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Maschinenbau im PV-Windschatten

Wenn Larry Kazmerski, der Direktor des US-amerikanischen „National Renewable Energy Laboratory“ (NREL), auf eine seiner vielen Reisen geht, ist er auf Probleme am Flughafen schon gefasst. Das scheinbar altertümliche Radio, das er bei sich trägt, passiert den Sicherheitscheck nur selten auf Anhieb. Routinemäßig erklärt Kazmerski dann, dass es sich bei dem kleinen Holzkasten um ein solar betriebenes Rundfunkgerät handelt. Seit Jahrzehnten demonstriert er damit auf den zahlreichen Konferenzen, zu denen er reist, dass Solartechnik nicht erst seit gestern funktioniert. So auch auf der 3. Konferenz zur Photovoltaik-Produktionstechnik, die am 2. April im Internationalen Congress Center München (ICM) stattfand. Als einer der ersten Wissenschaftler weltweit, die zur Dünnschichttechnik forschten, hielt Kazmerski auf Einladung des Veranstalters, des Aachener Solar Verlages, die Eröffnungsrede. Darin erinnerte er daran, dass vor 50 Jahren, am 17. März 1958, der erste solar betriebene Satellit ins Weltall geschossen wurde. Seither umkreist der Satellit namens „Vanguard“ die Erde. Aber erst 50 Jahre später könne man von einem Durchbruch in der Photovoltaikherstellung sprechen, sagte Kazmerski. „Die Revolution in der PV-Produktion beginnt jetzt“, betonte er auf der Konferenz, zu der über 1.000 Fachleute aus aller Welt angereist waren.

Warnung vor Überhitzung

Nicht alles, was Kazmerski beobachtet, stimmt ihn optimistisch. So zum Beispiel, dass Solarzellenfabriken derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen. Der Branchenkenner veranschaulichte dies am Beispiel der Dünnschichtindustrie. Führende Hersteller seien nach wie vor die US-amerikanischen Firmen First Solar und United Solar, stellte er fest. Innerhalb kürzester Zeit hätten sich mehrere Dutzend Firmen dazugesellt, die Solarzellen aus amorphem Silizium (a-Si), Cadmiumtellurid (Cd-Te), Kupfer-Indium-Diselenid (CIS) oder organische Solarzellen produzieren. Hinzu kommen die vielen Neugründungen, die Kazmerski zurzeit in den Vereinigten Staaten beobachtet, so dass er sich an die New Economy erinnert fühlt. Erst der Höhenflug und dann der rasante Abstieg, das erwartet er nicht von der Photovoltaikindustrie. Doch angesichts der Milliardenbeträge, die jetzt in die Solarstromindustrie und insbesondere die Siliziumherstellung fließen, dem Bereich mit der höchsten Marge in der PV-Wertschöpfungskette, warnte Kazmerski vor vorschnellem, unkoordiniertem Handeln. „Nicht alle werden es schaffen“, glaubt Kazmerski und appellierte an die Industrie und Investoren, nichts zu überstürzen. Damit die Photovoltaikindustrie nicht das gleiche Schicksal wie die Internetbranche ereilt, forderte er einen „globalen Fahrplan“. Die weltweiten Bedürfnisse sollten in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, um einen geordneten internationalen Ausbau zu ermöglichen. Hierfür sei eine engere Zusammenarbeit aller beteiligten Sparten und gemeinsames Überlegen nötig, von der Rohstoffgewinnung bis zum Vertrieb.

Automatisierung erforderlich

Photon Consulting, ein Zweig im Solar Verlag, schätzt den Ausbau der Solarzellenproduktion von etwa 4,2 Gigawatt im Jahr 2007 auf 20 Gigawatt installierte Gesamtleistung im Jahr 2010. Diese Prognose teilen nicht alle. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) geht zum Beispiel davon aus, dass 2010 zwischen fünf und sieben Gigawatt PV-Leistung rund um den Globus installiert sein werden. Tatsache ist, die Branche wächst weltweit und erfordert eine weitere Auto matisierung und Rationalisierung, damit die Kosten für Hersteller und Verbraucher sinken. Dies erkennen nun auch mehr und mehr Unternehmen aus der Maschinenbau- und Halbleiterbranche. Sie springen auf den Zug auf und bieten vermehrt Einzelkomponenten bis hin zu schlüsselfertigen Fabriken („turn-key solutions“) für die Solarstromindustrie an. Und so waren auf der „Photon Photovoltaic Technology Show Europe 2008“, die die vier eintägigen PV-Konferenzen – Silizium, Produktionstechnik, Investment und Glas – Anfang April begleitete, in diesem Jahr auch deutlich mehr „Newcomer“ in der Photovoltaikbranche vertreten.

Auf der Messe stellen in erster Linie Unternehmen aus, die Maschinen zur Herstellung und Verarbeitung von Silizium, Wafern, Solarzellen und -modulen anbieten. Waren es im Vorjahr noch rund 100 Aussteller, die ihre Maschinen und Dienstleistungen präsentierten, so belegten in diesem Jahr schon 170 Anbieter eine Halle mit rund 10.000 Quadratmetern Fläche im ICM. Für etliche Firmen ist die Photovoltaik noch ein neues Geschäftsfeld, das sie jedoch rasant erobern. Nicht selten macht der neue Zweig nach wenigen Jahren zwischen 40 und 80 Prozent am Gesamtumsatz aus.

Ein Beispiel hierfür ist die Schiller Automation GmbH & Co. KG aus Sonnenbühl-Genkingen in Baden-Württemberg. Das 1978 gegründete Unternehmen bietet Automatisierungslösungen für die Mikroelektronik- und Halbleiterindustrie an. Seit vier Jahren liefert Schiller Solarzellenherstellern zu. Zur Produktpalette gehören Roboter, Be- und Entla demaschinen, Systeme zum Testen und Zertifizieren von Wafern bis hin zu kompletten Siebdrucklinien.

2006 betrug der Umsatz des Unternehmens 32 Millionen Euro, 2007 waren es 50 Millionen Euro. Davon entfielen im vergangenen Jahr etwa 75 Prozent auf den Photovoltaiksektor, berichtet Karl-Heinz Bahnmüller, Prokurist und Leiter des Kundencenters. 220 Mitarbeiter beschäftigt Schiller aktuell, geplant sind 280 bis Ende dieses Jahres. „Beim Personal gibt es einen Engpass“, sagt Bahnmüller auf der Messe in München. „Wir würden hier auf den Schlag 20 Software-Entwickler einstellen.“ An Fläche zur Expansion mangelt es nicht. Zwar ist das Unternehmen gerade auf Produktionsstätten bei Tübingen und Reutlingen ausgewichen. Im Herbst soll aber Spatenstich für ein neues Firmengebäude mit 15.000 Quadratmetern im ersten Ausbauschritt sein, um die Standorte wieder zusammenzuführen. Das Investitionsvolumen beträgt 15 Millionen Euro.

Schiller beliefert eine Handvoll PV-Stammkunden in Europa, den USA und in Taiwan. Mehr ist derzeit nicht möglich. „Für 2008 sind wir ausgebucht. Ab dem dritten Quartal 2009 sind wieder Aufträge möglich“, berichtet Bahnmüller. Damit es bei den weltweiten Kunden, die in unterschiedlichen Zeitzonen arbeiten, keine Produktionsausfälle gibt, baut Schiller jetzt, nach 30 Jahren Firmenbestehen, einen Rund-um-die-Uhr-Service auf.

Geplant war der Einstieg in die Photovoltaikbranche nicht. „Wir sind wie die Jungfrau zum Kind dazu gekommen“, erzählt Bahnmüller und lacht. Hersteller hätten sie gefragt, ob sie nicht auch Maschinen für die Solarzellenproduktion bauen können. Darüber ist er heute froh. Denn auch für die alten Geschäftszweige Automotive und Power-Module erwartet Bahnmüller ein Wachstum, aber das schätzt er nur bei etwa zehn Prozent.

Per Zufall zur PV

Auch bei der 4Jet Sales und Service GmbH aus dem nordrhein-westfälischen Hückelhoven war es mehr Zufall denn ein strategischer Schachzug, Produkte für die Photovoltaikbranche zu entwickeln. Dies berichtet General Manager Jörg Jetter auf der Photovoltaic Technology Show. Wie bei Schiller brachte eine Anfrage aus der PV-Industrie den Stein ins Rollen. Seit zwei Jahren bietet 4Jet nun Randentschichtungsmaschinen für Dünnschichtmodule an. Die Messe in München war der erste öffentliche Auftritt von 4Jet in der Branche.

Das Know-how für die laserbasierte Randentfernung bezieht 4Jet aus seinem Hauptgeschäft. Das Unternehmen liefert unter anderem Lasersysteme zum Reinigen von Oberflächen und laserbasierte Beschriftungsmaschinen an die Automobilbranche. 30 Mitarbeiter entwickeln komplette Maschinen, gefertigt wird extern. „In diesem Jahr liefern wir Maschinen für einige Millionen Euro aus“, sagt Jetter, der keine konkreten Umsatzzahlen nennen möchte. Davon werde die Photovoltaik „demnächst einen Anteil von 50 Prozent“ erreichen.

Diese Marke hat die Ramgraber GmbH aus Brunnthal bei München bereits überschritten, erzählt Projektmanager Wolfgang Fellner, ebenfalls Aussteller im ICM. Den Anteil der Photovoltaik am Gesamtumsatz beziffert er auf „über 50 Prozent“. Ramberger ist seit 35 Jahren am Markt und entwickelt und baut nasschemische Anlagen für die Halbleiter- und die Photovoltaikindustrie. Für die PV-Branche sind dies zum Beispiel Anlagen zur Entkittung und Entklebung sowie Reinigungs- und Galvanikanlagen. Dass der Photovoltaiksektor im Unternehmen dominanter wird, hält Fellner nicht für selbstverständlich. Er kann sich vielmehr vorstellen, eine zunehmende Anfrage aus der Halbleiterbranche zu erfüllen. Denn, sagt Fellner, diese steigt wieder an, da immer mehr führende Halbleiterhersteller ihren Schwerpunkt auf Photovoltaik verlagern.

Fünfeinhalb Mal um die Welt

Nicht nur die Maschinenbaubranche profitiert von dem PV-Boom, auch für anverwandte Industriezweige entpuppt sich die solare Stromerzeugung als Goldgrube. So zum Beispiel für den finnischen Metallhersteller Luvata. Das Unternehmen, das vor seiner Umbenennung Outokumpu Copper Products hieß, blickt auf eine lange Firmenhistorie zurück. 1580 begannen die Finnen damit, Kanonenkugeln für den Krieg in Schweden herzustellen. Daraus entwickelte sich ein Konzern mit Schwerpunkt Kupferherstellung, der heute 8.500 Mitarbeiter in 18 Ländern beschäftigt. Seit den frühen 1990er Jahren stellt Luvata Kupferbänder für Solarmodule her. Der PV-Draht, der mit den Jahren zunehmend dünner und weicher wurde, verbindet die Zellen und leitet den Strom durch.

Im Februar gab Luvata bekannt, dass das Unternehmen 20 Millionen Euro in neue Produktionsstätten investieren will. Dies erläuterte Olli Naukkarinen, Leiter der Business-Einheit Photovoltaik, auf der Messe in München. „Die Produktion wird von derzeit 500 Megawatt Leistung auf zwei Gigawatt bis Ende 2009 ausgebaut“, sagte er. Die Investition verteilt sich auf drei Länder. Im dritten Quartal 2008 soll im finnischen Pori die zweite Fertigungslinie für 500 Megawatt in Betrieb gehen. In Malaysia werden derzeit Herstellungslinien für 500 Megawatt errichtet. In den USA erweitert Luvata die bestehenden Produktionskapazitäten im kommenden Jahr um weitere 500 Megawatt. In der eigenen Forschungsstätte in Finnland entwickelt das Unternehmen zudem gerade einen neuen Kleber, damit die Bänder noch sicherer auf Dünnschichtmodule aufgebracht werden können. „Unter den vier Geschäftsbereichen, die stärker ausgebaut werden sollen, hat Photovoltaik die erste Priorität“, ergänzt Justin Roux, Vizepräsident Kommunikation. Die Dimensionen des geplanten Ausbaus weiß Roux anschaulich zu erläutern: „Mit Lötbändern für 350 Megawatt Leistung kommt man einmal um die Welt“, sagt er. Ab 2010 produziert Luvata dann jedes Jahr so viele PV-Bändchen, dass sie fünfeinhalb Mal um die Weltkugel reichen würden.

Ina Röpcke

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