Die Insolvenz gilt bei vielen als das absolute Ende. Das gilt so nicht mehr, oder?
Das muss jedenfalls noch weniger gelten als zuvor. Es war vorher schon der Fall, dass es auch nach dem alten Recht Möglichkeiten gab, ein Unternehmen saniert aus der Insolvenz wieder herauszuführen – allerdings mit einigen Schwierigkeiten. An die Schwierigkeiten ist man jetzt mit dem ESUG herangegangen.
Was gab es für Schwierigkeiten?
Eine große Schwierigkeit war in der Vergangenheit mit Sicherheit, dass Insolvenzanträge in der Regel zu spät gestellt wurden. Das Management hatte alles Mögliche versucht, um das Ruder noch herumzureißen, aber die Insolvenz nur als letzten Ausweg gesehen. Das hat dazu geführt, dass aufgrund des großen Zeitverlusts und der Tatsache, dass dann auch sehr viel Geld schon verbrannt war, im Insolvenzverfahren die Optionen häufig nur noch sehr limitiert waren. Ein weiterer Punkt waren die Sanierungsmöglichkeiten, die das Insolvenzrecht bisher vorgesehen hatte, insbesondere das Insolvenzplanverfahren. Das Verfahren in Verbindung mit der sogenannten Eigenverwaltung war mit einigen Geburtsfehlern und technischen Schwierigkeiten ausgestattet. Es wurde daher in der Praxis nicht so angenommen.
Allerdings war es doch so, dass es schon im alten Insolvenzrecht von 1999 eine Option gab, die die Insolvenz in Eigenverwaltung vorsah?
Genau. Das Insolvenzrecht 1999 sah speziell für Unternehmen vor, dass diese ein Insolvenzplanverfahren durchführen können. Es wurden dann auch einige Pläne aufgesetzt, aber nur sehr wenige Pläne waren letztendlich erfolgreich. Das Recht sah auch vor, dass Unternehmen in die sogenannte Eigenverwaltung gehen konnten. Das heißt, der Geschäftsleitung wird kein Insolvenzverwalter vorgesetzt, sondern die Geschäftsleitung kann mit den gesetzlichen Regelungen selbst das Insolvenzverfahren durchführen. Die Eigenverwaltung wiederum hat ein absolutes Schattendasein geführt.
Woran lag das?
Das lag insbesondere daran, dass die Insolvenzgerichte die Eigenverwaltung in der Regel nicht als taugliches Mittel angesehen haben. Das Standardargument war, man wolle nicht den Bock zum Gärtner machen, weil man letztendlich die Fehler bei der Geschäftsleitung sah – und warum soll dann gerade diese das Insolvenzverfahren durchführen. Es war die traditionelle Sichtweise im deutschen Insolvenzrecht, dass immer ein Insolvenzverwalter kommen musste, um als objektiver Dritter auch im Interesse aller Gläubiger nach dem Rechten zu sehen und die Angelegenheiten zu regeln.
Ist das denn falsch? Diese Argumentation ist doch erst mal recht anschaulich.
Diese Argumentation ist nicht in jedem Fall von der Hand zu weisen. Irgendjemand hat Fehler gemacht. Es gibt allerdings auch Insolvenzfälle, da kommen viele Umstände zusammen. Da ist es dann nicht klassischerweise nur das Management, das Fehler gemacht oder auf schwierige Situationen falsch reagiert hat, sondern es spielen dann auch saisonale Gründe eine Rolle, auf die das Management schlichtweg gar nicht mehr reagieren konnte. Daneben können es auch äußere Faktoren wie zum Beispiel die Finanzkrise sein.
Was ist der Vorteil, wenn ein Unternehmen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchführt?
Der Vorteil bei der Eigenverwaltung ist erst einmal natürlich die Kenntnis des Managements vom Unternehmen. Im bestenFall ist dieses eben schon Monate oder Jahre im Amt und hat auch bestimmte Vorstellungen, wie die Sanierung branchentypisch durchgeführt werden soll. Der Insolvenzverwalter hingegen, selbst wenn der schon Unternehmen aus der Branche verwaltet und abgewickelt hat, ist trotzdem immer ein Dritter, der die spezielle Situation des insolventen Unternehmens nicht kennt und eine gewisse Einarbeitungszeit braucht. Zeit ist aber das, was Firmen im Insolvenzfall gar nicht haben. Wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird, müssen die Dinge recht schnell passieren. Denn wenn ein Unternehmen aus der Insolvenz saniert herausgeführt werden soll, dann muss jeder genau wissen, was er zu tun hat, und der Markt darf auch nicht verunsichert werden. Wenn das Insolvenzverfahren erst einmal läuft, dann verschwinden auch langsam die Kunden und es gibt keine Neuaufträge mehr. Lieferanten liefern gar nicht mehr oder nur noch unter speziellen Bedingungen. Daher kann es durchaus Vorteile bieten, wenn das Management weiterhin das Sagen hat und nicht wochen- oder monatelang dem Insolvenzverwalter alles erklären muss.
Was hat sich seit dem 1. März im Vergleich zu vorher geändert?
Seit dem 1. März, seit also das ESUG in Kraft ist, gibt es folgende Neuerungen: Zum einen ist es möglich, dass insbesondere die Gläubiger den Insolvenzverwalter auswählen. Das war bisher nicht möglich. Jetzt ist es gesetzlich geregelt, dass die Gläubiger im Rahmen eines vorläufigen Gläubigerausschusses den Insolvenzverwalter quasi auswählen können. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Gläubiger auch auf die Art des Verfahrens Einfluss nehmen können. Das bedeutet, dass diese darüber bestimmen können, ob ein klassisches Insolvenzverfahren oder eine sogenannte Eigenverwaltung angestrebt wird. Früher war es dagegen so, dass die Geschäftsleitung darlegen musste, dass keine Nachteile für die Gläubiger entstehen, wenn die Eigenverwaltung beantragt wurde. Dieser Nachweis war immer sehr schwer zu führen, so dass das Gericht es relativ einfach hatte, eine Eigenverwaltung abzulehnen. Das wird jetzt anders.
Wer stellt in der Regel den Insolvenzantrag – die Gläubiger oder die Geschäftsführung?
Das ist in der Regel die Geschäftsführung. Es sind auch Fremdanträge möglich, aber sie sind nicht die Regel. Das Gericht kann einen Antrag der Geschäftsführung auf Eigenverwaltung, den die Gläubiger im vorläufigen Gläubigerschutz einstimmig befürwortet haben, nur dann ablehnen, wenn es darlegen kann, dass daraus Nachteile für die Gläubiger resultieren. In der Regel wird es aber so sein, dass das Gericht das nicht darlegen kann, insbesondere wenn die Gläubiger es selbst wollen. Die Anzahl der Eigenverwaltungen wird damit deutlich zunehmen, wie die Praxis auch bereits zeigt. Das hat vor allem für die Unternehmensführung folgenden Vorteil: Das Management hat vor einer Insolvenz immer große Angst gehabt, vor allem davor, dass es komplett das Ruder abgeben muss und nicht weiß, was mit dem Unternehmen passiert. Jetzt kann es mit Hilfe der Eigenverwaltung das Ruder in der Hand behalten. Es bekommt zwar einen sogenannten Sachwalter an die Seite, der darauf achten muss, dass alles im Rahmen der Gesetzmäßigkeiten erfolgt, und der dem Gericht gegenüber berichtet. Aber trotzdem kann das Management den Restrukturierungsplan weitgehend nach den eigenen Vorstellungen gestalten.
Aber was bedeutet dann Insolvenz in so einem Fall überhaupt noch? Also nehmen wir einmal an, ich bin die Geschäftsführung der Firma XY und stelle einen Antrag nach ESUG auf Eigenverwaltung, weil ich Rechnungen nicht mehr bezahlen kann oder es absehbar ist, dass ich sie nicht mehr bezahlen kann. Dadurch kann ich sie aber immer noch nicht bezahlen. Was mache ich dann?
Nein, die Rechnungen können dadurch nicht bezahlt werden. Der Vorteil ist allerdings: Sie müssen dann auch nicht bezahlt werden und dürfen auch nicht bezahlt werden. Auch Vollstreckungsmaßnahmen sind in der Zeit für die Gläubiger nicht möglich. Es wird eine Art Käseglocke über das Unternehmen gestülpt, und das Unternehmen kann in Ruhe den Restrukturierungsplan weiter vorantreiben. Die Eigenverwaltung hat deutliche Vorteile, wenn es darum geht, die Restrukturierung umzusetzen. Ohne das Insolvenzverfahren wären Firmen gar nicht in der Lage, Forderungsverzichte zum Beispiel mit den Gläubigern erfolgreich auszuhandeln. Sie können mit Hilfe eines Insolvenzplanverfahrens zum Beispiel die Gläubiger in Gruppen abstimmen lassen. Dort ist eine einfache Kopf- und Summenmehrheit in jeder Gruppe entscheidend. Das heißt, nicht alle Gläubiger müssen zustimmen, was ohne das Insolvenzverfahren der Fall wäre.
Was sind weitere Vorteile?
Sie haben auch nach der Insolvenzordnung bestimmte rechtliche Restrukturierungsmöglichkeiten, die Sie ohne die Insolvenz nicht haben, zum Beispiel beim Arbeitsrecht. Sie können erleichtert Kündigungen aussprechen und können personelle Restrukturierungen durchführen. Sie können ungünstige Verträge einfach abschneiden, was außerhalb der Insolvenz nicht ginge oder mit erheblichen Schadenersatzpflichten verbunden wäre. Das heißt, es ist im Insolvenzverfahren ein sogenanntes „Cherry Picking“ möglich: Das Gute am Unternehmen, was Erträge erarbeitet, kann erhalten bleiben. Das, was das Unternehmen belastet, kann abgestoßen werden.
Hat sich bei dem Umgang mit den Gläubigern jetzt etwas geändert?
Das Insolvenzplanverfahren gab es schon vorher und auch die Möglichkeit, die Gläubiger zu überstimmen, das heißt mit einer Mehrheit der Gläubiger zu operieren. Der Gesetzgeber hat allerdings einige technische Details erfolgreich geändert. Eine wesentliche Neuerung ist der sogenannte Debt Equity Swap, der bedeutet, wenn Gläubiger nicht mehr bedient werdenkönnen, können diese sagen: Wir wollen keine Quote haben oder nicht nur eine Quote haben, sondern wir glauben an das Unternehmen und nehmen stattdessen einen Anteil vom Eigenkapital. Dieser Debt Equity Swap ist eigentlich nichts Neues im Sanierungsrecht. Aber es gab bisher immer die Schwierigkeit, dass die Altgesellschafter nach bisherigem Recht besonders geschützt waren. Das heißt in letzter Konsequenz: Ohne die Zustimmung der Altgesellschafter ging das nicht. Sie hatten eine Blockadeposition, was nach dem neuen Recht geändert ist. Es ist jetzt leichter, dass neue Investoren Forderungen aufkaufen können, um dann in das Eigenkapital zu wechseln. Auf diesem Weg können die Altgesellschafter dann auch überstimmt werden.
Von wem muss dieser Schritt kommen?
Das muss im Wesentlichen von den Gläubigern ausgehen. Häufig gibt es Unternehmen, wo Geschäftsleitung und Gesellschafter nicht identisch sind, sondern Interessenskonflikte zwischen beiden Gruppen bestehen. Die Geschäftsleitung hat vielleicht einen erfolgreichen Plan ausgearbeitet und dafür auch bereits Investoren und Gläubiger gefunden, die ihn unterstützen. Wer dann aber blockiert, sind zum Beispiel die Altgesellschafter. Einerseits wollen sie nicht Platz machen, andererseits wollen sie aber auch kein neues Geld geben. In solchen Fällen kommt die Geschäftsleitung nicht weiter. Mit einem Insolvenzplanverfahren können die Altgesellschafter dann aber gezwungen werden, die neuen Investoren an Bord zu lassen.
Sollte die Geschäftsführung angesichts des neuen Gesetzes nun früher über eine Insolvenz nachdenken, als sie es vielleicht bislang getan hat?
Genau.
Was ist der Vorteil davon?
Es ist in der Tat ein ganz großes Problem, was man in der Beratungspraxis in der Vergangenheit immer wieder feststellen musste: Sie konnten mit der Geschäftsleitung über alles reden, aber nicht über das böse I-Wort, weil das eigentlich das Ende aller Tage für die Geschäftsleitung bedeutete – eben Kontrollverlust, keine Eigenverwaltung, sondern ein Insolvenzverwalter, der einem vor die Nase gesetzt wird. Dann wird die Geschäftsleitung auch noch für die Fehler der Vergangenheit verantwortlich gemacht. Jetzt ist es so, dass die Geschäftsleitung ja einerseits beim normalen Eigenverwaltungsverfahren die Möglichkeit hat, das Ruder in der Hand zu behalten. Andererseits gibt es den Anreiz, über das sogenannte Schutzschirmverfahren, das ein völlig neues Institut seit dem 1. März ist, Restrukturierungsbemühungen geschützt und privilegiert umzusetzen. In diesem Fall stellt die Geschäftsleitung einen Antrag in Abstimmung mit den wesentlichen Gläubigern auf ein sogenanntes Schutzschirmverfahren und hat dann drei Monate Zeit, einen Insolvenzplan und ein Restrukturierungskonzept umzusetzen, ohne dass Gläubiger, die das vielleicht torpedieren wollen, dazwischenfunken können. Es hat zugleich folgenden Vorteil: Es ist noch kein Insolvenzverfahren.
Das heißt, man zahlt auch weiter seine Rechnungen.
So ist es. Die Voraussetzung ist, dass das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig, sondern allenfalls überschuldet ist, was sehr viel schneller eintreten kann. Drei Monate hat die Geschäftsleitung dann Zeit, gemeinsam mit den wesentlichen Akteuren ein etwaiges Insolvenzverfahren vorzubereiten. Sie kann aber auch, wenn sie der Meinung ist, sie bekommt es ohne Insolvenzverfahren hin, dieses Verfahren ganz schnell wieder abblasen.
Wovor schützt der Schutzschirm?
Der Schutzschirm schützt erst einmal vor den Gläubigern, die das Unternehmen eben nicht weiter begleiten wollen, sondern dazu übergehen wollen, zum Beispiel durch Vollstreckungsmaßnahmen das Unternehmen auseinanderzupflücken.
Das heißt, dieses Schutzschirmverfahren ist geeignet für Firmen, die noch in der Lage sind, die laufenden Rechnungen zu bezahlen, aber ihre Gläubiger nicht mehr bedienen können?
Die kurz davor stehen, genau.
Wären diese Unternehmen nicht schon verpflichtet, Insolvenz anzumelden?
Das kann aufgrund der eingetretenen Überschuldung unter Umständen so sein. Die drohende Zahlungsunfähigkeit als solche begründet natürlich noch keine Pflicht. Aber die eingetretene Überschuldung könnte eine Pflicht begründen.
Können Sie kurz erklären, wann ein Unternehmen verpflichtet ist, Insolvenz anzumelden?
Den Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft in Deutschland trifft grundsätzlich die Pflicht, das Insolvenzverfahren unverzüglich zu beantragen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Unternehmen sollten daher in wirtschaftlich schwierigen Zeiten rechtzeitig externen Rat einholen, was rechtlich in der Krise zu beachten ist, um etwaige Strafbarkeiten zu vermeiden und um natürlich auch Sanierungsmöglichkeiten hinreichend und früh genug nutzen zu können.
Kann man allgemein sagen, wie ein solches Verfahren abläuft?
Die Sanierungsberater überlegen sich zusammen mit dem Unternehmen rechtzeitig, welchen Nutzen das Unternehmen aus einem etwaigen Insolvenzverfahren ziehen kann. Und sie überlegen sich erst einmal, wie das Konzept aussieht und welcher Insolvenzverwalter als Sachwalter das begleiten kann und auch wer im Management dann den Insolvenzplan oder das Restrukturierungskonzept umsetzen könnte. Dann wird nach den wesentlichen Gläubigern gesucht und ein sogenannter vorläufiger Gläubigerausschuss schon vorab abgestimmt. Wenn dann der Insolvenzantrag gestellt wird, ist im Prinzip alles schon vorbereitet. Das bedeutet, man weiß, wer Sachwalter werden soll und hat den Sachwalter auch schon vorher gefragt, ob er das Amt annehmen würde. Am besten hat man auch gleich alle Erklärungen beim Insolvenzgericht dabei. Man weiß, wer von den Gläubigern im vorläufigen Gläubigerausschuss sitzen soll und hat auch die entsprechenden Bestätigungen parat. Erst dann stellt man den Insolvenzantrag, verbunden mit dem Antrag, diesen vorläufigen Gläubigerausschuss auch gleich zu bilden. Die Gläubiger geben auch ganz schnell einen Beschluss ab und sagen, wer Sachwalter werden soll und dass sie eine vorläufige Eigenverwaltung oder ein Schutzschirmverfahren befürworten. Wenn das Gericht einstimmige Beschlüsse vom vorläufigen Gläubigerausschuss vorliegen hat, wird es in der Regel diesen auch folgen – es sei denn, das Gericht muss irgendwie erkennen, dass das nicht sauber vorbereitet war oder dass grobe Nachteile für das Unternehmen oder die sonstigen Gläubiger entstehen können.
Was bedeutet ESUG eigentlich für die Mitarbeiter einer Firma? Eröffnet es der Geschäftsführung mehr Handlungsspielraum, wenn sie das Unternehmen eigenverantwortlich restrukturieren und dabei auch leichter Mitarbeiter rauswerfen kann? Ist das auch kritisch zu sehen?
Ganz so einfach geht es mit den Kündigungen nicht. Das Arbeitsrecht wird nicht komplett ausgehebelt, es wird nur krisenbedingt etwas eingeschränkt. Es ist auch so, dass bestimmte Regelungen des Arbeitsrechts weiterhin gelten, zum Beispiel ist eine ganz wichtige Regelung der § 613a BGB. Demnach gilt: Wenn ein Unternehmen aus der Insolvenz heraus verkauft wird, dann landen die Mitarbeiter unter Umständen nach einer Betriebsübernahme grundsätzlich zu den bisherigen Konditionen beim Erwerber. Das ESUG selbst regelt arbeitsrechtlich nichts neu, sondern führt im arbeitsrechtlichen Bereich nur dazu, dass Restrukturierungskonzepte – die auch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen einhergehen können – mit Hilfe des Insolvenzarbeitsrechts häufiger umgesetzt werden. Das ESUG zielt natürlich wirtschaftlich insgesamt darauf, mehr Sanierungen in Deutschland zu ermöglichen und damit letztlich auch bestehende Arbeitsplätze zu erhalten.
Gibt es aus der Solarbranche Beispiele für Unternehmen, die die neuen Möglichkeiten nutzen?
Ja, die Beispiele Solarwatt und Sovello haben bereits gezeigt, dass die Möglichkeiten nach dem neuen Recht genutzt werden. Das Management ist dort nach wie vor am Steuer und setzt sein Sanierungskonzept jetzt mit Hilfe des Insolvenzrechts um.
Sind Sie der Meinung, dass es in der Solarbranche eigentlich vielen Unternehmen gut anstünde, so ein Verfahren zu beantragen?
Bei der Solarbranche gibt es ein Kapazitätsproblem. Das heißt, es gibt einen gewissen Wettlauf zwischen Unternehmen, wer am längsten durchhält. Es findet momentan eine Marktbereinigung statt. Makroökonomisch macht es wenig Sinn, wenn viele Unternehmen nun versuchen, im Rahmen der Eigenverwaltung eine Sanierung hinzubekommen, auch wenn die Unternehmen, in letzter Konsequenz, keine Daseinsberechtigung mehr haben, weil die Kapazitäten am Markt fehlen. Aber auch bei diesen Unternehmen könnte der Fall so liegen, dass sie in geschrumpfter Version ertragswirtschaftlich durchaus überleben können, wenn erst einmal ein großer Teil der Verbindlichkeiten abgebaut würde. Momentan gibt es einen Schrumpfungsprozess auf dem Photovoltaikmarkt. Dieser Prozess bedeutet, dass ein Unternehmen sich anpassen, also schlank machen muss. Dabei kann ein Insolvenzverfahren natürlich helfen.
Fassen wir es noch mal zusammen: Heißt das, man muss keine Angst mehr vor der Insolvenz haben?
Also, die Insolvenz stellt mit Sicherheit nach wie vor eine sehr große Bedrohung für ein Unternehmen dar. Dass man Respekt davor hat, ist schon begründet und auch zu raten. Aber man muss keine Angst mehr davor haben, dass man mit der Insolvenz im Zweifel keine Sanierung durchführen kann und dass man keine Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten hat. Die Rettungschancen für die Unternehmen sind erheblich verbessert worden. Und das muss sich, glaube ich, jeder Geschäftsleiter wirklich klarmachen: Bei den vielen Optionen, die er als vernünftiger Unternehmer abwägen muss, muss er auch immer rechtzeitig die Insolvenzoption als echtes Gestaltungsmittel zum Erhalt des Unternehmens berücksichtigen, weil es nun auch eine echte Option zur Rettung und Neuausrichtung des Unternehmens ist.