Die Produzenten verteidigen ihre Plätze, koste es, was es wolle. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. „Der Preisdruck auf die Modulhersteller ist nach wie vor sehr hoch“, sagt Henning Wicht, Director und Principal Analyst bei IHS iSuppli in München. „Wir beobachten jetzt chinesische Module mit Preisen um die 80 Dollarcent pro Watt auf dem Markt.“ Das entspricht den realen Herstellungskosten inklusive Abschreibungen auf die Anlagen. Es ist also keine Gewinnspanne drin. Wicht schaut auf die Zahlen vom vierten Quartal 2011: „Die sind weitgehend negativ.“ Das war nicht immer so. Bis Ende 2010 haben die Modulhersteller sehr gut verdient. „Zum Jahresanfang 2011 sind die Preise dann nicht schnell genug gesenkt worden“, erinnert sich Dirk Morbitzer, Managing Director von Renewable Analytics in San Francisco. „Deshalb haben sich die Käufer zurückgehalten. So waren die Lager bald voll mit Modulen, die dann geräumt werden mussten. Die Folge: die Preise sind stärker gesunken, als es eigentlich notwenig war.“ Und sie haben sich von diesem Niveau seitdem nicht mehr erholt. Zwar sind die Siliziumpreise inzwischen gesunken, aber nicht stark genug, um den Einbruch der Margen wirklich zu kompensieren. Nun kommen Wertberichtigungen auf die Hersteller zu, weil Silizium oder Wafer für die Module teurer eingekauft wurden, als sie jetzt gehandelt werden.
Die niedrigen Modulpreise zeigen ihre Wirkung. Global gesehen ist die Zahl der Neuinstallationen im ersten Quartal 2012 gegenüber dem ersten Quartal 2011 gestiegen. „Von 4,3 Gigawatt auf über fünf Gigawatt“, sagt Stefan de Haan, Principal Analyst bei IHS iSuppli. „Der Markt wächst, aber die Hersteller verdienen trotzdem kein Geld.“ Es bleibt ihnen nur, die Kosten weiter zu senken. Morbitzer hat 2011 einen interessanten neuen Trend beobachtet: „Die Hersteller sourcen wieder aus. In den vergangenen Jahren taten sie das Gegenteil, bauten beispielsweise ihre eigene Waferproduktion auf. Die Wafer lassen sich aber jetzt auf dem Markt kostengünstig kaufen.“ Auch die Modulproduktion werde jetzt zunehmend ausgelagert, „weil andere Hersteller nur noch ihre variablen Kosten decken wollen und daher OEM-Produktion zu sehr günstigen Preisen anbieten“, das heißt im Auftrag der Markenproduzenten fertigen.
Eigentlich zu spät
Suntech Power ist mit mehr als zwei Gigawatt die Nummer eins nach der produzierten Menge an kristallinen Modulen und damit der Sieger des Jahres 2011 – schon in den Jahren 2010 und 2009 war das Unternehmen der größte Modulhersteller weltweit. Suntech war der erste chinesische Produzent, der Markenmodule ins Ausland exportieren konnte. Das sieht auf den ersten Blick alles sehr gut aus. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich aber die Schwierigkeiten bei dem Unternehmen aus Wuxi. Suntech war zwar qualitativ gut, produzierte nach Aussage der Analysten jedoch schon immer etwas teurer als die effizientesten chinesischen Modulbauer. Und das bereitet nun zunehmend Probleme. „Sie haben sehr spät im Vergleich zu den Mitbewerbern die Waferproduktion integriert“, sagt de Haan. „Eigentlich schon zu spät. So hatten sie noch teure Lieferverträge.“Mit der hocheffizienten Plutozelle gab es in der Vergangenheit auch Probleme. Es dauerte zu lange, bis sie preisgünstig und in genügender Stückzahl zur Verfügung stand. Über eine Milliarde Dollar Verlust standen im vergangenen Jahr in den Büchern. „Man sieht eine kleine Parallele zu Q-Cells“, sagt Henning Wicht. „Etwa beim Investment in Dünnschicht, das dann abgebrochen wurde, nach drei, vier Jahren. Dann haben sie eine kleine Fertigung für Module in den USA gekauft.“ Das könnte sich jedoch bei den nun von der US-Regierung verhängten Strafzöllen gegen kristalline Zellen und Module von chinesischen Herstellern ändern (siehe Seite 78). Dann kamen wie bei Q-Cells auch Projektgeschäfte dazu. „Grundsätzlich ist es aber so, dass sich Suntech momentan auf seine Kernkompetenz besinnt, also kristalline Modulherstellung im großen Maßstab“, ergänzt de Haan. „Eine Ausnahme ist Indien. Da habe ich den Eindruck, dass sie den Fehler aus dem US-Geschäft, es in den ersten Jahren nicht konsequent genug angegangen zu sein, vermeiden wollen.“ In Indien habe Suntech schon über 100 Megawatt an Projekten in der Pipeline und würde auch mit regionalen Projektentwicklern zusammenarbeiten, statt alles selbst zu machen wie in den USA.
Eine enorme Herausforderung
Suntech kann seine finanziellen Verbindlichkeiten nicht auf die lange Bank schieben. Das Unternehmen muss Anfang 2013 eine große Wandelanleihe bedienen. Ansonsten können die Gläubiger die Verbindlichkeiten in Aktienanteile tauschen. Also muss das Geld im Laufe dieses Jahres erwirtschaftet und angespart werden. „Das zu schaffen, wenn man im Vorjahr gerade eine Milliarde Dollar Verlust geschrieben hat, ist eine enorme unternehmerische Herausforderung“, sagt Dirk Morbitzer. In ersten Quartal 2012 vermeldete Suntech einen operativen Verlust von 119,2 Dollar, die Nettoverschulung ist inzwischen auf 1,6 Milliarden Dollar angestiegen. In Deutschland hatte Suntech ein großes Lieferabkommen mit Solarhybrid. Mit dem Bankrott des sauerländischen Projektierers ist Suntech ein beträchtlicher Teil des Absatzes weggebrochen.
Für den chinesischen Modulhersteller stellt sich jetzt die Frage, welche Strategie er beim Vertrieb verfolgen sollte. „Da scheint es auch innerhalb Europas keine einheitliche Linie zu geben, ob es jetzt ein zweistufiger Direktvertrieb über denProduzenten sein soll oder ein dreistufiger über den Handel“, so Morbitzer. Das werde in verschiedenen Ländern derzeit unterschiedlich gehandhabt, was letztlich die Kunden in beiden Märkten verunsichere. „In Italien wird der Großhändler beispielsweise beliefert und in Deutschland geht Suntech direkt an den Installateur. Und der Installateur, der in mehreren Ländern unterwegs ist, kann in dem einen Land direkt kaufen, im anderen müsste er theoretisch über den Großhandel ordern, was er aber natürlich nicht macht, sondern im Land mit dem günstigeren Direktvertrieb einkauft.“ Installateure beschweren sich allerdings immer wieder über mangelnden Service, wenn sie direkt bei den Herstellern ordern. „Das ist auch bei Suntech eine Herausforderung“, sagt Dirk Morbitzer.
Während Suntech Power seine Kapazitäten im laufenden Jahr praktisch nicht ausbauen wird, sehen die Pläne bei Trina Solar ambitionierter aus. Mit der Ankündigung einer Jahresendkapazität von 2,4 Gigawatt setzt die Nummer zwei zum Sprung an und wird mit Suntech fast gleichziehen, das jedoch bei vermutlich bedeutend günstigeren Produktionskosten. Die Kostenstruktur des integrierten Herstellers hat sich in diesem Jahr noch verbessert, sagt Henning Wicht. „Wir glauben, dass Trina das Silizium besonders günstig einkauft.“ Das Unternehmen hat von chinesischen Banken im Februar einen Kredit im Wert von 100 Millionen US-Dollar bekommen. Davon investiere der chinesische Hersteller nichts in den Downstreambereich, sagt Wicht: „Ihr Kapital geht tatsächlich in die Fertigung und sie müssen keine Mittel zur Finanzierung von Solarparks bereithalten.“ „Auch nicht für die Selbstdarstellung“, ergänzt Morbitzer. „Was sich beispielsweise in der Firmenzentrale widerspiegelt, die viel bescheidener ist als bei Suntech.“ Mit dieser Fokussierung und Kostenstruktur hat Trina Solar geringere Verluste eingefahren als die Nummer eins. So kann Trina die Konsolidierung unter den Modulherstellern gut aussitzen und sehen, was dann kommt.
Ambitionierte Pläne
Canadian Solar will seine Kapazität 2012 nach bisherigen Ankündigungen nicht ausbauen. Das könnte sich noch ändern. Bisher ist der chinesische Hersteller durch starke Expansion im Zell- und Modulbereich aufgefallen. „Sie haben einen guten Teil ihrer Ware extern fertigen lassen“, hat Morbitzer beobachtet. Da so etwas keiner der Hersteller an die große Glocke hängt, lässt sich der Anteil nur schätzen. „Ich vermute um die 20 Prozent. Zu Beginn des vergangenen Jahres weniger, gegen Ende mehr.“ Damit und mit höherer Auslastung der eigenen Kapazitäten ist Canadian Solar in der Rangfolge weiter nach vorn gerückt und im Siegertrio angekommen. „Das war nicht für umsonst zu haben“, erklärt Morbitzer „Insbesondere, weil sie deutlich preisaggressiver angeboten haben als andere Modulherstellern, denen es ja finanziell auch nicht gerade gut geht“. Ein höherer Modulausstoß konnte das teilweise ausgleichen.
Wicht ergänzt: „Sie entwickeln weniger als andere eigene Technologien, sind sogenannte Fast Follower, was Geld sparen kann.“ Im kleinen Dachmarkt ist das Unternehmen als Marke noch nicht so etabliert, bei großen Solarparks schon, beispielsweise in Ontario. Aber in Solarparks zu investieren kostet gleichzeitig wieder viel Geld. Das sind für die Zukunft viele Chancen und Risiken, eine Gratwanderung für Canadian Solar.
Yingli Green Energy war 2010 Vicechampion nach produzierter Leistung, 2011 sind Trina Solar und Canadian Solar allerdings vorbeigezogen und es reichte nur noch für Platz vier. Der angekündigte Kapazitätsausbau bis zum Ende dieses Jahres ist allerdings ambitioniert. Mit 750 Megawatt mehr würden sie selbst Suntech Power hinter sich lassen, die jetzige Nummer eins. „Die Werkhalle ist gebaut“, weiß Morbitzer. „Ob jetzt allerdings tatsächlich alle Maschinen wie geplant installiert und auch in Betrieb genommen werden, wird sich im Jahresverlauf noch zeigen.“ Neben Deutschland und den USA setzt der Produzent aus China auch auf neue Märkte wie Südafrika und den südamerikanischen Kontinent. Dazu kommt der Heimatmarkt. Nach Ansicht der Experten von iSuppli steckt dahinter die Strategie, dort sicher, wenn auch zu niedrigen Preisen zu verkaufen und damit die Kapazitäten auszulasten. Yingli sei eher auf große Anlagen fokussiert, bedient aber auch Installateure für kleine Dachanlagen. Mit der Pandaserie verbaut das Unternehmen Hochleistungszellen, so wie Suntech in der Pluto- und Trina in der Honeyserie, aber ebenfalls noch nicht in Massen. Man will sich absetzen von den zweit- und drittklassigen Anbietern, die noch keine eigenen hocheffizienten Zellen entwickelt haben. „Da geht es um den Markenaufbau“, sagt Stefan de Haan.
Sharp bleibt seiner Strategie treu und wächst verhalten. Damit reicht es aber noch einmal für Platz fünf. Die Kapazität soll in diesem Jahr gegenüber 2011 nicht erweitert werden. So besteht allerdings die Gefahr, dass der japanische Hersteller gegenüber den chinesischen
künftig weiter zurückfallen wird. Sharp mit seiner teuren Fertigung in Japan hat im letzten Jahr unter dem Preisdruck bei Modulen gelitten. „Das wird in diesem Jahr besser sein“, prognostiziert Morbitzer, „weil der heimische Markt deutlich wächst. Sharp profitiert davon und muss dann weniger preissensibel agieren.“ So ist damit zu rechnen, dass die Kapazität weiter ausgelastet wird. Sharp geht zunehmend ins Projektgeschäft und hat damit die Chance, auch dort eigene Module zu verbauen.
Hanwha Solarone auf Platz sechs hat ähnlich wie Jinko, die Nummer acht, das Erfolgsmodell von Trina und Yingli kopiert, Wafer, Zellen und Module herzustellen. „Sie haben 2011 noch sehr stark ausgebaut“, berichtet de Haan. Bei dem aktuellen Preisverfall habe Solarone allerdings schlechtere Karten als die führenden chinesischen Hersteller. „Ihre Herstellungskosten liegen nach unserer Schätzung höher als die der Marktführer. Damit machen sie jetzt natürlich Verluste.“ Deshalb will das Unternehmen seine Kapazitäten 2012 nicht ausbauen. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft sollte es das aber tun, um die Skaleneffekte zu nutzen wie die ganz Großen. Als Marke muss sich Solarone erst noch etablieren. Im Kleinkundensegment ist das Unternehmen bisher so gut wie unbekannt.
Globale Zukunft
LDK, die Nummer acht, hat nach dem IHS-isuppli-Ranking die größten Kapazitäten von allen Unternehmen in den Top Ten. Davon wurde 2011 nicht mal ein Drittel genutzt. „LDK hat gerade 20 Prozent seiner Mitarbeiter in China entlassen“, weiß Morbitzer. Früher hätte die Regionalregierung den Erhalt von Arbeitsplätzen über die Wirtschaftlichkeit gestellt. Das sei offenbar vorbei. Anders wird Jinko eingeschätzt, für die Analysten ein interessantes, schnell aufsteigendes Unternehmen, das sich gerade am Markt etabliert. Jabil Circuit ist ein OEM-Produzent aus dem Halbleiterbereich. Diese Erfahrungen kann das US-amerikanische Unternehmen auf die Modulfertigung übertragen. Jabil fertigt in China, Mexiko und Polen, berichtet de Haan. „Das könnte die Zukunft der globalen Fertigung sein: Große Auftragsfertiger mit drei, vier lokalen Zentren pro Kontinent beliefern die jeweilige Region.“ Solarworld leidet unter dem starken Preisverfall bei den Modulen und kann bei den Kosten in den Werken in Freiburg und Hilsboro kaum mit den chinesischen Herstellern mithalten. Allerdings wird das durch den Fokus auf Komplettsysteme wie bei Sharp teilweise kompensiert. Ob Solarwold damit im nächsten Jahr immer noch unter den Top Ten weilen kann, ist allerdings fraglich.
„Die Chinesen investieren in klassischen Mainstream, aber dafür im großen Stil“, resümiert Henning Wicht. Mit dieser Strategie werden diese Unternehmen ihre Spitzenposition wohl noch weiter ausbauen.