Rückblickend könnte man meinen, dass die Regelung kaum die Aufregung wert war. Mit der Feststellung, dass die Volksrepublik China die eigene Solarbranche teilweise unfair subventioniert hat, erhob das Handelsministerium einstellige Zölle auf Importe von Solarzellen und Solarmodulen aus der Volksrepublik. Konkret bedeutet das: Die USA verzollen Importe von Trina Solar mit 4,73 Prozent und von Suntech mit 2,9 Prozent. Ähnliche Produkte aus China werden in den USA mit 3,6 Prozent verzollt. Zudem tritt die Regelung rückwirkend ab Dezember 2011 in Kraft. Diese moderaten Strafzölle werden den chinesisch-amerikanischen Handel wohl kaum schwächen.
Keiner weiß jedoch, was die Zukunft bereithält. Denn bisher ging es nur umunfaire Subventionen. Die Entscheidung, ob es wegen Dumpings zu weiteren Strafzöllen kommt, steht noch aus. Sie wird am 16. Mai bekannt gegeben.
Solarworld Industries America hatte letzten Oktober zusammen mit sechs weiteren Herstellern Beschwerde eingereicht, um Ausgleichszölle wegen möglicher Subventionen zu erreichen und gegen das behauptete Dumping vorzugehen. Die sieben Kläger haben das Bündnis „Coalition of American Solar Manufacturing“ (CASM) geschlossen und führen an, dass „die weitreichenden chinesischen Subventionen die chinesischen Hersteller dazu gebracht haben, große Überkapazitäten bei der Fertigung zu erreichen, wovon über 95 Prozent zu unnatürlich niedrigen Preisen exportiertwerden, um auf unfaire Weise Marktanteile auf Kosten einheimischer Hersteller an sich zu gewinnen“.
Jetzt sind die Strafzölle relativ moderat – man genießt dennoch den Sieg. „Wir loben das Wirtschaftsministerium für seine heutige, vorläufige Entscheidung, die ein erster Schritt in einem Prozess ist, der sich über die kommenden Monate hinziehen wird“, so Gordon Brinser, Präsident von Solarworld Industries America, einer Tochtergesellschaft der in Bonn ansässigen Solarworld. „Wenn im internationalen Handel wieder Fairness einkehrt, dann kann die US-Industrie wieder zu fairen Bedingungen am Wettbewerb teilnehmen.“ Im Inland spricht Jigar Shah, ehemaliger CEO von Sun Edison und zurzeitCEO des Carbon War Room, im Namen der gegnerischen Organisation „Coalition for Affordable Solar Energy“ (CASE) über seine Bedenken: „Der vorläufige Beschluss des heutigen Tages ist ein relativ positives Ergebnis für die Solarbranche in den USA und ihre 100.000 Arbeitnehmer. Zölle egal welchen Ausmaßes werden für amerikanische Arbeitnehmer jedoch negativ sein und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nur verlängern.“
Scharfe Kritik
Tatsächlich hatte CASE am Vorabend der Entscheidungsverkündung durch das Handelsministerium die kriegerische Rhetorik zwischen den beiden Fraktionen der US-Solarbranche wieder verschärft und die Mitglieder von CASM dazu aufgerufen, eine komplette Liste mit allen staatlichen Subventionen offenzulegen, die man in den vergangenen zehn Jahren erhalten habe. Allein Solarworld, so behauptet CASE in einer Stellungnahme, „hat mehr als 100 Millionen US-Dollar an direkten Subventionen erhalten und dem deutschen Unternehmen somit einen Wettbewerbsvorteil verschafft“.
Shah kritisierte weiter: „Leider hat sich das US-Handelsministerium nicht mit der Heuchelei der Antragsteller auseinandergesetzt beziehungsweise eine vergleichende Bewertung vorgenommen. Aufgrund der zerstörerischen Kraft des von CASM geführten Kreuzzugs verdient es die Öffentlichkeit, die Wahrheit überSolarworld und die Millionen Dollar, die es an direkten Subventionen auf der Angebotsseite erhalten hat, zu erfahren.“ Zudem betonte er den Schaden, den die Handelsbeschwerde jedem Branchenakteur zufügen würde. „Ein Subventionskrieg in der Solarbranche ist wie ein im Kreis aufgestelltes Erschießungskommando, bei dem jeder getroffen wird“, so Shah.
In den Monaten vor der vorläufigen Entscheidung verkündete auch Li Junfeng, Generalsekretär des chinesischen Branchenverbands für erneuerbare Energie, dass jegliche Zölle unabhängig von ihrer Höhe der gesamten Solarbranche enormen Schaden zufügen würden. Als Reaktion auf die Ankündigung vom 20. März sagte Li Junfeng in der China Daily, dass „es nicht in Ordnung ist, dass chinesische Hersteller bestraft werden“, auch wenn die Zölle niedriger als erwartet ausgefallen sind.
China erleichtert
Das in China ansässige Unternehmen Suntech gab bekannt, dass es auf solch eine Entscheidung vorbereitet war. „Als global agierendes Unternehmen mit globalen Lieferketten und Produktionsstätten in drei verschiedenen Ländern sind wir gut für die Zukunft aufgestellt. Unabhängig davon, ob Zölle auf Solarzellen aus China eingeführt werden oder nicht, können wir unseren US-Kunden hunderte Megawatt von qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Solarprodukten bieten, die nicht von den Zöllenbetroffen sind. Mit unserer Produktion vor Ort in Arizona sind wir auch weiterhin aktives Mitglied der amerikanischen Solarbranche und konzentrieren uns auch in Zukunft darauf, die Solarenergie für jeden überall erschwinglich zu machen“, so Andrew Beebe, Chief Commercial Officer bei Suntech.
Ein weiteres chinesisches Unternehmen, das von den bevorstehenden Entscheidungen am meisten betroffen sein wird, ist Trina Solar. Das Unternehmen gab am 20. März eine Stellungnahme ab, die Chief Commercial Officer Mark Kingsley zugeschrieben wird. „Wir verfolgen das Ziel, dass unser US-Team das Geschäft in Nordamerika weiter ausbaut, um den wachsenden Service-Bedürfnissen unserer Kunden zu entsprechen“, so der Kommentar.
Interessanterweise stellt Kingsley fest: „Das US-Handelsministerium hat klargestellt, dass sich der Geltungsbereich nicht auf den Export von in China gefertigten Modulen erstreckt, deren Solarzellen in einem Drittland hergestellt wurden. Trina Solar unternimmt die notwendigen Schritte in diesen verwaltungstechnischen Angelegenheiten, während es seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt.“ Ein kanadischer Brancheninsider, der ungenannt bleiben möchte, sagt zur Strategie von Trina Solar: „Die aktuellen Zölle sind zu niedrig, als dass sie auch nur ein chinesisches Unternehmen vom amerikanischen Markt verdrängen würden. Sollten die Vereinigten Staatenjetzt aber zweistellige Antidumpingzölle einführen, dann werden die Chinesen versuchen, kanadische Firmen zu kaufen, und mit kanadischen Investoren über den Export von dort aus Gespräche führen. Eine Verschiebung der Produktion nach Kanada wäre für die Unternehmen dann sinnvoll.“ Jesse Pichel, Analyst für saubere Technologien bei Jefferies & Co. in New York City, weist in einer Studie darauf hin, dass auf die Chinesen bei einer Produktion außerhalb von China zur Vermeidung der Importzölle höhere Kostenzukommen würden. Dadurch werde es zu einer Erhöhung der Modulpreise in den USA kommen sowie zu einer Abschwächung des Branchenwachstums.
Trotz alledem gab das in Nanjing ansässige Unternehmen China Sunergy, das auf die Produktion von Solarzellen und -modulen spezialisiert ist, am 30. März bekannt, dass es bereits die Fertigung von Solarmodulen in Frankreich aufgenommen habe – im Rahmen einer OEM-Kooperation mit dem französischen Modulhersteller KDG Energy. Der erste Auftrag der Produkte „CSUN Made in France“ werde bereits an die Akuo Energy Group in Paris, einen der weltweit führenden Entwickler und Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien, ausgeliefert.
Zusammenarbeit statt Konflikt
Am 20. März, genau dem Tag, als die Entscheidung für Ausgleichszölle bekannt gegeben wurde, verkündete die „Solar Energy Industries Association“ (SEIA) – der im Silicon Valley ansässige Branchenverband für Solarenergie – eine neue Initiative zur Klärung von Handelsfragen, bevor es einer richterlichen Entscheidungbedarf. Im vergangenen Jahr wandte sich die SEIA an nationale Solar-Organisationen sowie den chinesischen Branchenverband für erneuerbare Energie und weitere Handelsgruppen im asiatisch-pazifischen Raum, um einen formalen Solardialog aufzubauen.
Chinas Beitrag zum Wachstum
„Die SEIA steht für ein regelbasiertes Verfahren zur Lösung von Handelsstreitfragen in der Solarbranche“, so Rhone Resch, Präsident des Verbands. Das Vorgehen gegen chinesische Importe ist bezeichnend für einen wachsenden Trend zum Handelskonflikt in der globalen Solarbranche, der das bisherige schnelle Marktwachstum auszubremsen droht, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch anderswo. „Sowohl die Regierungen als auch die Branche müssen erkennen, dass Handelsbeschränkungen durch etwa Antidumping- und Strafzollverfahren zwar einen wichtigen Teil der weltweiten Handelsregeln ausmachen, Zusammenarbeit und Verhandlungen jedoch ebenfalls. Deshalb ergreift die SEIA im Voraus die Initiative zum Aufbau eines Dialogs mit verschiedenen führenden Solarverbänden und Regierungen auf der ganzen Welt“, erklärte Resch. Nach Angaben des US-Handelsministeriums stiegen im Jahr 2011 die US-Importe von chinesischen Solarmodulen auf 3,1 Milliarden US-Dollar. Weltweit haben die günstigen chinesischen Module die Kosten für Solarenergie in den vergangenen vier Jahren um zwei Drittel sinken lassen und somit die große Kostendifferenz zum Strom aus fossilen Energieträgern zwar nicht beseitigt, jedoch verringert.
Die zwei Fronten in den USA
Eine Reihe von Insolvenzen im vergangenen Jahr, ganz vorn dabei der Konkurs des Unternehmens Solyndra, das eine halbe Milliarde Dollar an staatlicher Unterstützung erhalten hatte, wird von Republikanern im Kongress politisiert. Sie behaupten, dass die Obama-Administration die Kredite durch Vetternwirtschaft gewährt habe und dass Cleantech-Unternehmen, die sich noch nicht bewiesen hätten, unter mangelhafter Aufsicht stünden.
Im Gegenzug meinen die Demokraten im Kongress, dass Amerika zum Erhaltseiner Wettbewerbsfähigkeit Innovationen auf dem Energiesektor unterstützen müsse und dass „es um die Wirtschaft geht, Dummkopf“, wie es der Politstratege James Carville während der erfolgreichen Kampagne des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton im Jahr 1992 so einprägsam nannte.
Steve Elkin, CEO des Solarthermie-Unternehmens Solar US mit Sitz in Branford (Connecticut), betont: „Kein Unternehmen sollte sich hinter nationalen Grenzen verstecken können. Es wird nicht erkannt, dass die Weltwirtschaftskrise viele Unternehmen zu verzweifelten Maßnahmen gezwungen hat.“ Er sagte weiter, dass die Handelsprobleme auf beiden Seiten des Pazifiks womöglich außerhalb des Einflusses einer Nation beziehungsweise deren heimischer Industrie stehen. „Es wird über US-Unternehmen wie Solyndra gesprochen, die großzügige staatliche Mittel erhalten haben und in Konkurs gegangen sind. Wir werden bald erfahren, ob hier Misswirtschaft vorgelegen hat oder ob diese Unternehmen der Wirtschaftskrise zum Opfer gefallen sind. Es werde nicht gesehen, dass die chinesischen Unternehmen auch zukämpfen haben und sich viele aufgrund der Wirtschaftslage aus dem Geschäft zurückgezogen haben.“ Mit der endgültigen Entscheidung des Handelsministeriums zum Thema Ausgleichszölle wird im Juni gerechnet. Sollte das Handelsministerium der Beschwerde folgen und die Internationale Handelskommission der Vereinigten Staaten (USITC) zustimmen, dass der Import von Solarzellen aus China eine wesentliche Gefahr für die heimische Branche darstellt beziehungsweise darstellen könnte, dann wird das Ministerium Ausgleichszölle verhängen. Die USITC wird ihre Entscheidung diesbezüglich am 19. Juli 2012 fällen.