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Kein Volldampf

Alle Jahre wieder macht die Deutsche Bahn AG mit einem Photovoltaikprojekt von sich reden. Erstes Pilotprojekt war eine 73-Kilowatt-Anlage auf dem Hundertwasserbahnhof in Uelzen. Sie ging 1997 ans Netz. 2003 sorgte die Bahn mit einer 190-Kilowatt-Anlage auf dem neuen Berliner Hauptbahnhof für Schlagzeilen. Im gleichen Jahr ging an der Lärmschutzwand in Vaterstetten bei München eine PV-Anlage ans Netz. 2005 folgte der Bahnhof Hameln und nun Landshut in Bayern. Auf dessen Bahnhofsgebäude produziert seit Anfang Mai dieses Jahres eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 75 Kilowatt Strom. „Mittelfristig sollen in Bayern über 30 Bahnhofsdächer mit Solaranlagen ausgestattet werden“, teilt die Deutsche Bahn AG mit. Hat der Mobilitätsdienstleister das Photovoltaikgeschäft für sich entdeckt?

Solarstrom für Signalanlagen

An Dächern und anderen Flächen mangelt es dem Konzern sicher nicht. Der Immobilienbestand der Deutschen Bahn AG und deren Aktiengesellschaften umfasst bundesweit Grund und Boden mit einer Gesamtfläche von etwa 1,35 Milliarden Quadratmetern. Dies ist eines der größten Immobilienportfolios in Deutschland. 5.400 Bahnhöfe und Haltepunkte gibt es in Deutschland. Davon sind 2.400 Bahnhöfe mit einem Empfangsgebäude. Auch das Umweltengagement der Bahn würde dafür sprechen. Auf das Energiesparprogramm 2005 folgte das „DB Eco-Program“. Im April stellte die Bahn ihr neues Klimaschutzprogramm auf der Hannover Messe vor. Verglichen mit 2006 will die Bahn ihre CO 2 -Emissionen bis 2020 konzernübergreifend beim gesamten Verkehr zu Land, zu Wasser und in der Luft um 20 Prozent senken.

Geplant sind Maßnahmen wie „CO2-freie Reisen“. Damit bezeichnet die Bahn Geschäftsreisen, die komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien getätigt werden. Dafür beschafft sie regenerativ erzeugten Strom, speist diesen in das Bahnstromnetz ein und vermeidet so den Ausstoß von Kohlendioxid. Unter dem Schlagwort Green Logistics Network will DB Schenker seine Logistikkette optimieren. Der Verkehr soll in Richtung weniger CO2-intensive Verkehrsmittel verlagert werden. Bei DB Schenker sind auch die geplanten Green Terminals angesiedelt. In den Lager- und Werkstatthallen soll unter anderem mit Hilfe von Photovoltaikanlagen und natürlichen Kühlsystemen Energie eingespart werden.

DB gibt sich bedeckt

Einzelheiten gibt es aber noch nicht. „Sobald sich die Projekte konkretisieren, werden wir darüber kommunizieren“, mahnt Christine Geißler-Schild, Techniksprecherin für die Holding der Deutschen Bahn, zur Geduld. „Wir haben schon sehr früh begonnen, den Einsatz von Photovoltaik zu prüfen und zur Anwendung zu bringen“, sagt Peter Westenberger, Leiter für die Nachhaltigkeits- und Umweltinformation im DB Umweltzentrum. Neben der Anlage in Uelzen nennt er netzferne Photovoltaikanlagen, die Anlagen mit Signalfunktionen mit Solarstrom versorgen. „Unter Umweltgesichtspunkten hat es sicher keine allzu große Auswirkung“, erläutert Westenberger. „Unsere Motivation war, den Anschluss an das Netz und so Strom zu sparen.“

Bei den meisten PV-Anlagen, die die DB realisiert hat, handelt es sich um Forschungs- und Vorzeigeprojekte, für die das Unternehmen Dächer zur Verfügung stellte. So zum Beispiel in Uelzen: Betreiber dieser Anlage sind die örtlichen Stadtwerke. Diese schlossen mit der DB einen Gestattungsvertrag ab, der es ihnen erlaubt, die 720 Quadratmeter große Dachfläche des Bahnhofs 25 Jahre lang zu nutzen. Weil das Dach sanierungsbedürftig war, gewährte die Bahn den Stadtwerken einen Zuschuss zu der Anlage. Einen weiteren Teil steuerte das Land Niedersachsen bei. Die Netto-Investitionskosten beziffert Dieter Friede, der bei den Stadtwerken das Messwesen verantwortet, mit 1,5 Millionen DM.

Uelzen geht voran

„Wir wollten damals etwas für den Landkreis tun und den Leuten sagen: Macht das, das ist technisch in Ordnung“, beschreibt Friede die Motivation seines Unternehmens. Der PV-Anlage hat die Stadt Uelzen allerdings noch etwas ganz anderes zu verdanken. Zur Expo 2000 wollte die Stadt, die mit dem Zug 50 Minuten von Hannover entfernt liegt, ihren Bahnhof modernisieren. Eine Idee war, dass der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser den Bahnhof nach seinen Vorstellungen verschönerte. „Hundertwasser hat sich erst durch unsere Photovoltaikanlage dazu bewegen lassen, unseren alten Bahnhof überhaupt anzugucken“, erzählt Friede. Von dem Projekt begeistert, verlangte der Künstler allerdings, dass die Stadtwerke eine weitere, für alle sichtbare Anlage bauen sollten. Die erste ist horizontal auf dem Flachdach des alten Gebäudes installiert. Die zweite Anlage mit einer Leistung von 13,2 Kilowatt kam deshalb auf einen Dachüberstand über den Gleisen.

„Wir sind Photovoltaik-Pioniere“, sagt Friede. Die Anlage zu bauen, sei damals keine leichte Entscheidung gewesen. Funktioniert sie auch wirklich? Hält das Dach dicht? Und wie kriegen wir das Geld wieder rein? Optimal waren die Voraussetzungen für die erste Anlage nicht. Das Dach hat nur eine Neigung von zwölf Grad, was sich laut Friede negativ auf den Selbstreinigungseffekt auswirkt. Der Ertrag liegt zwischen 48.000 und 51.000 Kilowattstunden im Jahr, weiß er heute. Trotzdem hat er die Entscheidung nicht bereut, da viele Projekte folgten. Und er freut sich über das Interesse der Reisenden. Wenn er auf dem Bahnhof ist, beobachtet er gern die Fahrgäste, die vor dem Display stehen und den Zähler der eingespeisten Kilowattstunden beobachten.

Ein bisschen Sonne darf sein

In Hameln betreibt die GWS Stadtwerke Hameln GmbH die Anlage. Sie erhielt Zuschüsse vom Land Niedersachsen und der Deutschen Bahn. Zwei Teilanlagen auf dem Empfangsgebäude und über den Gleisen 2 und 3 haben zusammen eine Leistung von 38,5 Kilowatt. Die Anlage war ein Projekt des Investitions- und Aufwertungsprogramms „Niedersachsen ist am Zuge“. In Berlin ist Vattenfall Betreiber der in das Glasdach integrierten Anlage auf dem neuen Hauptbahnhof. Doch für die Bahn ist dies natürlich das Vorzeigeprojekt schlechthin. Auch in Landshut betreibt die Deutsche Bahn AG die Anlage nicht selbst. Das Dach hat sich die Pansolar Europe GmbH & Co. KG aus Würzburg gesichert, die bereits den Zuschlag für sechs weitere Bahnhofsdächer erhielt. Die Dächer wurden durch eine Potenzialanalyse ermittelt. „Bayern war ein Pilotprojekt, ähnliche Projekte gibt es in anderen Bundesländern derzeit nicht“, sagt Gabriele Schlott, Sprecherin für Personenbahnöfe bei der Deutschen Bahn.

Peter Westenberger vom DB Umweltzentrum betont, dass die Deutsche Bahn nicht vorhat, als Investor in Photovoltaikprojekte einzusteigen. „Unser Kerngeschäft ist die Mobilität von Menschen und Gütern“, erklärt er. „Deshalb werden wir uns auch künftig auf mobilitätsnahe Investitionen konzentrieren.“ Dabei denkt er an Maßnahmen wie die Effizienzsteigerung und Energieeinsparung bei Fahrzeugen der Deutschen Bahn. Dennoch sei die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern eine wichtige Stoßrichtung der Klima- und Energiestrategie der Bahn, fügt er hinzu. „Interessante Möglichkeiten zum Einsatz regenerativer Energien werden deswegen grundsätzlich begrüßt.“ Gegenüber Betreibern und Investoren sei die Bahn „in der Lage und willens, Dächer zur Verfügung zu stellen“. Interessenten gebe es genügend, so Westenberger, doch häufig springen diese auch schnell wieder ab. Ein Grund hierfür seien die Zusatzkosten, die entstehen, wenn eine Anlage in das betriebliche Regime eingefasst werden muss. Regime ist der interne Begriff für die betrieblichen Abläufe im Bahnhof. Von einem Fall berichtet er. Bei einer angedachten Anlage hätte der Betreiber die Kosten für das Abschalten der Fahrleitung, die für die Kontrolle und Reinigung der Anlage nötig gewesen wäre, übernehmen müssen. Das war ihm zu viel. Bei anderen Projekten war der Zugang zu den Dächern schwierig oder der Netzanschluss zu aufwändig.

Grüne fordern mehr

Der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen reicht das Engagement der Deutschen Bahn AG, die zu 100 Prozent im Besitz der Regierung ist, nicht aus. „Das Engagement der Bahn beschränkt sich auf Pilotprojekte, wobei die Photovoltaik auch hier nachrangige Bedeutung hat“, kritisiert Hans-Josef Fell. Seine Fraktion brachte deshalb im Frühjahr einen Antrag ein, in dem sie forderte, dass die Stromversorgung der Deutschen Bahn bis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt werden soll. Die Grünen weisen darauf hin, dass die Deutsche Bahn AG mit rund zwölf Milliarden Kilowattstunden auch der größte Stromverbraucher ist. Gleichzeitig werde die Deutsche Bahn ihrem hohen ökologischen Anspruch bei der Strombeschaffung nicht gerecht, kritisieren Renate Künast und Fritz Kühn und verweisen auf den Strommix, der sich zu 54 Prozent aus Kohlestrom, zu 32 Prozent aus Atomstrom und zu 14 Prozent aus Wasserkraft zusammensetzt.

Fokus auf Windenergie

Die DB Energie GmbH lehnte den Antrag ab. In dem Positionspapier, das die Bahn als Antwort vorlegte, verweist Hans-Jürgen Witschke, Vorsitzender der Geschäftsführung, auf die Maßnahmen und Pilotprojekte im DB Eco Program und schreibt, dass sich die Betrachtungen derzeit auf die Windenergie fokussieren. „Hierbei wird sowohl der Bezug von Strom aus bestehenden Windparks als auch die Errichtung von neuen Erzeugungseinheiten auf DB-eigenen und auf fremden Flächen bewertet“. Darüber hinaus gebe es aber auch Projekte zum Einsatz von Geothermie und Biomasse. „Politischer Druck seitens der Bundesregierung wäre sicher kein Schaden, um die Denk- und Handlungsbereitschaft der Bahn zu befördern“, kommentiert Hans-Josef Fell das Bahn-Statement. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), bei dem die Deutsche Bahn angesiedelt ist, sieht sich dagegen nicht in der Pflicht, auf die Bahn einzuwirken. Sprecher Sven Ulbrich begründet dies wie folgt: „Die Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt. Dies bedeutet auch, dass sie in unternehmerischer Eigenverantwortung über die Ausstattung der Empfangsgebäude, zum Beispiel mit Photovoltaikanlagen, entscheiden können.“ Aus dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) erhält die Bahn jährlich einen Betrag von 2,5 Milliarden Euro, um ihr Schienennetz auszubauen und instand zu halten, berichtet er weiter. Hieraus könne die Bahn anteilig Investitionen in Photovoltaikanlagen tätigen, sofern diese der Eigenversorgung ihrer Gebäude dienen.

Warten auf weitere Pilotprojekte

Auf die Möglichkeit der Eigenversorgung durch Photovoltaikanlagen angesprochen, verweist Sprecherin Christine Geißler-Schild auf die Signalanlagen ebenso wie auf die Diskussionen zum Thema, die intern geführt werden – auch zur Elektromobilität. So wäre es zum Beispiel auch denkbar, dass die Deutsche Bahn als Mobilitätsdienstleister Ladestationen für Carsharing-Elektroautos bereitstellt. „Natürlich prüfen wir, was möglich ist, denn es gibt viele Ideen und Möglichkeiten“, sagt Geißler-Schild. „Die denkbaren Einsatzfelder sind breit, abschließende Entscheidungen noch nicht getroffen. Im Übrigen bieten wir bereits heute Elektromobilität an, denn über 90 Prozent unserer Züge fahren mit Strom.“

Dass die Deutsche Bahn Ambitionen hat, zumindest kleinere Schritte in Richtung einer verstärkten Solarstromnutzung zu gehen, zeigt ein Antrag auf Gelder für einen „Klimafreundlichen Bahnhof 2010“, für den sich das Unternehmen im Rahmen des Zweiten Konjunkturprogramms der Bundesregierung bewarb. Angedacht waren beispielsweise Photovoltaik-Fassadenanlagen und Mini-Windräder. Der Antrag wurde abgelehnt. Doch auch wenn dies nun nicht die Fortsetzung in der Kette der Vorzeigeprojekte sein kann, das nächste Prestigeprojekt der Deutschen Bahn kommt bestimmt. Auch wenn es vielleicht ein paar Jahre dauert.

Ina Röpcke

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