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Mehrere Modelle

Aus Sicht der Photovoltaikbranche besitzen die deutschen Kreise, Städte und Gemeinden einen bislang häufig noch ungenutzten Schatz: Fläche. Viele Gebäude und Grundstücke, die der öffentlichen Hand gehören, sind für die Installation von Photovoltaikanlagen geeignet. Kommunen, die sich für eine Nutzung dieses Potenzials entscheiden, können unterschiedliche Wege einschlagen. Sie können entweder selbst oder mit einem eigenen Unternehmen Anlagenbetreiber werden, sie können die Flächen aber auch entgeltlich vermieten. Wichtig für die Entscheidung sind die Rechte in den jeweiligen Kreis- und Gemeindeordnungen, die steuer- und baurechtliche Rechtslage, Haushaltslage und Wirtschaftlichkeitsberechnungen – und nicht zuletzt die Überzeugungen in den zuständigen politischen Gremien und kommunalen Verwaltungen. Der rheinland-pfälzische Landkreis Ahrweiler hat in den letzten Jahren alle relevanten Modelle umgesetzt.

Gründung einer eigenen GmbH

Variante eins ist die Gründung einer eigenen GmbH. 2004 entwickelte der Solarverein Rhein-Gymnasium Sinzig – der Vorgänger des Solarvereins Goldene Meile – ein Investorenmodell für Lehrer, Eltern und Schüler: Auf dem Dach des Rhein-Gymnasiums sollte eine Photovoltaikanlage mit 30 Kilowatt Nennleistung entstehen. Deren Ertrag sollte nicht nur den Investoren zugute kommen, sondern auch dem schuleigenen Förderverein; außerdem sollten die erneuerbaren Energien bildungs- und umweltpolitisch in den Köpfen von Lehrern, Eltern und Schülern verankert werden. Das Konzept erhielt den Deutschen Solarpreis 2005, verliehen von Eurosolar. Allerdings wurde es nie verwirklicht, obwohl innerhalb weniger Wochen das Geld zum Erwerb der geplanten Photovoltaikanlage in voller Höhe von Lehrern, Eltern und Schülern eingesammelt werden konnte. Denn die Kreisver

waltung, die dem Solarverein das Dach vermieten sollte, verlangte nach Einsicht in das Investorenmodell eine laut Initiatoren unüblich hohe Miete. Damit war das Investorenmodell nicht mehr finanzierbar, die eingezahlten Gelder mussten wieder zurückgezahlt werden – und die vom Projekt abhängigen Pläne wie die Gelder für den Förderverein und die Verankerung der Erneuerbaren bei Schülern und Lehrern scheiterten.

In der Folge unternahm allerdings die Kreisverwaltung erstmals eigene Anstrengungen, die Nutzung der Kraft der Sonne zur Stromerzeugung stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken: Anfang März 2005 beschloss der Kreistag, eine eigene GmbH zu gründen – die Solarstrom Ahrweiler GmbH – und sämtliche kreiseigenen Schuldächer mit Photovoltaikanlagen zu bestücken.

In dem letztlich verabschiedeten Kreistagsbeschluss war von einer Gesamtnennleistung von 800 Kilowatt für die elf kreiseigenen Schulen die Rede. Allerdings sollten bei einer Investitionssumme von mehr als vier Millionen Euro nach 20 Jahren Laufzeit, dem üblichen Zeitraum für Wirtschaftlichkeitsberechnungen, weniger als 500.000 Euro in der GmbH als Gewinn anfallen. Zudem übernahm der Kreis eine Ausfallbürgschaft zugunsten der neu gegründeten Solarstrom Ahrweiler GmbH in Höhe der Investitionssumme.

Im Jahr 2008 stand in Remagen, Kreis Ahrweiler, eine Entscheidung über die Erneuerung eines Daches einer Schulturnhalle auf der Tagesordnung. Eigentlich wollte die Verwaltung eine schlichte Dachsanierung durchführen, ohne die Einbeziehung erneuerbarer Energien zu prüfen. Doch nach langen Diskussionen kamen Verwaltung und Ratsmitglieder zu dem Schluss, dass es für den Haushalt der Stadt besser sei, nicht nur das Dach zu sanieren, sondern auch eine Photovoltaikanlage installieren zu lassen.

Öffentliche Hand als Betreiber

Den Berechnungen legte die Freie Bürgerliste Remagen (FBL) eine Photovoltaikanlage mit rund 24,5 Kilowatt Nennleistung zugrunde und zog außerdem einen externen Experten hinzu, um Politik und Verwaltung einen „unpolitischen Dritten“ für das erste Photovoltaikprojekt Remagens in kommunaler Trägerschaft zur Verfügung zu stellen. Obwohl die Stadt hoch verschuldet war, wurde Remagen noch im selben Jahr Anlagenbetreiber – Variante zwei der möglichen Modelle. Mit einstimmig gefassten Beschlüssen des Stadtrates wurden außerplanmäßige Haushaltsmittel in sechsstelliger Höhe für die Anschaffung und die Installation der Photovoltaikanlage bereitgestellt, die mit einem äußerst zinsgünstigen Darlehen finanziert werden konnte.

Vermietung eigener Dachflächen

Weitere öffentliche Haushaltsmittel sollten jedoch, so die einhellige Auffassung von Stadtrat und Verwaltung, aufgrund der schlechten Haushaltslage der Stadt Remagen im Jahr 2008 nicht außerplanmäßig bereitgestellt werden. Daher startete die FBL unter enger Einbindung von Politik, Verwaltung, Schulleitung und Förderverein einer Grundschule ein weiteres Photovoltaikprojekt: Der Förderverein sollte Betreiber einer Anlage auf dem Dach eines stadteigenen Schulgebäudes werden und diese „Sahnedachfläche“ von der Stadt anmieten – Variante drei. Weitere ebenfalls geeignete Dachflächen des Schul- und des neu errichteten Turnhallengebäudes sollten ebenfalls Photovoltaikanlagen in privater Trägerschaft erhalten, entweder im Rahmen von Investoren- oder Genossenschaftsmodellen oder alternativ durch einen einzelnen Investor. Grundsätzlich war die Stadt bereit, die Dachflächen der Grundschule und der Turnhalle an die jeweiligen Anlagenbetreiber entgeltlich zu vermieten – eine Variante, die der Kreis im Fall des Gymnasiums Sinzig zugunsten einer eigenen GmbH verhindert hatte.

Die Remagener Kommunalpolitiker hatten auf Vorschlag der Verwaltung exzellente Rahmenbedingungen für den Förderverein beschlossen, zum Beispiel eine Haftungsfreistellung. Zudem hätte ein Steuerberater unentgeltlich die rechtliche Erstbegleitung übernommen, und auch der Solarverein hätte den Förderverein unterstützt. Und: Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hätte der Förderverein aufgrund zugesagter Zuschüsse bereits ab dem Erstjahr der Inbetriebnahme Gewinne erzielt.

Trotzdem scheiterte das Vorhaben, den Förderverein der Grundschule zum Betreiber der Neun-Kilowatt-Anlage auf dem Schuldach zu machen – der Förderverein selbst konnte in einer eigens dafür einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung, an der nur sehr wenige Vereinsmitglieder teilnahmen, keine Mehrheit für dieses Modell erreichen. Daraufhin beschloss der Solarverein Goldene Meile, in die Rolle des Fördervereins zu schlüpfen. Er fand ebenfalls die Zustimmung der Entscheidungsgremien und konnte somit letztendlich das Projekt verwirklichen. Gleiches galt für einen Einzelinvestor, der auf der übrigen Fläche nun eine 76-Kilowatt-Anlage betreibt. Mit beiden Investoren einigte sich die Stadt auf einen Mietvertrag. Allerdings: Mit der Schule nicht verbundene Investoren erschweren die bildungs- und umweltpolitische Verankerung der erneuerbaren Energien bei Lehrern, Eltern und Schülern.

Fazit: Angesichts der sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit Photovoltaikprojekten im Landkreis Ahrweiler dürften auch in anderen Kreisen, Städten oder Kommunen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Modellen unter Einbindung der öffentlichen Hand zu erwarten sein – viele Beteiligte und unterschiedliche Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden. Die realisierten Projekte zeigen aber auch, dass sich hartnäckiges und zähes Verfolgen, Verhandeln und Überzeugen auf Grundlage einer strukturierten und transparenten Vorgehensweise am Ende durchsetzen können.Rainer Doemen ist FBL-Fraktionsgeschäftsführer in Remagen und Mitglied im Solarverein Goldene Meile, außerdem photovoltaik-Autor für Rechts- und Steuerthem

Die Marburger Solarsatzung

Einen anderen Weg, Sonnenenergie im Stadtgebiet zu fördern, ging 2008 das Marburger Stadtparlament. Die verabschiedete Satzung zur „Verbindlichen Nutzung der Solarenenergie in Gebäuden“ sieht eine Pflicht vor, bei Neubauten und bei der Erweiterung von Altbauten um mindestens 30 Quadratmeter sowie bei der Sanierung von mehr als 20 Prozent des Daches oder dem Austausch des Heizkessels eine solarthermische Anlage auf dem Dach zu installieren. Alternativ kann der Bauherr Photovoltaikmodule installieren oder sich von der Solarpflicht befreien lassen – falls die Heizungsanlage in Kraftwärmekopplung mit Erdgas oder erneuerbaren Energien betrieben wird – oder nachweisen, dass das Gebäude die gesetzlichen Vorgaben aus der Energieeinsparverordnung um mindestens 30 Prozent unterschreitet. Das Verwaltungsgericht Gießen hat allerdings mit Urteil vom 12. Mai 2010 die Solarsatzung der Stadt Marburg wegen Details für unzulässig erklärt. Das Gericht bestätigte jedoch, dass eine kommunale Solaranlagenpflicht für den Gebäudebestand in Hessen grundsätzlich zulässig sei (Paragraf 81 Absatz 2 der Hessischen Bauordnung). Es erteilte damit der wesentlichen Argumentation der Landesbehörden gegen die Solarsatzung eine Abfuhr. Die Verwaltungsrichter führten aus, dass die Kommune zwar keine Kompetenz zur Regelung einer Solarpflicht für Neubauten habe, weil es dazu mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) vorrangige bundesgesetzliche Normen gebe. Für den Altbau allerdings überlasse das EEWärmeG den Ländern und damit auch den Kommunen ausdrücklich das Recht zu weitergehenden Regelungen. Nach Plänen der schwarz-gelben Landesregierung in Hessen sollen Kommunen allerdings künftig keine Möglichkeit mehr haben, in eigenen Satzungen bestimmte Heizungsarten vorzuschreiben: Der Paragraf 81 der Hessischen Bauordnung, der mit dem oben genannten Verwaltungsgerichtsurteil als gesetzliche Grundlage der Marburger Solarsatzung akzeptiert worden war, findet sich im aktuellen Entwurf der Bauordnung nicht mehr. Damit wäre dem Marburger Modell einer Solarsatzung die Grundlage entzogen.

Rainer Doemen

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