Man musste schon gezielt suchen, wenn man auf der Intersolar Neuheiten zur Gebäudeintegration (BIPV) finden wollte. 2009 war die BIPV noch eines der Topthemen auf der Messe, ausgelöst durch die bevorzugte Förderung in Frankreich. Damals überschlugen sich die Hersteller mit Vorab-Pressemitteilungen und stellten ihre Produktneuheiten prominent aus. In Studien wurden die Perspektiven des Nischenmarktes beleuchtet und hoffnungsvoll dargestellt. Mittlerweile ist die PV-Integration in Dächer und Fassaden aus dem Scheinwerferlicht wieder verschwunden. Als Spezialgebiet im Photovoltaiksektor ist die BIPV gleichwohl noch präsent. Die Hersteller zeigen sich geduldig und wissen gute Gründe zu nennen, weshalb der Markt doch beizeiten wachsen werde.
178 Firmen hatten sich als Anbieter für BIPV-Produkte registriert. Dies ergab die Suche im Ausstellerkatalog auf der Intersolar-Website. Auf 2.280 Aussteller umgerechnet, sind dies knapp acht Prozent. Doch das Bild täuscht: Der Prozentsatz spiegelt in keiner Weise die marginale Bedeutung der BIPV im Gesamtmarkt wider. Unter den Ausstellern waren zahlreiche Hersteller und Systemanbieter, die für Standardprodukte bekannt sind und für die Indachmodule und Fassadenelemente nur ein Produkt im Gesamtprogramm sind. Die meisten kamen aus Deutschland, viele auch aus Taiwan und China, es folgten Frankreich und Italien.
Rückgang bei Prestigeprojekten
Ohne Optimismus und einen langen Atem ließe sich in dem Geschäftsbereich kaum arbeiten, und das gilt momentan insbesondere für die Anbieter von Sonderlösungen. „Das Interesse ist riesengroß, aber die Umsetzungsrate ist gering“, resümierte Dieter Moor, Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb bei Ertex Solar im österreichischen Amstetten. Grundsätzlich sei die Nachfrage gestiegen. In dem ersten Jahr der Geschäftstätigkeit, 2004, lieferte Ertex Solar Systeme für Anlagen mit rund 100 Kilowatt Leistung. Heute kann das Unternehmen BIPV-Projekte mit einem Megawatt Gesamtleistung im Jahr umsetzen. „In den vergangenen zwei Jahren ist die Nachfrage aber abgeflacht“, sagt Moor weiter und versucht dies mit den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise zu begründen.
Dies klingt nachvollziehbar, denn Ertex Solar ist eine Tochterfirma der Ertl Glas AG, einem Hersteller von Verbundsicherheitsglas, und als solche auf Sonderlösungen für hochkarätige Bauprojekte spezialisiert. Zahlreiche Projekte realisierte Ertex Solar für Regierungsorganisationen, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen – und bei vielen herrschte Sparzwang.
Auch bei den weniger aufwendigen Installationen plätschert der Markt vor sich hin, wenngleich einige Aussteller eine steigende Nachfrage bestätigten. So zum Beispiel Matthias Muther, geschäftsführender Gesellschafter bei S.S.T. Solar System Technik in Schlins, Österreich. Das Unternehmen stellt Solarkollektoren her und vertreibt Photovoltaikmodule von internationalen Herstellern. Für beide Techniken bietet S.S.T. Indachsysteme an. Kunden sind kleine und mittelständische Betriebe, die die Systeme in erster Linie an Privatleute in Deutschland, Italien, Österreich und in der Schweiz vertreiben.
Ästhetik wird wichtiger
„Die Kunden achten mehr auf die Ästhetik und nicht mehr auf jedes Prozent Leistung“, beobachtet Muther. Die sinkenden Modulkosten würden sich außerdem auf die Systemkosten niederschlagen, wodurch integrierte Anlagen leichter zu verkaufen seien. Noch einfacher sei es natürlich in Ländern wie Italien, in denen der Strom aus integrierten Anlagen besser vergütet wird. Hinzu kommt, dass S.S.T. spezielle Anwendungsgebiete erkannt hat.
Eine überdurchschnittlich hohe Nachfrage verzeichnet Muther aus Regionen, in denen viel Schnee fällt. Als Beispiel nennt er das Gebiet um Bad Reichenhall in Oberbayern, wo im Januar 2006 eine Eissporthalle einstürzte. „Dort ist das Bewusstsein für BIPV höher“, sagt Muther. „Die Statiker wollen das Risiko einer höheren Dachlast durch eine zusätzliche Photovoltaikanlage nicht auf sich nehmen.“ Module für die Dachintegration sind in der Regel für Schneelasten bis 5.400 Pascal ausgelegt. Der Standard für herkömmliche Module liegt bei 2.400 Pascal.
Zuversichtlich ist Muther auch, weil er ein höheres Interesse von Seiten der Architekten feststellt. „Sie erkennen immer mehr, dass es keinen Sinn hat, ein Dach mit Ziegeln und zusätzlich Photovoltaik zu belegen.“
Photovoltaik als Designelement
Seitdem zumindest ansatzweise Bewegung in den Markt kam, ist die Rede davon, dass die Architekten für die Photovoltaik gewonnen werden müssen. Oliver Roser, Architekt und Sales Manager für BIPV in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei Scheuten Solar, hält seine Berufskollegen außerhalb Deutschlands für aufgeschlossener, was die Gebäudeintegration angeht. „Die Franzosen, Italiener und Engländer gehen spielerischer mit der Solarzelle um, sie sehen sie als Designelement“, meint er. In Deutschland hafte der Photovoltaik noch zu sehr das Öko-Image an. „Außerdem sind die Diskussionen um Photovoltaik als Bauelement hier größer“, sagte Roser. Hierzulande gelte Photovoltaik als „Problem-Bauelement“, entsprechend hoch sei der Beratungsbedarf.
Dennoch werden Architekten sich früher oder später mit der Solartechnik befassen müssen. Denn sie werden von ihren Kunden immer häufiger mit Gebäude-Zertifizierungssystemen konfrontiert. Dies berichtet Dieter Moor von Ertex Solar. In Deutschland ist dies beispielsweise das Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). In den USA gibt es das LEED-Zertifikat des U.S. Green Building Council, in Großbritannien das BREEAM-Zertifikat, das vor 20 Jahren den Anfang machte.
Darüber hinaus wird die EU-Richtlinie für energieeffiziente Gebäude (2002/91/EG) die Arbeit der Architekten immer stärker beeinflussen. Neben Standards für Neubauten und Sanierungen besagt die Neufassung von 2010, dass ab dem 31. Dezember 2020 alle Neubauten „Fast-Nullenergie-Häuser“ sein müssen.
Noch kein geregeltes Bauprodukt
Die EU-Länder sind angehalten, die Gebäuderichtlinie in nationale Gesetzgebung umzusetzen. Eine erste Folge sind Energieausweise, die den Energiebedarf von Gebäuden kenntlich machen. Wenn sie sich erst einmal im öffentlichen Bewusstsein verankert haben, sollten sie dafür sorgen, dass der Energieeffizienz mehr Beachtung geschenkt wird. Einen solchen Energieausweis gibt es auch schon in Frankreich. Wie Avril Tourmen, Export-Managerin bei dem französischen Dachabdeckungshersteller Soprema, berichtete, sei der Effekt schon spürbar. „Endkunden und Architekten achten immer mehr darauf, wie viel Energie ein Haus verbraucht.“
Ein Architekt mag einen guten Willen haben, doch wenn er ein öffentliches Projekt mit einer gebäudeintegrierten Anlage plant, muss er Hemmschwellen überwinden. Gefordert sind „geregelte Bauprodukte“, und solche sind BIPV-Systeme noch nicht. Derzeit muss noch für jedes Bauprojekt – zumindest bei öffentlichen Gebäuden – eine „Zustimmung im Einzelfall“ eingeholt werden. Eine Norm für die Zertifizierung von BIPV-Produkten gibt es noch nicht.
Das Verfahren erleichtern will nun der TÜV Süd. Er präsentierte auf der Intersolar ein neues Zertifikat für BIPV-Systeme. „Wir prüfen die kompletten Systeme nach den notwendigen IEC-Normen für die Module und nach baurechtlichen Auflagen“, erläutert Andreas Faißt, der beim TÜV Süd in München für den Verkauf von Photovoltaik-Dienstleistungen zuständig ist.
Hierfür sendet der Hersteller das System mit Montageanleitung an das Testlabor. Der TÜV Süd prüft daraufhin, welche Tests erforderlich sind, damit es keine Schwierigkeiten mit der Bauzulassung gibt. Üblich sind zum Beispiel noch ein Feuertest und ein Lastentest für Wind- und Schneelasten. Bei Fassaden kann auch noch eine Überprüfung der Lärmdämmung notwendig sein. Der Vorteil für den Bauherren oder -träger soll sein, dass er der Baubehörde dann eine Mappe mit allen erforderlichen Nachweisen vorlegen kann. „Mit dem Zertifikat beschleunigen wir die Baugenehmigung“, lockt Faißt.
An der Kostenschraube drehen
Damit wäre eine Hürde genommen. Bleiben noch die höheren Kosten, die BIPV-Anlagen anhaften. Diese zu senken beziehungsweise den Ertrag pro Quadratmeter Dachfläche zu steigern, stand im Mittelpunkt der Produktneuheiten.
Eine der interessantesten Neuheiten ist eine „Konzeptstudie“, die Schott Solar und BASF vorstellten. Bei dem gemeinsam entwickelten Produkt aus der Serie „Schott Advance“ handelt es sich um ein Indachsystem aus zwei Teilen: einer Wanne aus dem Kunststoff Polyamid sowie einem rahmenlosen Doppelglasmodul. Die Kunststoffwanne wird anstelle der herkömmlichen Dacheindeckung direkt auf die Dachkonstruktion montiert. Im zweiten Schritt schiebt der Installateur das Laminat von Schott Solar in das Verschlusssystem der Wanne und fixiert es. Mit dem System wollen die Kooperationspartner die Materialkosten und den Zeitaufwand für die Montage weiter reduzieren. Gedacht ist das Produkt für große Dachflächen auf Industrie- und Landwirtschaftsgebäuden.
Mehr Leistung
Um mehr Leistung auf dem Dach drehte es sich auch bei dem Dachziegelhersteller Nelskamp. Der Vorreiter auf dem Gebiet der PV-Dachziegel hatte seit 2010 einen Dünschichtziegel im Programm. Der neue, fast halb so große PV-Ziegel „MS 5-PVM“ hat monokristalline Zellen und laut Aussage von Vertriebsmitarbeiter Werner Ohnesorge die eineinhalbfache Leistung auf einen Quadratmeter Fläche. Um größere Auswahlmöglichkeiten dreht es sich bei dem taiwanesischen Dünnschichthersteller Sunner Solar. Er stellte Indachmodule mit unterschiedlichen Transparenzgraden vor (5, 18 und 20 Prozent). Schüco International wiederum präsentierte ein Indachmontagesystem für Dünnschichtmodule. Der französische Photovoltaikhersteller Photowatt setzt jetzt größere Solarzellen (156 x 156 Millimeter) in sein BIPV-Modul PW 1850 ein und kommt deshalb nun mit 48 Zellen aus. Vorher waren es noch 50 Zellen. Solche kleinen Veränderungen am Modul waren typisch für die diesjährigen Produktneuheiten.
Die Liste ließe sich weiter fortsetzen, doch der Trend ist offensichtlich: Revolutionäre Neuerungen in der BIPV gibt es nicht, doch die Hersteller arbeiten daran, die Systemkosten weiter zu senken und die Montage zu vereinfachen. Zudem wird das Angebot für Bauherren, Architekten und Planer in kleinen Schritten immer größer. Dass es keine brauch-baren und optisch ansprechenden Produkte für ihre Bauprojekte gibt – sei es für die Fassade oder für das Dach – können sie der Branche jedenfalls nicht vorwerfen.