Für Hans Meyer (Name von der Redaktion geändert) lief anfangs alles wie am Schnürchen: Schnell war die kleine Fünf-Kilowatt-Photovoltaikanlage von einem Fachbetrieb auf dem Dach des Einfamilienhauses im badischen Schwaigern montiert und bereit, ans Netz zu gehen. Alles, was fehlte, war die Abnahme durch den lokalen Energieversorger EnBW Südbaden. „Ich habe schon Wochen vorher die EnBW kontaktiert.“ sagt Meyer zornig. „Zunächst war alles okay. Bis ich diesen Einspeisevertrag nicht unterschrieben zurückschicken wollte - darauf folgte erstmal nur Schweigen“. Einige Wochen vergingen. Auf freundliches telefonisches Nachfragen erhielt Meyer nur die lapidare Erklärung, die Unterlagen seien bei einem Sachbearbeiter der EnBW in Mannheim. Er solle sich noch etwas gedulden. Hans Meyer fragte auch in Mannheim nach, wieder bat man ihn um Geduld. Die verweigerte Unterschrift unter den Einspeisevertrag war offiziell nicht der Grund für den Warte-Marathon. Das Papier wurde auch von keinem EnBW-Mitarbeiter mehr erwähnt. „Es ging angeblich um Details wie die Abnahme des Zählers und die Messentgelte“ sagt Meyer. Letztendlich hat es dann doch geklappt.
Inzwischen ist die PV-Anlage seit zwei Monaten am Netz und eine Abschlagszahlung der Einspeisevergütung ist fällig. Hans Meyer wartet erneut, diesmal aufs Geld. Aber er bleibt zuversichtlich: „Naja, immer freundlich bleiben und dann wird das schon. Allerdings frage ich mich, ob es mit Vertrag schneller gegangen wäre.“
Haftung ausgeklammert
Die Familie Meyer ist kein Einzelfall. Über 200 Einträge zum Thema „Einspeisevertrag“ finden sich auf den Seiten des Photovoltaikforums im Internet. Die meisten sind jüngeren Datums und betreffen quer durch die Republik von Nord nach Süd die verschiedensten Anlagenbetreiber und Energieversorger. Die Beschwerdefälle häufen sich und die Muster sind vielfältig, so dass Branchenvertreter wie Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) von „einer gezielten Verhinderungstaktik der Netzbetreiber“ sprechen. So gut wie jeder neue Anlagenbesitzer bekommt einen Vertag vom Netzbetreiber ins Haus geschickt und viele unterschreiben einfach. „So ist es der Bürger ja schließlich gewöhnt, kein Geschäft ohne Vertrag“, erläutert Rechtsexperte Rainer Doemen vom Solarforum. Doch meistens sind die Konditionen der Einspeiseverträge deutlich schlechter als die des EEG: Haftungsansprüche des Anlagenbetreibers werden ausgeklammert, Vorbehaltsklauseln zur Zahlung der Einspeisevergütung eingeführt oder hohe Netzanschlusskosten festgelegt. Alles Regelungen die das Erneuerbare-Energien-Gesetz so nicht vorsieht.
Für Sebastian Fasbender vom BSW-Solar ist das „alles nur reine Schikane zur Verunsicherung der Anlagenbetreiber.“ Die betreffe aber nicht nur die neuen Betreiber, sondern auch die Besitzer älterer PV-Anlagen. „Messentgelte werden massiv erhöht oder die Abschläge der Vergütungszahlungen einseitig zu Lasten der Anlagenbetreiber geändert.“
Es geht sogar noch krasser: Nach dem Motto „Friss oder Stirb“ wird Bauherren mit einem Nichtanschluss gedroht, sagt Susanne Jung. In einem Fall in Thüringen sei der Streit mit dem Netzbetreiber so weit gegangen, dass sogar erst eine Klage auf einen Anschluss vor Gericht eingereicht werden musste, bevor der Netzbetreiber einlenkte. Der BSW-Solar berich tet auch vom Versuch, Gebühren für die Angebotserstellung des Netzanschlusses zu erheben. Eine Maßnahme, die laut Fasbender „zur Verzögerung der Inbetriebnahme führt und die so mancher Neuling zahlt, um schneller ans Netz zu kommen. Gebühren für die Angebotserstellung des Netzanschlusses sind juristisch aber nicht über das EEG gedeckt.“ Besonders dreist: Der Anschluss wird komplett mit der Begründung der Netzauslastung verweigert. Fasbender weist darauf hin, dass „eine allgemeine Abnahmepflicht besteht, auch wenn das Netz ausgelastet ist. Erst wenn das Netz bereits zeitweise zu 100 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren Energie-Anlagen ausgelastet ist, kann es bis zum Netzausbau zu Einschränkungen kommen.“ Dies dürfte aktuell nirgendwo in Deutschland der Fall sein. Der Verband ist besorgt über die neue Entwicklung. Seit Anfang des Jahres wurden „mehr als dreimal so viele Anfragen zu Themen wie Netzbetreiber, Netzanschluss und Einspeiseverträge wie in 2007 registriert”, sagt Fasbender.
Nur ein Missverständnis?
Die Energieversorger können die Aufregung seitens der Solarverbände nicht verstehen. Es ginge nicht darum die Anlagenbesitzer schlechter zu stellen, sagt Florian Christ von der Netzanschlussstelle der EnBW Regional. Man wolle nur „im EEG nicht eindeutig geklärte Rechtsfragen für beide Seiten verbindlich regeln“.
Für die Verträge der EnBW spricht laut Christ auch die hohe Zahl der Vertragsabschlüsse: „80 Prozent der Einspeiser entscheiden sich dafür, den Vertrag zu unterzeichnen.“ Der Rest wird mit weiterem Formularen schikaniert. Wer nicht unterschreibt bekommt als nächstes eine EEG-Erklärung zur Unterzeichnung vorgesetzt. Für Christ ist dies keine überflüssige Bürokratie sondern wichtige Aufklärungsarbeit. „Hiermit wird der Solarstromerzeuger verpflichtet sich an die gesetzlichen Rahmenbedingungen und technischen Notwendigkeiten zu halten“, erklärt er. Wird auch unter die EEG-Erklärung keine Signatur gesetzt, bekommt der Anlagenbetreiber nochmals ein separates Aufklärungsschreiben per Post in den Briefkasten. Da kann schon etwas Zeit ins Land ziehen. Aber von Verzögerungen will Florian Christ nichts wissen. Die Verträge, Erklärungen und Belehrungen haben angeblich nichts mit dem Netzanschluss zu tun. Voraussetzung für den Anschluss sei lediglich dass das Inbetriebnahmeprotokoll vollständig ausgefüllt und vom Elektroinstallateur unterzeichnet ist, sagt Christ.
Elektroinstallateur als Berater
Viele private Solaranlagenbetreiber wenden sich daher auch mit Fragen zu den Verträgen an den Installateur ihres Vertrauens. Vom ihm erwarten sie, dass er sich mit allen Fragen rund um die Photovoltaikanlage auskennt. „Nachdem die Anlage ans Netz gegangen ist, bekommen 99 von 100 meiner Kunden einen Vertrag zugeschickt“, sagt Maik Borchert, Solateur bei der Firma RWS in Wiesbaden. Verstehen kann er diese Vorgehensweise der Netzbetreiber nicht: „Früher ging es doch auch ohne Vertrag, aber heute versuchen sie alle, unwissende Kunden schlechter zu stellen.“ Borchert ist dann der Erste, bei dem seine Kunden Rat suchen: „Ich sage da immer nur: Finger weg, darin ist nichts besser geregelt.“ Inzwischen ändert Borchert die Verträge der Netzbetreiber einfach ab und passt die kritischen Punkte an empfohlene Musterverträge an. Bei den Energieversorgern der Region Rhein- Main hat er damit sogar Erfolg: „Die SÜWAG, ESWE oder ENTEGA machen da mit“, sagt Borchert. Andere Energieversorger würden bei solchen Vertragsänderungen einfach ganz auf den Vertrag verzichten. Doch so viel Kooperation ist nicht der Normalfall. Rainer Doemen hat da ganz andere Erfahrungen gemacht. Als sich der Steuerfachmann Anfang 2007 eine PV-Anlage zulegte, erkundigte er sich frühzeitig bei seinem regionalen Netzbetreiber, RWE Rhein-Ruhr, ob sie einen Mustervertrag akzeptieren würden. Postwendend kam ein eigener Einspeisevertrag des Energieversorgers als Antwort. „Ich habe nach der Prüfung einige Punkte, die nachteilig zum Gesetz waren, abgeändert, aber mein Bemühen um eine vertraglich einvernehmliche Lösung mit der RWE war vergebens“, beklagt Doemen. Der Netzbetreiber antwortete, dass die vorgeschlagenen Änderungen nicht akzeptiert werden könnten und beharrte auf seiner Fassung. Nach langem Hin und Her kam es am Ende zu keiner Einigung und somit auch zu keinem Vertrag zwischen Doemen und RWE Rhein-Ruhr. Grundsätzlich war Rainer Doemen aber an einem Vertragsabschluss interessiert: „Nach den heutigen technischen Standards kann eine Photovoltaikanlage rund 35 bis 40 Jahre Strom erzeugen, das Gesetz sieht aber nur eine zugesicherte Laufzeit von 20 Jahren zuzüglich des Jahres der Inbetriebnahme vor“, erläutert er. Daher sei eine höhere Rechtssicherheit für die Zukunft durch einen Vertrag wünschenswert. Denn nach Ablauf der Laufzeit sind die Energieversorgungsunternehmen nicht mehr verpflichtet, Strom von der PV-Anlage abzunehmen oder zu vergüten. Eventuell steht der Anlagenbetreiber dann mit einer voll funktionstüchtigen Anlage ohne Stromabnehmer und Einspeisevergütung da und muss mit dem Netzbetreiber neu verhandeln. „In manchen Einspeiseverträgen ist abweichend vom EEG keine Laufzeitbegrenzung vorgesehen“, erläutert Doemen, „doch Vorsicht, solche Verträge beinhalten in der Regel immer ein beidseitiges Kündigungsrecht. Es gibt also keine Absicherung auf unbestimmte Zeit.“
Nachteile für Anlagenbetreiber
In dem Vertrag von RWE Rhein Ruhr gab es eine solche Laufzeitverlängerung nicht und auch sonst hätte Doemen zahlreiche Nachteile in Kauf nehmen müssen.
Eine Klausel zur Rechtsnachfolge sah eine Zustimmung des Netzbetreibers für den Fall vor, dass die Anlage verkauft oder vererbt wird. Unabhängig davon, dass es eine gesetzliche Verpflichtung für den Energieversorger gibt, für 20 Jahre den erzeugten Strom abzunehmen, gleichgültig wer die PV-Anlage betreibt. Eine so genannte „Salvatorische Klausel“ sah vor, dass Maßnahmen der Bundesnetzagentur auch unmittelbar gegenüber dem Anlagenbetreiber wirken. Ein Hintertürchen des Energieversorgers, um den Solaranlagenbetreiber „an möglichen höheren Kosten in der Zukunft zu beteiligen“, erklärt Doemen.
Besonders problematisch findet er aber die Regelungen hinsichtlich der Haftung. „Sie war einseitig zu Lasten des Anlagenbetreibers formuliert, was zu Problemen mit der Haftpflichtversicherung führen kann“, sagt Doemen. In vielen Einspeiseverträgen fänden sich unter dem Paragraphen „Haftung“ Formulierungen wie „der Netzbetreiber haftet gegenüber dem EEG-Einspeiser dem Grunde und der Höhe nach beschränkt.“ Umgekehrt ist von einer beschränkten Haftung des Anlagenbetreibers für Sach- oder Vermögensschäden aber keine Rede. Grundsätzlich treten die Haftpflichtversicherungen aber nur für Schäden ein, die sich aus einer gesetzlichen Bestimmung ergeben, nicht aus einer vertraglichen Haftung. Ein Problem, das viele Anlagenbesitzer laut Doemen aus Unkenntnis ignorieren: „Der Anlagenbetreiber haftet nach § 823 BGB nur bei einem Verschulden, der Blitzeinschlag in eine vorschriftsmäßig abgesicherte Anlage ist höhere Gewalt für die niemand direkt haftet. Erzeugt aber zum Beispiel eine Panzersicherung im Hausanschlusskasten eine Überspannung und einen Schaden beim Netzbetreiber haftet der Anlagenbetreiber unmittelbar.“
Wer unterschreibt bindet sich
Die Varianten der Änderungen zur gesetzlichen Regelung in den Verträgen sind so vielfältig wie die Zahl der Netzbetreiber in Deutschland, so dass nicht von einem einheitlichen Muster an Abänderungen gesprochen werden kann. Grundsätzlich rät der BSW-Solar genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) oder der Solarenergie-Förderverein Deutschland(SFV) vom Abschluss eines Einspeisevertrages ab. „Das Gesetz ist seit 2004 eindeutig: Der Netzanschluss darf nicht von einem Vertrag abhängig gemacht werden“, sagt Susanne Jung vom SFV. „Falls Anlagenbetreiber unbedingt einen Vertrag wünschen, sollten sie ihn einer gründlichen juristischen Vorprüfung unterziehen.“ Denn ist der Vertrag unterschrieben, ist er grundsätzlich rechtlich bindend, auch wenn nachteilige Regelungen im Vergleich zum EEG enthalten sind. Abweichen können die Netzbetreiber nur nicht von den fest geschriebenen gesetzlichen Regelungen des EEG, wie zum Beispiel die Höhe der Einspeisevergütung oder die Übernahme der Netzausbaukosten durch die Energieversorgungsunternehmen. Durchaus können aber nachteilige Regelungen bei nicht klar im Gesetz geregelten Inhalten vereinbart werden. “Beispielsweise werden Regressansprüche von Anlagenbetreibern bei Netzausfällen unterlaufen”, sagt BSW-Sprecher Fasbender. In dem Vertrag von RWE Rhein-Ruhr fand sich auch eine neuerdings bei vielen Netzbetreibern beliebte Vorbehaltsklausel. Mit Passagen wie „die Auszahlung der Vergütung erfolgt unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das EEG rechtswidrig sein sollte“, verunsichern vor allem die Netzbetreiber RWE Rhein-Ruhr und RWE Westfalen-Weser-Ems die Anlagenbetreiber. Fasbender sieht in solchen Maßnahmen System. „Derzeit haben mindestens 30 Netzbetreiber so genannte Vorbehaltsklauseln in ihren Einspeiseverträgen verankert, um den Zubau von PV-Anlagen zu verhindern oder zumindest zu verzögern“, sagt er.
Angriff aufs EEG
Den Bundesverband verblüfft es nicht, dass diese Probleme seit Mitte letzten Jahres gehäuft auftreten, da erst vor kurzem die Novellierung des EEG durch den Bundestag und Bundesrat gegangen ist. Dabei stand nach einem Gutachten des der RWE nahestehenden Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zwischenzeitlich eine Kürzung der Einspeisevergütung um 30 Prozent zur Debatte. Für Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein ist daher auch die RWE-Praxis, neuerdings in die Einspeisegutschriften einen Rückforderungsvorbehalt zu verankern „eine reine Verunsicherungsmasche, die juristischer Unsinn ist.“ In verschiedenen Urteilen hätten der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof bestätigt, dass das EEG verfassungskonform ist und nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union verstößt, erläutert die Rechtsexpertin. Und selbst wenn das EEG aufgehoben würde, gelte nach deutschem und europäischem Recht ein Bestandsschutz für Anlagen, die während der Gültigkeit des EEG ans Netz gegangen sind, sagt sie. Doch die Klausel zeigt erste Resultate, vor allem im Anschlussgebiet von RWE Rhein Ruhr. „Durch die Diskussion um das Gesetz und die Vorbehaltsklauseln scheuen die Kunden zunehmend die Investition in PV-Anlagen“, sagt Solateur Paul Pierig aus Niederecken. Viele Kleinanlagenbetreiber seien außerdem ängstlich, da sie die PV-Anlage über Bankkredite finanzieren, die sich nur über eine sichere Einspeisevergütung amortisieren. Pierig selbst betreibt seit 1990 mehrere Solaranlagen im Ruhrkreis und berichtet, dass die Vorbehaltsklauseln der RWE zu seiner Verwunderung erst in diesem Jahr zum ersten Mal in den Gutschriftanzeigen auftauchten. Auf seine schriftliche Anfrage, warum dieser Vorbehalt jetzt Teil der Gutschriftanzeige sei, habe man ihn “nur lapidar mündlich mitgeteilt, dass der Passus eine letzte juristische Absicherung sei“, ärgert sich Pierig. Der Solarenergie-Förderverein hat seit Anfang des Jahres mehrmals um Unterlassung seitens der RWE gebeten - ohne Ergebnis. Schriftlich teilte RWE Rhein-Ruhr Verteilernetz Ende Februar mit: „der Vorbehalt erfolgt aus Vorsichtsgründen (…). Denn in juristischen Fachkreisen wird immer noch diskutiert, ob die EEG-Förderung als Steuer zu erheben ist. (…). Im Zuge der erneuten Novellierung des EEG werden wir wie immer prüfen (…), ob der hier problematisierte Vorbehalt in unseren Schreiben noch erforderlich ist. (…)“.
Die Novellierung des EEG ist inzwischen im Bundestag nach dem alten Modell ohne Steuerfinanzierung verabschiedet, doch die Vorbehaltsklauseln sind aus Einspeiseverträgen und Gutschriftanzeigen nicht verschwunden. Die RWE sieht erst nach Anfang 2009 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Anlass „den Änderungsbedarf zu prüfen und dabei auch die Vorbehaltsklausel zu überdenken“, sagt Pressesprecher Jürgen Esser, „noch besitze das EEG ja keine Gesetzeskraft.“ Installateure wie Paul Pierig sehen in der Taktik der RWE ein klares Ziel: „Sie wollen langfristig das EEG kaputt machen.”