund (BVB) dabei auf kein schlechtes Zugpferd.
Auch wenn es manch angeschlagenem Unternehmen gelingen sollte, die Verluste 2011 doch noch einzudämmen: 2012 könnte zum Schicksalsjahr werden. „Allen Marktteilnehmern ist klar, dass es in Europa 2012 noch schwieriger als 2011 wird“, sagt BHF-Bank-Analyst Fischbeck. Seine Argumentation: Durch die zu erwartende kräftige Vergütungssenkung nimmt der Preisdruck weiter zu. „Das ist eine sehr große Herausforderung für die Industrie.“ Firmen, die jetzt schon rote Zahlen produzieren und deren Finanzreserven bereits kräftig angegriffen sind, könnten der zu erwartenden Konsolidierung kaum etwas entgegenzusetzen haben. „Reine Modul- und Zellhersteller laufen dann Gefahr, keine ausreichenden Margen mehr erzielen zu können“, sagt Frank Neumann vom Bankhaus Lampe. Der Konsolidierung werden aber nicht nur deutsche Firmen zum Opfer fallen, erwartet er, sondern auch chinesische. „Es läuft mittlerweile ein Wettbewerb auch zwischen chinesischen Herstellern.“ Holger Ruletzki vom solaren Projektentwickler Parabel rechnet 2012 ebenfalls mit einem „hoch aggressiven Preiskampf“. Händler und Projektierer könnten damit leben, denn in Deutschland werde es immer noch einen verlässlichen Markt geben. Es komme ab 2012 aber mehr denn je darauf an, „in internationalen Märkten auch außerhalb Europas vertreten zu sein“. Mittelfristig erwartet er, dass mit der steigenden Wettbewerbsfähigkeit des Solarstroms die Nachfrage von Seiten der Industrie und der Energieversorger kräftig zulegen wird. Bis dahin aber wird der Markt von Preiskampf und Überkapazitäten gekennzeichnet bleiben, in denen die Hersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen müssen. Ob am Ende der Erfolg des einen oder anderen deutschen Fußball-Clubs dazu beitragen wird, muss abgewartet werden. Sicher ist nur, dass die Millionen Fans diese Saison wissen, dass es noch jede Menge Solarfirmen gibt.