Die Produktion von Ökostrom ist in Deutschland nur unterdurchschnittlich angestiegen. Dies liegt vor allem an einem geringeren Windaufkommen trotz des Ausbaus der Windkraft, aber vor allem am gebremsten Ausbau der Photovoltaik.
Der Anteil von erneuerbaren Energien am deutschen Strommix ist im vergangenen Jahr nur leicht angestiegen. Die Ökostromanlagen lieferten mit 32,3 Prozent nicht nur jede dritte Kilowattstunde, sondern auch 0,8 Prozent mehr als im Jahr 2015. Das geht aus einer aktuellen Analyse der öffentlich zugänglichen Daten zum Strommarkt in Deutschland durch Agora Energiewende hervor. Damit steigt der Anteil von Ökostrom langsamer als der Zubau der Erzeugungsanlagen. Zwar war 2016 ein weiterer Rückgang des Ausbaus der Photovoltaik zu verzeichnen. Doch die Windkraft konnte mit fast fünf Gigawatt Zubau einen neuen Rekord verbuchen. Allerdings schien die Sonne nicht so oft wie 2015 und auch der Wind blies eher unterdurchschnittlich, so dass trotz des Zubaus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Jahr 2016 nur vier Terawattstunden mehr Ökostrom produziert wurden. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, fordert deshalb, dass sich der Ausbau der erneuerbaren Energien in Zukunft an den regelmäßig auftretenden schlechten Wind- und Sonnenjahren orientieren sollte. „Denn nur dann ist der Klimaschutz im Energiesystem wirklich gesichert“, betont Graichen.
Versorger geben niedrige Strompreise nicht weiter
Auch wenn der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsystem nur leicht angestiegen ist, hatte dies trotzdem einen riesigen Effekt auf die Strompreise. Denn 2016 war das Jahr der billigen Energie. An der Börse sank der Preis für eine Kilowattstunde auf 2,66 Cent. Das war ein Zehn-Jahres-Tief. Zugleich habe die deutsch-dänische Ausschreibung von Solarparkleistung gezeigt, wie günstig Solarstrom sein kann. Denn der Strom aus den Anlagen, die eine Marktprämie gewonnen haben, wird nur noch mit 5,38 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Dies ist allerdings noch nicht die Regel. Denn die Anlagen stehen auf preiswert zu erschließenden Ackerflächen und die Anlagenbetreiber bekommen Steuervorteile vom dänischen Staat, so dass sie mit einem so niedrigen Preis in die Ausschreibungen gehen können.
Doch trotz der sinkenden Beschaffungspreise für die Versorger kommt der billige Strompreis beim Verbraucher nicht an. Im Gegenteil: Die durchschnittlichen Endkundenpreise der meisten Versorger stiegen, nur wenige hielten die Arbeitspreise stabil. Das liegt vor allem daran, dass die Versorger, deren Strompreise stiegen, zwar die gestiegene EEG-Umlage an ihre Kunden weitergeben, nicht aber die gesunkenen Beschaffungspreise, die die Steigerung der EEG-Umlage wieder ausgleichen würden. Dies wird auch in diesem Jahr so weitergehen, so dass der Strom für die privaten Haushalte die Grenze von 30 Cent pro Kilowattstunde überschreiten wird, prognostizieren die Experten von Agora Energiewende. „Bleibt das System der Abgaben und Umlagen wie es ist, so ist bis 2023 ein weiterer Anstieg der Strompreise absehbar“, sagt Graichen voraus. „Erst danach kommen die ‚Ernte-Jahre‘ der Energiewende.“ Er fordert, dass nach der Bundestagswahl das System der Steuern, Abgaben und Umlagen auf Energie komplett überarbeitet werden sollte. „Denkbar wäre es etwa, die Stromkosten zu senken, und die Abgaben und Umlagen auf klimaschädliche Energieträger wie Kohle, Heizöl, Diesel, Benzin und Gas zu verlagern“, schlägt Graichen vor.
Immer weniger Kohlestrom im Netz
Die steigende Ökostromerzeugung hat Konsequenzen für die Betreiber von Kohlekraftwerken. Denn die Produktion von Kohlestrom ist auch 2016 weiter zurückgegangen. So hat die Braunkohle nur noch einen Anteil von 23,1 Prozent am deutschen Strommix – 0,8 Prozent weniger als noch 2015. Der Anteil der Steinkohle ging sogar um 1,2 Prozent auf 17 Prozent zurück. Diese Entwicklung liegt aber auch an der steigenden Verstromung von Erdgas, die um gut ein Viertel im Vergleich zu 2015 angestiegen ist. Die Gaskraftwerke haben jetzt einen Anteil von 12,1 Prozent am Erzeugungsmix in Deutschland. Die Stromproduktion der Kernkraftwerke hingegen hat sich 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halbiert. Damit hat die Atomkraft nur noch einen Anteil von 13 Prozent am deutschen Strommix.
Die sinkende Kohleverstromung hat einen deutlichen Effekt auf die Emission von Treibhausgasen. Denn diese ist 2016 um 1,6 Prozent gesunken. Der Stromsektor reduzierte damit den Ausstoß von Kohlendioxid auf 306 Tonnen. Das ist zwar eine erfreuliche Entwicklung, doch sind die Emissionswerte mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen noch viel zu hoch. „Wenn man den Rückgang der Kohleverstromung in 2016 in der Zukunft so fortsetzen würde, so würde ungefähr Anfang 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen“, rechnet Graichen vor.
Industrie, Wärme und Verkehr müssen ihren Beitrag leisten
Zwar ist das Tempo des Kohleausstiegs genau auf dem Pfad, den Agora Energiewende vorgeschlagen hat. Doch ob dies ausreicht, um die Stromversorgung bis 2040 komplett auf regenerative Quellen umzustellen – was Voraussetzung ist, dass Deutschland die Klimaschutzziele erreicht –, bleibt fraglich. Zudem sind die Fortschritte so langsam, dass die für 2020 gesetzten Zwischenziele für Klimaschutz und Effizienz nur noch mit einer großen zusätzlichen Kraftanstrengung zu erreichen sind, betont Agora Energiewende.
Insgesamt ist aber der Ausstoß an Treibhausgasen in der Bundesrepublik weiter angestiegen. 916 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat die Bundesrepublik im vergangenen Jahr in die Luft geblasen. Das sind 0,9 Prozent mehr als 2015. Dies liegt an den wachsenden Emissionen der Industrie sowie der Sektoren Wärme und Verkehr. „Die Energiewende ist nicht nur eine Sache des Stromsektors – jetzt müssen auch Industrie, Wärme und Verkehr ihre Klimaschutzbeiträge liefern“, bewertet Graichen diese Zahlen. (Sven Ullrich)