Ralf Zimmermann ist stinksauer. 2004 hat sich der Laichinger eine Zehn-Kilowatt-Anlage für 55.000 Euro auf das Dach seines Hauses installieren lassen. Aber seit 2010 gab es Mängel und Ertragsausfälle, sodass der Laichinger 2013 die Anlage komplett demontieren ließ.
Über seinen Lieferanten Aton-Solar, der am Ort sitzt, wurden die defekten Module mehrfach reklamiert. Hersteller war Canadian Solar. Statt sich der Sache unkompliziert anzunehmen und die Probleme schnell aus der Welt zu schaffen, forderte Canadian immer neue Analysen, Messungen und Dokumentationen mit Fotos und zugeordneten Seriennummern.
Bisher ist nix passiert
Geschehen ist bis heute gar nichts. Ralf Zimmermann, der nach eigenen Angaben regulär 5.500 Euro Ertrag pro Jahr aus der Einspeisung erhalten hätte, reklamiert mittlerweile einen Einnahmeausfall von 15.000 Euro. Hinzu kommt die defekte und demontierte Anlage.
Zimmermanns Solarteur Michael Rehm kooperiert mit dem Großhändler Aton-Solar, seit der ursprüngliche Lieferant SPN im Jahr 2005 insolvent ging. Beide haben viel Aufwand getrieben, um ihren Kunden zufriedenzustellen: Einzelne Module wurden mehrfach teils auf eigene Rechnung ausgetauscht. Auch die aufwendigen E-Mails mit Canadian Solar in München haben sie gewechselt.
Bis Mai 2012 reichen die Korrespondenzen zurück, die dem Autor dieses Beitrags vorliegen. Damals war der Ton beiderseits noch freundlich und kooperativ. Aton-Inhaber Michael Aigner lobt sogar das Engagement des Herstellers, die Module nachproduzieren zu lassen, weil sie nicht mehr verfügbar sind.
Geradezu fürsorglich empfahl der Händler, dem via Rehm mittlerweile drei weitere Reklamationen vorlagen, deutlich mehr Module nachbauen zu lassen als den aktuellen Ersatzbedarf.
Schon vier Fälle dokumentiert
Denn schon 2012 ist für Rehm, Aigner und die vier Geschädigten Hilmar Baumann, Manfred Rehm, Peter Kneer und Ralf Zimmermann von der Schwäbischen Alb bei Ulm klar, dass die gesamte Modulcharge fehlerhaft gewesen sein muss. Stattdessen aber bietet Canadian an, eine ganze Palette neu zu produzieren und „nur die Module in Rechnung zu stellen“, die nicht als Ersatz geliefert würden. So habe Aigner eine Reserve, wenn er diese wünsche.
Parallel gehen die Nachfragen seitens des Modulherstellers weiter: Die Geschädigten sollten neue Stück- und Lieferlisten bereitstellen, die Spannungen einmal mehr und noch vollständiger messen sowie Fotos von den vier reklamierten Anlagen präziser den einzelnen Objekten und Listen zuordnen.
In einer Mail von Anfang Dezember 2014 heißt es etwa, man möge „Seriennummern der defekten Module mit den jeweils gemessenen Werten in einem Excel Sheet erfassen, damit dem jeweiligen Kunden die Module zugeordnet werden können“.
Fast flehentlich hält Aigner dagegen, dass, wenn Canadian bereits zugestanden habe, dass zwei Fälle zusammengefasst werden können, und die Messungen bereits akzeptiert seien, es doch egal sei, welches Foto zu welcher Anlage gehöre. Heute resümiert der Laichinger Großhändler: „Die haben alles getan, um uns müde zu machen. Damit wir resignieren und sie nicht zahlen müssen.“
Ein Statement wird vorbereitet
In dieses Bild passt, was der Autor dieses Beitrages erlebte, der sich Anfang Mai des Konflikts im Auftrag von photovoltaik angenommen hat. Der erste Kontakt bei Canadian Solar galt dem Kundenberater, mit dem die Geschädigten korrespondiert hatten. Dieser bat darum, die Fragen schriftlich zu stellen, was prompt erfolgte.
Nach drei Wochen ohne Reaktion fassten wir nach, nur um zu erfahren, dass er mit der Presse nicht reden dürfe. Also habe er die Fragen weitergeleitet. Das ist durchaus üblich, doch wer im Marketing zuständig dafür sei, konnte oder wollte er nicht sagen. Der Mann sagte wörtlich: „Ich bin vom Service. Ich wüsste jetzt nicht, an wen ich Sie weiterleite.“
Auf die Bitte, das Telefonat zur geeigneten Person im Unternehmen zu verbinden, reagierte er auf diese Weise: „Ihre Mail habe ich an mehrere Adressen weitergeleitet. Offenbar wird ein Statement vorbereitet.“ Dass dieses Verhalten unprofessionell und der Branche abträglich sei, bestreitet er entwaffnend ehrlich in Münchner Dialekt nicht.
Im Dschungel der Kompetenzen
Bei der Intersolar, die wenige Tage später stattfand, fragten wir uns am Messestand nach einem Verantwortlichen durch, der in der Person des Deutsch-Australiers Marc Wallowy gefunden wurde. Er zeigte sich interessiert und versprach, sich nach der Messe zu melden und der Sache nachzugehen.
Tage später kam sein Hinweis, die Reklamation sei ein laufendes Verfahren, zu dem er sich nicht äußern könne. Zudem unterlägen Geschäftsbeziehungen der Geheimhaltung. Er könne erst mit der Presse sprechen, wenn ihn die Gegenseite von dieser Pflicht schriftlich entbinde.
Termine hin, Termine her
Allerdings bot er einen Termin mit der Geschäftsführerin in München an und bat um Terminvorschläge. Schließlich einigte man sich auf eine Telefonkonferenz am 29. Juni. Doch sie wurde kurzfristig abgesetzt, weil die Chefin den Termin nicht einhalten konnte. So etwas kommt vor, kein Beinbruch.
Um Canadian Solar dennoch zu Wort kommen zu lassen, akzeptierte die Redaktion das Angebot, dass die Pressestelle und die Mitarbeiter im Service Auskünfte gäben. Auf die Bitte um Zahlen zum Unternehmen schickte Wallowy per E-Mail lediglich den Link auf die in Englisch verfasste Homepage. Statt eines neuen Telefontermins mailte die Pressesprecherin zwei Tage später erneut ein mehrseitiges Statement – auf Englisch. Darin heißt es: Es sei noch nicht vollständig geklärt, ob das Modul selbst oder ein anderer Teil der Anlage die „potenzielle Minderleistung“ ausgelöst habe. Und generell: Man habe „in einen reibungslosen Reklamationsablauf mit klaren Prozessen“ investiert, weshalb man den konkreten Reklamationsfall „schnellstmöglich“ lösen wolle und „mit Hochdruck“ daran arbeite.
Mehrfach habe man „dem Kunden“, der nicht näher spezifiziert ist, obwohl vier Anlagenbetreiber, ein Solarteur und ein Händler involviert sind, einen Lösungsvorschlag übermittelt, „ohne eine finale Entscheidung des Kunden erhalten zu haben“. Es fehle „an der aktiven Zusammenarbeit des Kunden“.
Zum Verständnis: Reklamiert wurden 233 defekte Module des Typs CS6B/150 an vier Anlagen, über die Solarteur Rehm schon am 1. Oktober 2013 berichtet hatte: „Bei diesem Schadensbild können wir auf Messungen verzichten.“ Rückseitige Folien zeigten Blasen oder seien bereits durchgebrannt, Scheiben gesplittert und Sockel von Anschlussdosen hitzebedingt verformt. Es bestehe Brandgefahr bei Weiterbetrieb.
Wir werden gespannt sein, wie der Modulhersteller diese Fälle nun entscheidet. Langfristig hat im Markt nur eine Chance, wer sowohl in der Fertigung als auch im After-Sales-Service höchste Qualität bietet. Freilich: Im Werk kann mal etwas danebengehen. Umso wichtiger ist es hinterher, die Kunden nicht allein zu lassen. Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Tipps zum Umgang mit Reklamationen
Fakten statt Worthülsen
Ehrlich, verständlich und wertschätzend sollte die Kommunikation mit Kunden sein. Erst recht, wenn diese unzufrieden sind und reklamieren. Kommunikationsberater Leonhard Fromm gibt Tipps, wie dies im konkreten Fall aussehen kann.
Drücken Sie Ihr Bedauern aus: Egal, wer schuld ist oder recht hat, der reklamierende Kunde will in seinem Ärger gehört und gesehen werden. Drücken Sie also Ihr Bedauern darüber aus, dass Ihre Beziehung nun offenbar belastet ist, und sagen Sie, dass es Ihnen leidtut, dass Ihre Firma, Ihr Mitarbeiter oder Ihr Produkt dafür der Auslöser ist. Diese Gefühlsebene nimmt Aggression aus der Kommunikation.
Seien Sie präzise: Speisen Sie den Kunden nicht mit allgemeinen Floskeln ab, sondern gehen Sie konkret auf sein Anliegen ein. Fragen Sie nach und zeigen Sie damit Interesse an seinem Thema, um ihn besser zu verstehen und somit Ihrerseits genauer zu wissen, was er Ihnen vorhält und von Ihnen will (Sachebene) und braucht (Beziehungsebene). Das schafft Klarheit und entzieht Spekulationen den Boden.
Reden Sie Klartext: Benennen Sie Fakten und zeigen Sie Hintergründe und Strukturen auf, wie bei Ihnen produziert, kommuniziert oder gehandelt wird. Dadurch schenken Sie dem Kunden Einblick und damit Vertrauen. In der Regel kann er dann besser nachvollziehen, wie es zu der Situation kam, die er nun reklamiert. Sie werten ihn damit vom Ahnungslosen zum Beteiligten auf, was ihn freut.
Gestehen Sie Fehler ein: Es zeugt von Größe, wenn Sie eigene Versäumnisse und Fehler eingestehen. Das macht Sie sympathisch, denn jeder macht Fehler. Fragen Sie den Kunden, wie Sie die verfahrene Situation wiedergutmachen können. Dieses Schuldeingeständnis auf der Beziehungsebene ist unter Marketingaspekten viel mehr wert als der Rechtsanspruch auf der materiellen Ebene, der sich daraus eventuell ableiten lässt.
Kommunizieren Sie proaktiv: Beantworten Sie Ihrem Gegenüber immer zehn Prozent mehr, als er wissen will. Mit dieser „Großzügigkeit“ stiften Sie Vertrauen und interessieren den Dialogpartner für Ihre Firma. Fragt er etwa nach der Ausbildungsquote, liefern Sie einen Kontext zu der gefragten Zahl, „damit liegen wir zwei Prozentpunkte über dem Branchendurchschnitt“ oder „damit werden wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht“.
Nennen Sie Zahlen, Daten, Fakten: Sprechen Sie nicht von „deutlich mehr“ oder „führendes Unternehmen“, sondern quantifizieren Sie die Steigerung mit beispielsweise zehn Prozent und überlassen Sie Ihrem Gegenüber die Interpretation, ob das für ihn viel oder wenig ist. Nennen Sie Ihren Umsatz oder Marktanteil im Kontext von Branchenzahlen. Dann entscheidet der mündige Kunde, ob Sie „führen“.
Vermeiden Sie Anglizismen, Abkürzungen oder Fachchinesisch: Nicht Ihre Mitbewerber müssen Sie verstehen, sondern Ihr Kunde. Was ein Geschäftsführer ist oder eine Abteilung, weiß jeder. Beim CEO oder der Unit kommen dagegen viele ins Straucheln. Deshalb werden auch sämtliche Begriffe ausformuliert, ehe sie mit Abkürzung in den Text eingeführt werden.
Vermeiden Sie Werbefloskeln: Wenn Ihr Kunde mit Ihrem Service unzufrieden ist, möchte er weder hören, dass Sie aktuell ihren Dienstleistungsbereich einem „Benchmark“ unterzogen haben, noch möchte er Ihren „Dank“, dass Sie ihm helfen, besser zu werden. Beides klingt zynisch, provokativ und entlarvt, dass Sie selbst jetzt nur an sich denken und nicht an Ihren unzufriedenen Kunden.
Reagieren Sie schnell und halten Sie Wort: Wenn Ihr Kunde verärgert ist, möchte er sehen, dass Sie sich für ihn reinhängen. Das spürt er am ehesten an einer kurzen Reaktionszeit Ihrerseits, zum Beispiel binnen Stunden per E-Mail oder SMS, und dass zumindest Ihre Kommunikation verlässlich ist. Teilen Sie deshalb sofort mit, dass seine Kritik bei Ihnen eingegangen ist, was damit nun geschieht und bis wann er zur Sache selbst von Ihnen hört. Und halten Sie all diese Zusagen auch ein.
Bleiben Sie freundlich und zeigen eventuell Humor: Bei allem, was in Ihrer Geschäftsbeziehung schiefläuft, in der Regel stirbt dabei niemand und Ihre Firma geht auch nicht bankrott. Entsprechend sollten Sie Dramatik aus dem Sachverhalt nehmen und immer freundlich bleiben. Humor kann deeskalierend wirken, aber prüfen Sie vorher, ob ihn die Situation verträgt. Ansonsten bleiben Sie verbindlich und sachlich.
Der Autor
Leonhard Fromm
ist freier Journalist und Kommunikationsberater. Der 52-jährige Theologe hat eine Ausbildung zum Gestalttherapeuten absolviert. Der Schorndorfer schreibt für Fachzeitschriften, berät Firmen in ex- und interner Kommunikation und coacht Führungskräfte.