Rund um Rosenheim sieht Bayern aus wie im Urlaubskatalog: Sanfte Hügel, glückliche Kühe auf saftigen Weiden, am Horizont die nahen Alpen. Mit gutem Grund sind die Menschen hier sehr darauf bedacht, dass die Landschaft ihren Charakter behält. Sie schießen dabei mitunter über das Ziel hinaus, meint Karl Bayerl.
Der Immobilienmakler hat für einen Landwirt in Schonstett, 20 Kilometer nördlich von Rosenheim gelegen, auf freiem Feld eine Scheune errichtet und auf deren Dach und Seitenwand eine Solaranlage mit 29 Kilowatt Leistung installiert. „Das Gebäude hat der Landwirt von mir umsonst bekommen“, sagt der Oberbayer. Dafür kassiert er die gesamte EEG-Vergütung. Ein lohnendes Geschäft für beide Partner.
Dem örtlichen Landratsamt ist die Scheune – auf gut bayerisch ein Solarstadl – jedoch ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt, weil das Solarsystem als Nachführanlage gebaut wurde: Die Gebäudehülle folgt dem Verlauf der Sonne. Nur die Bodenplatte bleibt unbewegt. Die Behörde hält die Scheune für einen Schwarzbau und hat deshalb deren Abriss angeordnet. Ihre Argumentation: Das Gebäude diene der Stromerzeugung und nicht landwirtschaftlichen Zwecken. Damit würde es dem Paragrafen 35 desBaugesetzbuchs widersprechen, nach dem Bauten im Außenbereich grundsätzlich nur unter ganz bestimmten Bedingungen zulässig sind. Dazu gehört die Nutzung für die Landwirtschaft – nicht jedoch die Solarstromproduktion. Je nach Bundesland, Grundeinstellung der kommunalen Behörden und Größe des Bauvorhabens ist häufig nicht einmal eine Genehmigung nötig, wenn Bauern eine Scheune im Außenbereich errichten wollen.
Heimatpfleger laufen Sturm
Bayerls Anwalt Maximilian Osterried hält den Vorwurf des Landratsamts Rosenheim für Unsinn: „Der Landwirt besitzt einen großen Mähdrescher, der über 100.000 Euro kostet. Den will er nicht im Freien stehen lassen.“ Sein Hof biete nicht genug Platz für die Maschine. Da bleibe ihm keine andere Wahl, als einen Unterstand auf seinen Ackerflächen zu bauen. Das zuständige Verwaltungsgericht sieht das allerdings anders und hat eine Klage Bayerls abgeschmettert, weil es der Argumentation, die Scheune werde dringend als Mähdrescher-Garage benötigt, nicht glaubte. Sie sei ein Schwarzbau, so die Richter. Bayerls letzte Hoffnung ist der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags, der voraussichtlich im Spätsommer zu einem Ortstermin nach Schonstett reisen wird. Hält auch er den Bau für illegal, muss er den Abrissbagger kommen lassen.
Der Streit von Schonstett ist kein Einzelfall. Auch andernorts zwingen die Behörden Landwirte, Solarscheunen abzureißen, weil sie nicht dem Baugesetzbuch entsprechen. Vor allem in den touristisch geprägten Regionen Süddeutschlands schauen die Landratsämter mittlerweile genauer hin. So soll im Landkreis Rosenheim neben Bayerls Bau ein weiterer Solarstadl abgerissen werden, ein dritter wird gerade geprüft. Auch im Allgäu-Städtchen Haldenwang will das örtliche Landratsamt einen Landwirt zwingen, seine Photovoltaikscheune abzureißen. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat den Bescheid bestätigt. Der betroffene Bauer ist in Berufung gegangen, über deren Zulassung aber noch nicht entschieden wurde. Im oberbayerischen Türkenfeld versuchte das zuständige Landratsamt ebenfalls, den Bau eines Solarstadls zu verhindern. Die Beamten mussten das Projekt dann aber zulassen, weil eine Landesbehörde ihr Veto einlegte.
Martin Wölzmüller, Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, begrüßt, dass die Behördendas Treiben der Bauern nicht mehr tatenlos hinnehmen. „Im Süden und Osten Bayerns gibt es Regionen, in denen Sie zwischen den Ortschaften keine freie Sicht mehr haben, weil die Stadl so groß sind, um möglichst viele Photovoltaikmodule unterzubringen“, sagt Wölzmüller. Nicht nur die Ausmaße, sondern auch die Dachform missfällt den Heimatpflegern und Landschaftsschützern, denn die meisten Solarstadl tragen ein für Süddeutschland untypisches Pultdach.
In der Tat sind die Photovoltaikscheunen in den vergangenen drei Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Einen Schub bekam die Entwicklung, als die Bundesregierung vor zwei Jahren beschloss, die Vergütung für Solarparks auf Ackerflächen aus dem EEG zu streichen. Die Landwirte begannen daraufhin, nach Alternativen zu suchen. Zeitweise konnten die Installationsbetriebe die Nachfrage nach Solarscheunen gar nicht mehr befriedigen. Nach Angaben von EuPD Research waren Landwirte 2011 für ein Fünftel aller Photovoltaikinstallationen verantwortlich. Wie viele davon auf Solarstadl entfielen, lässt sich nicht beziffern.
Eine Überlandfahrt durch Süddeutschland zeigt jedoch, dass der Anteil nicht gerade gering ist. Wölzmüller sieht deshalb den Gesetzgeber in der Pflicht: „Wir Heimatpfleger wissen, dass wir auf alternative Energien umsteigen müssen. Uns ist auch bewusst, dass dies Auswirkungen auf die Landschaft und die Siedlungsgebiete hat. Die Frage ist aber, ob wir bei der Gestaltung des EEG nicht auch die Ziele anderer Gesetze wie den Schutz der Kulturlandschaft berücksichtigen müssen.“
Schärfere Kriterien
Mit dieser Forderung sind die Landschaftsschützer bei der Bundesregierung jetzt auf offene Ohren gestoßen. In ihrem Entwurf zur Novelle der Solarförderung hat die schwarz-gelbe Koalition auch den Paragrafen 32 des EEG geändert. Hier ist definiert, welche Kriterien Nichtwohngebäude im Außenbereich erfüllen müssen, damit die Betreiber von Solaranlagen den höheren Dachtarif erhalten. So muss das Gebäude jetzt „im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einer (…) Hofstelle eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs“ stehen oder aber der Tierhaltung dienen und von der zuständigen Baubehörde genehmigt sein. Solarsysteme auf Gebäuden, die diese Kriterien nicht erfüllen, werden wie eine Freiflächenanlage eingestuft. Sie bekommen damit eine deutlich niedrigere Vergütung – und das auch nur dann, wenn der Stadl auf einer Konversionsfläche oder neben einem Verkehrsweg errichtet worden ist. Denn sie müssen fortan die gleichen Anforderungen wie Solarparks erfüllen. Da aus den Bundesländern keine Kritik an der neuen Regelung zu hören war, ist nicht zu erwarten, dass der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an dieser Stelle des Gesetzes noch einmal Hand anlegen wird.
Scheunen nahe des Hofs erlaubt
Ist das Thema Solarstadl für die Landwirte damit gestorben? „Neue Stadl erhalten die Dachflächenvergütung nur, wenn sie direkt auf der Hofstelle errichtet werden. 20 Meter Abstand zum Hof dürften dabei noch in Ordnung sein, 200 Meter sind es sicher nicht“, sagt Stefan Blome, Solarexperte bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Außerdem müsse das Gebäude dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, also etwa als Garage für Trecker oder Mähdrescher genutzt werden. „Dabei darf es in der räumlichen Dimension nicht über das Maß des Betriebs hinausgehen. Die Landwirte dürfen Flächen versiegeln und in die Höhe bauen – aber nicht in grobem Missverhältnis“, erklärt Blome. Mit der EEG-Novelle sind auch bereits bestehende Scheunen im Außenbereich von der Dachflächenvergütung ausgeschlossen, die noch nicht für die Photovoltaik genutzt werden. Obwohl der Vorwurf, der Ausbau der Solarenergie fördere die Zersiedelung der Landschaft, hier ins Leere läuft.
Der Deutsche Bauernverband ist unzufrieden mit dieser Regelung. „Ein neues Kartoffellager auf der Ackerfläche zum Beispiel ist damit raus aus der Dachflächenvergütung. Das ist nicht das, was wir uns gewünscht hatten. Sicher gibt es schwarze Schafe unter den Landwirten, die die alte Regelung ausgenutzt haben. Das darf aber nicht dazu führen, dass Solarstadl pauschal in Verruf kommen“, sagt Cecilia Luetgebrune, Referentin für Energiepolitik beim Deutschen Bauernverband.
Doch der Protest der Landwirte-Lobby verhallte ungehört. Die Konflikte um die bestehenden Solarscheunen könnte die neue Regelung jedoch durchaus befrieden. Denn die lokalen Behörden zielen mit ihren Abrissbescheiden auch auf Nachahmer, die abgeschreckt werden sollen. Die wird es wohl aber nicht mehr geben, wenn das Gesetz den Vermittlungsausschuss passiert hat. Vielleicht ringt sich das Landratsamt in Rosenheim dann ja doch noch dazu durch, die Solarstadl von Karl Bayerl und seinen Kollegen zu schonen.