Die erste Hälfte des Jahres 2011 hat außer überraschenden energiepolitischen Wendungen eine Fülle energierechtlicher Änderungen hervorgebracht. Die Vorhut bilden Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die bereits mit Verkündung des Europarechtsanpassungsgesetzes Erneuerbare Energien (EAG EE) am 12. April 2011 in Kraft getreten sind. Gleich sieben energierechtsrelevante Gesetze waren im Juli 2011 Gegenstand gesetzgeberischer Änderungslaune. Davon wird die EEG-Novelle erst zum 1. Januar 2012 wirksam werden, während die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) am 4. August 2011 in Kraft getreten ist und die des Baugesetzbuches (BauGB) bereits am 30. Juli.Für das letzte Quartal 2011 steht eine Änderung der Baunutzungsverord- nung (BauNVO) an, voraussichtlich mit Erleichterungen der Zulässigkeitsvoraussetzungen für Photovoltaikanlagen. Und bis zum 9. September 2011 soll die Verbändeanhörung zur Musterbauordnung (MBO) abgeschlossen sein. Die MBO ist ein Werk der Bauministerkonferenz der Länder und Grundlage für den Erlass der jeweiligen Landesbauordnungen. Die anstehende Änderung will den Ländern nahelegen, das baurechtliche Zulassungsverfahren für Photovoltaikanlagen zu vereinfachen. Zwar wird die neue MBO erst Ende des Jahres 2012 beschlossen werden können. Einige Länder sind aber bereits dabei, ihre Bauordnungen imVorgriff darauf den Bedürfnissen der Solarbranche anzupassen. Projektentwickler dürfen sich also auf einen ausnahmsweise auch zu ihren Gunsten abgewandelten Rechtsrahmen einstellen.
Änderungen für Solarparks
Die Ausgangsfrage einer jeden solaren Projektentwicklung ist die nach der Vergütungsfähigkeit des mit der geplanten Anlage erzeugten Stroms. Im Bereich der Gebäudeanlagen muss hier nichts dazugelernt werden. Erwähnenswert ist allenfalls, dass die ursprünglich bis zum 31. Dezember 2011 befristete Eigenverbrauchsregelung um zwei Jahre, also bis zum Jahr 2013, verlängert wird. Bei den Freiflächenanlagen wird der Unterschiedzur bisherigen Rechtslage deutlicher. Bisher müssen diese im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplanes errichtet werden. Künftig reicht der Geltungsbereich eines „beschlossenen Bebauungsplans“ aus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 EEG neu). Während also der Satzungsbeschluss derzeit noch öffentlich bekannt gemacht werden muss, begründet ab dem 1. Januar 2012 schon der unveröffentlichte Satzungsbeschluss die Vergütungsfähigkeit der Solarstromanlage. Das Risiko, nur deswegen in die nächste Degressionsstufe zu rutschen, weil sich die öffentliche Bekanntmachung des Bebauungsplans verzögert, ist gebannt.
Nur teilweise gebannt ist das Risiko, dass eine Anlage, die im Geltungsbereich eines vergütungsfähigen „Altbebauungsplans“ errichtet werden soll, ihre Vergütungsfähigkeit wegen einer baurechtlich erforderlichen Planänderung in ein „Sondergebiet Solar“ verliert. Im Anschluss an eine aktuelle Entscheidung der Clearingstelle EEG (Hinweis 2011/4 – Photovoltaikanlagen in bestehenden Gewerbe- und Industriegebieten) ist nun gesichert, dass die nachträgliche Änderung eines Bebauungsplanes, der ein Gewerbe- oder Industriegebiet festsetzt, vergütungsrechtlich folgenlos ist. Hintergrund der Gesetzesänderung ist die privilegierte Vergütungsfähigkeit von Solarstromanlagen in Industrie- und Gewerbegebieten aus der Zeit vor dem 1. Oktober 2010, die damit kollidiert, dass die Zulässigkeit von Photovoltaikanlagen in eben diesen Gebieten für baurechtlich unzulässig gehalten und deren Umwandlung in ein „Sondergebiet Solar“ verlangt wird.
Dem EEG lässt sich bisher nicht eindeutig entnehmen, ob die Photovoltaikanlage im Geltungsbereich des neuen Bebauungsplans nun den sogenannten „Flächenanforderungen“ (Konversionsflächen, versiegelte Flächen) genügen muss, die vielfach nicht vorliegen. Hier hat sich der Gesetzgeber jetzt zu einer Harmonisierung von Baurecht und Vergütungsrecht durchringen können. Die lobenswerte Initiative beschränkt sich leider auf ausgewiesene Gewerbe- und Industriegebiete. Für „Altbebauungspläne“, die andere Gebietskategorien wie zum Beispiel Mischgebiete festsetzen, gilt die Klarstellung nicht. Im Gegenteil, der Gesetzgeber stellt heraus, dass derartige „Altplanungen“ nicht geändert werden können, ohne dass die Photovoltaikanlage danach den Flächenanforderungen(Konversionsfläche, versiegelte Fläche) entsprechen muss. Gar nicht mehr vergütungsfähig sind Photovoltaikanlagen auf Konversionsflächen, die zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Aufstellung oder Änderung des Bebauungsplanes als Naturschutzgebiet oder Nationalpark im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes rechtsverbindlich festgesetzt waren.
Modultausch kein Neustart
Überfällig und erfreulich ist hingegen die Neuregelung zu den Rechtsfolgen eines Modultauschs aus Gründen eines technischen Defekts, einer Beschädigung oder eines Diebstahls am selben Standort. Klargestellt wird, dass ein solcher Modultausch nicht zu einer neuen Inbetriebnahme führt. Für das EEG 2004 hatte die Clearingstelle jüngst das Gegenteil entschieden (Empfehlung 2008/19 – Sachmängelbedingter Austausch von Photovoltaikmodulen). Die von der Clearingstelle vertretene Sichtweise führt schlimmstenfalls dazu, dass das ausgetauschte Modul wegen zwischenzeitlicher Änderungen des EEG gar nicht mehr vergütungsfähig ist. Dies gilt etwa für Anlagen auf Ackerflächen. Auch für das EEG 2009 besteht ein beträchtliches Risiko, dass Ersatzmodule als neu in Betrieb genommen gelten und deswegen unter Umständen nicht mehr vergütungsfähig sind. Dies harmonisiert weder mit den zivilrechtlichen Mängelbeseitigungsansprüchen noch mit wirtschaftlichen Realitäten. Mit der Neuregelung gewinnt das EEG also Lebensnähe. Sie gilt entsprechend für Solarstromanlagen auf Gebäuden.
Hinsichtlich der Vergütungshöhe sind die gesetzlichen Ausgangsvergütungssätze durchweg dem aktuellen Degressionsniveau angepasst worden. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber leider dem Trend treu geblieben, die Degression für Photovoltaikanlagen zu verschärfen. Wie bisher wird zum 1. Januar eines jeden Jahres die Basisdegression von neun Prozent gelten, sofern sich der Zubau innerhalb eines Korridors zwischen 2.500 und 3.500 Megawatt bewegt. Als Bemessungszeitraum wird die Zeitspanne Oktober des vorletzten Jahres bis September des Vorjahres zugrunde gelegt. Überschreitet der Zubau im Bemessungszeitraum die 3.500 Megawatt, kann die Degression in fünf Stufen um jeweils drei Prozentpunkte pro 1.000 Megawatt zusätzlich zumZubau steigen. Im dramatischsten Fall kann es danach bei einem Zubau über 7.500 Megawatt zu einer Vergütungsabsenkung von 24 Prozent im Jahr kommen. Ferner ist die Möglichkeit einer unterjährigen Vergütungsabsenkung zum jeweils 1. Juli nach Maßgabe des prognostizierten Zubaus vorgesehen. Die Absenkung wird dann allerdings auf die jährliche Degression angerechnet.Im Zentrum der Änderung der allgemeinen Vergütungsvorschriften stehen die Regelungen zur Netzintegration von Photovoltaikanlagen. Im Hinblick auf den besonderen Anlagenbegriff bei Photovoltaikanlagen (Anlage = das Modul) wird zunächst klargestellt, dass mehrere Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zum Zwecke der Ermittlung der installierten Leistungunter anderem dann als eine Anlage gelten, wenn sie sich auf demselben Grundstück oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden (§ 6 Abs. 3 EEG).
Einspeiseleistung managen
Daran anknüpfend müssen Anlagen aller Leistungsklassen die technischen Voraussetzungen für das Einspeisemanagement erfüllen. Anlagen mit einer Leistung ab 100 Kilowatt sind mit technischen Einrichtungen auszustatten, die dem Netzbetreiber die Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung und das Abrufen der Ist-Einspeisung ermöglichen; Altanlagen sind bis zum 1. Juli 2012 nachzurüsten. Anlagen mit einer Leistung zwischen 30 und 100 Kilowatt müssen „nur“ mit einer Einrichtung zur Regelung der Einspeiseleistung ausgestattet werden. Nach 2008 errichtete Anlagen sind bis zum 1. Januar 2014 nachzurüsten. Anlagen bis 30 Kilowatt müssen die vereinfachten Anforderungen nur bei Neuinstallation erfüllen. Alternativ kann sich der Betreiber für eine pauschale Reduzierung der Wirkleistung auf 70 Prozent der installierten Leistung am Einspeisepunkt entscheiden.Zu dem Regelungskreis Netzintegration gehört die in das Energiewirtschaftsgesetz (§ 12 Abs. 3a EnWG) aufgenommene Ermächtigung des Bundeswirtschaftsministeriums zum Erlass einer Rechtsverordnung. Diese darf regeln, dass Photovoltaikanlagen aus Gründen der technischen Sicherheit und Systemstabilität nachzurüsten sind. Die Rahmenbedingungen für dieses als „50,2-Hertz-Problem“ bekannte Anliegen sind Gegenstand einer Studie, deren Ergebnisse in naher Zukunft in einen ersten Verordnungsentwurf einfließen werden.
Passend zu diesen Neuregelungen sind die Voraussetzungen des Einspeisemanagements (§ 11 EEG) präzisiert worden. Dies betrifft etwa die Rangfolge der Regelung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie. Nach der sogenannten Härtefallregelung hat der Netzbetreiber im Falle des Einspeisemanagements künftig nur noch 95 Prozent der Einnahmeverluste zu entschädigen, es sei denn, die entgangenen Einnahmen entsprechen mehr als einem Prozent des Jahresertrages. An den Grundlagen der Netznutzung hat sich nichts Wesentliches geändert. Neu ist nur die Präzisierung der Informationspflichten des Netzbetreibers im Hinblick auf etwaige Netzanschlussbegehren. Unter anderem müssen Netzbetreiber den Einspeisewilligen einen Zeitplan für die unverzügliche Herstellung des Netzanschlusses mit allen erforderlichen Arbeitsschritten übermitteln (§ 5 Abs. 6 EEG). Ob diese Informationspflichten zur Beschleunigung beitragen oder nur zusätzlich Zeit des Netzbetreibers binden, wird sich zeigen.
Erleichterungen für neue Dachprojekte
Die am 30. Juli 2011 in Kraft getretene Novelle des Baugesetzbuches erhebt die Errichtung von Photovoltaikanlagen in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden in den Stand der sogenannten privilegierten Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB). Bisher konnte es vorkommen, dass die Errichtung von Solaranlagen zur Netzeinspeisung auf Gebäuden im Außenbereich wegen der damit verbundenen Nutzungsänderung des landwirtschaftlichen Betriebes unzulässig war. Zudem sieht eine „Sonderregelung zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie“ (§ 248 BauGB) vor, dass Solaranlagen in, an und auf Dach- und Außenwandflächen im „unbeplanten Innenbereich“ das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche geringfügig überschreiten dürfen.
Ein Kernstück der nur im Entwurf vorliegenden Musterbauordnung (www.bauministerkonferenz.de) ist die Neufassung der Regelungen über die Genehmigungsfreiheit von Solaranlagen. Genehmigungsfrei sind demnach Solaranlagen in, an und auf Dach- und Außenwandflächen sowie die damit verbundene Änderung der Nutzung oder der äußeren Gestalt eines Gebäudes (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 MBO). Die mit der Errichtung einer Solaranlage verbundene Nutzungsänderung eines Gebäudes war bisher nach keiner Bauordnung genehmigungsfrei. Bis zu einer Entscheidung des OVG Münster über die Nutzungsuntersagung einer auf einer Reithalle errichteten Solaranlage war dies keinem so recht bewusst. Nun soll Gesetz werden, was bis dahin alle für selbstverständlich hielten. In Niedersachsen, Thüringen und Sachsen werden entsprechende neue Bauordnungen bereits diskutiert.